Heuer haben wir es scheinbar mit Datenskandalen ganz dicke. Erst die Datensammelwut von Apple, dann die Panne mit dem gehackten Playstation-Netzwerk bei Sony und jetzt TomTom. Um ein wenig Kohle zu machen, haben die Kerle die Bewegungsdaten ihrer Kunden an die Polizei verkauft …
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Ist zwar nur bei den Holländern passiert – aber da hat der Navi-Hersteller ein dickes Eigentor geschossen. Hintergrund ist, dass TomTom einen Informationsdienst "Traffic HD" anbietet, der Stauvorhersagen verbessern sollte. Sobald der Kunde also sein Navi mit den Routendaten und Zwischenstationen speiste, wurden diese Verkehrsdaten samt Bewegungsinformationen (Fahrtrichtung, Geschwindigkeit) bei den Nutzern des Informationsdienst erfasst. TomTom konnte so eine Datenbank erstellen, die genau verrät, in welche Richtung Fahrzeuge unterwegs sind und wie schnell diese fahren.
Wie einige Presseorgane berichteten [1, 2, 3, 4], wurden die Daten (zwar in anonymisierter Form) an die niederländische Polizei verkauft (konkret gingen die Daten an den niederländischen Staat, der diese dann an ein Beratungsunternehmen weitergab, welches Analysen und Berichte erstellte – und über die Provinzverwaltungen ging es dann auch an die Polizei). Harold Goddijn von TomTom glaubt zwar an das Gute im Menschen, und beteuerte: "man ging davon aus, dass die Daten benutzt werden, um den Verkehr auf den Straßen sicherer zu machen" (O-Ton 'Wij hebben dit soort gebruik niet voorzien') – lol.
Anmerkung: Wer die Holländer kennt und mal in Nord-Holland unterwegs ist, lernt eine andere Sprache kennen. An jeder Ampel, und auch dicht drum rum, hängen die netten Starenkästen mit integriertem Fotostudio. Und dann wird man ggf. auch noch hinter jedem zweiten Straßenbaum mit einer Radarpistole anvisiert. Ich habe zwar kein Problem mit Geschwindigkeitskontrollen, aber das "hervorspringen einer Politesse hinter jedem zweiten Alleebaum" ging mir bei meinem vorletzten Holland-Urlaub dermaßen auf den Sack, dass ich mich nach anderen zukünftigen Urlaubs-Locations umgesehen habe.
Jedenfalls hat da jemand bei den 'Jungs von der Politie' clever mitgedacht, denn "Verkehr auf den Straßen sicherer machen", geht auch mit Geschwindigkeitenbeschränkungen/–kontrollen. Wenn dabei auch noch was für's Staatssäckel rausspringt, ist's schon recht. Jedenfalls berichtete das Algemeen Dagblad [2, 5], das die Polizei (fast jede 2. Polizeidienststelle) die Daten von den TomTom-Benutzern zur Planung von Standorten für Radarfallen verwenden will. Na ja, eine Falle stellt man günstigerweise da auf, wo "das Wild möglichst zahlreich ist".
Aber TomTom hat reagiert! Zwar planen die Navi-Bauer zwecks Aufbesserung der Einnahmen auch weiterhin Daten an "den Staat" zu verkaufen. Aber in den TomTom Go-Lizenzbedingungen gibt es eine Anpassung. Dort wird festgelegt, dass die Reisedaten der Nutzer nicht an die Polizei weiter gegeben werden dürfen. Na, das ist doch was.
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Traffic HD wird in folgenden Ländern angeboten: Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Portugal, der Schweiz, Dänemark, Finnland, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Schweden und Spanien. In Deutschland sollen die Daten aber nicht verkauft worden und an die Polizei gegangen sein. Na ja, vielleicht gibt's ja Amtshilfe von den holländischen Kollegen.
Wer den Spieß umdrehen will, kann ja mal einen Blick auf Spot it out [6] werfen. Klingt vielversprechend – allerdings weiß ich nicht, ob man sich das antun soll – denn die Daten müssen selbst eingepflegt werden. Jedenfalls ist der Navi-Hersteller bei mir unten durch – und es ist ein weiterer Sargnagel in meiner Bereitschaft, Onlinedienste zu nutzen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, das Orwell sich einfach um knapp zwei Jahrzehnte verhauen hat …
Links:
1: Artikel bei Spiegel Online
2: TomTom tipt politie over verkeersmisbruik ( Algemeene Dagblad)
3: Artikel bei Chip Online
4: Artikel bei Zeit Online
5: Englischsprachiger Artikel bei Forbes
6: Red Light & Trap Alerts (TomTom)
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