Arbeitsleben – Die Zustimmung zum Projekt

Es war schon eine denkwürdige Angelegenheit, bei der ich einiges über Arbeitsabläufe in japanischen Unternehmen gelernt habe. Mein damaliger Arbeitgeber plante ein Biotechnik-Pilotananlage in Japan zu errichten. Diese sollte von der Technik so ausgelegt werden, dass sie mit den in Deutschland laufenden Anlagen kompatibel war und die Daten vergleichbar sein würden.


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Also wurde ich auf eine Dienstreise nach Japan beordert, um die technische Planung in Richtung Mess- und Regeltechnik sowie Datenerfassung ins Auge zu fassen und dafür zu sorgen, dass in Deutschland eingesetzte Computersysteme zur Datenerfassung und –auswertung verwendet würden.

Bei den ersten Besprechungen kristallisierte sich schnell heraus, dass man in der Vorplanung die Vorschläge kleinerer japanischer Biotechnik-Unternehmen zu bestellen gedachte. Dies hätte natürlich erhebliche technische Probleme bedeutet. Auch die Verfahrenstechnik war auf Japan only angedacht. Schnell war klar, dass das nicht funktionieren würde. Die Vorgabe des deutschen Managements war, dass ein Teil der Verfahrenstechnik von Schweizer Biotechnik-Firmen zu beziehen war. Diese waren seinerzeit führend und so konnte die Vergleichbarkeit verfahrenstechnischer Versuchsreihen sichergestellt werden.

Nach einigen Besprechungen stimmten die japanischen Kollegen zu, die betreffenden verfahrenstechnischen Komponenten aus der Schweiz, sowie die von mir vorgeschlagenen Computersysteme einzusetzen. Ich hatte darauf geachtet, dass die benötigten Schnittstellen zu den Verfahrenstechnischen Anlagen kompatibel waren. Als Zugeständnis war zudem die Beschaffung einer Pilot-Einheit von einem japanischen Hersteller vorgesehen. Also flog ich mit dem vermeintlichen Agreement wieder nach Hause.

Einige Monate später kam ein Anruf aus dem deutschen Management. Inhalt: Es hatte Mitarbeiterwechsel gegeben und offenbar war man in Japan dabei, alles über eine Haufen zu werfen und eigene Planungen zu verfolgen. Also hieß es wieder ‘Koffer packen und nach Japan reisen’. Vor Ort lernte ich schnell, dass die neuen Mitarbeiter teilweise eigene Vorstellungen hatten, wie das Ganze abzulaufen habe. Problem war, dass die deutsche Mutter sowohl die Finanzierung übernahm, als auch sicherstellen wollte, dass die Ergebnisse der Pilotanlage weltweit in anderen Anlagen des Unternehmens übernommen werden konnten. Die neu ausgerichtete Planung nach ‘dem Gusto der neuen Mitarbeiter’ hätte geradezu ins Desaster geführt.

Also galt es, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. ‘Hallo, deine Lösung finde ich genial, aber wie lösen wir dieses oder jenes Problem?’ Und am Ende der Diskussion wurde dann herausgearbeitet, dass es leider keine Lösung gab, um die Frage anzuschließen ‘Wie können wir nun unser gemeinsames Projekt retten, was können wir tun`? Dann wurde angemerkt, wenn wir diese oder jene Komponente nehmen würden, könnten wir dieses und jenes Problem elegant umschiffen. Nach einigen Tagen kristallisierte sich, welch Zufall, dann die Lösung heraus, die Monate zuvor bereits mit den Ingenieurskollegen verabschiedet worden war.

War mühselig, aber nicht zu umgehen. In Erinnerung blieb bei mir eine große Runde, wo der Chefingenieur und ein neu eingestellter Ingenieur zur Abschlussbesprechung dabei waren. Der neue Ingenieur sollte für die Messdatenauswertung verantwortlich sein, seine Kollegen für die Mess- und Regeltechnik. Den neuen Ingenieur hatte ich in die Pläne zur Beschaffung des Computersystems eingebunden, das war quasi ein Bonbon für ihn, da er die Federführung übernehmen und auch Anpassungen an der Software vornehmen sollte.

Nach einer längeren Diskussion wollte der japanische Chefingenieur den Konsens der Gruppe. Er fragte also bei jedem seiner Mitarbeiter nach, ob er einverstanden wäre. Bei den meisten kam sofort das Hai, das Ok. Der neu eingestellte Ingenieur zierte sich etwas. Die in japanisch geführte Diskussion habe ich nicht verstanden. Am Ende kam die Frage, ob der Ingenieur eine Schulung bei uns in Deutschland bekäme – was ich bejahte (ich hatte mehrere Wochen eingeplant, in denen der Mann bei uns in Deutschland in die Software eingeführt werden sollte und bereits Anpassungen für die japanische Bedienoberfläche durchführen sollte). Dann fragte der Chefingenieur noch zwei Mal explizit nach. Da schien der japanische Mitarbeiter eindeutig zugestimmt und sich zum Projekt bekannt zu haben. Auch der neu eingestellte Biochemiker, auf dessen die Ideen für die ‘Neuplanungen’ wohl zurückgingen, schien scheinbar zu nicken. Da dieser Mann aber nicht zum Ingenieursteam gehörte, sondern zur späteren Betriebsmannschaft, interessierte das den Chefingenieur nicht mehr

PostScriptum: Später erfuhr ich, dass der eingestellte Biochemiker nach meiner Abreise wieder alles zurückdrehen wollte – also das alte Spiel. Aber das Projekt hatte nun in dem jungen japanischen Ingenieur einen Fürsprecher, der darauf achtete, dass die Planungen, wie abgesprochen, weiter liefen. Der Biochemiker verließ dann nach kurzer Zeit das Unternehmen.

Der junge Ingenieur erhielt natürlich seine Schulung in Deutschland und passte die von mir in Englisch konzipierte Bedienoberfläche der Software an die japanische Sprache an. Man konnte also eine deutsche und eine japanische Bedienung wählen, so dass die japanische Bedienmannschaft genau so gut wie die deutschen Betriebsleiter und Techniker mit der englischsprachigen Oberfläche arbeiten konnten.  Insgesamt wurde das Projekt von unserer Seite erfolgreich in Betrieb genommen und das Ingenieursteam hatte die Technik im Griff.

Diese Episode zeigte mir, wie wichtig es ist, die kulturellen Gegebenheiten zu kennen und zu berücksichtigen. Ein Ja heißt in Japan nicht unbedingt ja – aber wenn sich jemand für etwas entschied und dies kund tat, wurde das auch durchgezogen.


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