Bei fast allen Tablet PCs, Ultrabooks und sogar bei manchen Smartphones sind die Akkus vom Benutzer nicht mehr austauschbar. Die Geräte müssen teuer beim Hersteller mit neuen Akkus versorgt werden oder enden früh als Elektroschrott. Der Skandal: Eigentlich dürfte das alles nicht sein …
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Im Beitrag Wegwerfelektronik durch Akkutechnik – Umweltsauerei sondersgleichen hatte ich schon mal meine Gedanken zu nicht wechselbaren Akkus zusammen gefasst und etwas zum Thema geschrieben. Gleichzeitig habe ich Ende 2011 Kontakt mit Umweltschutzorganisationen und Politik aufgenommen, um auf das mutwillig verursachte Problem hinzuweisen. Diversen Empfängern ging Mitte Dezember in etwas folgender Text zu.
Sehr geehrte Damen und Herren,
momentan erleben wir eine starke Zunahme der Popularität von Smartphones, Tablet PCs und Ultrabooks in der Bevölkerung. So schön dies sein mag, geht diese Entwicklung leider mit einem großen Umweltskandal einher: Fast alle modernen Geräte dieser Kategorie werden mit Akkus ausgeliefert, die sich vom Verbraucher nicht mehr selbst wechseln lassen. Es ist also absehbar, dass solche Geräte nach 500 bis 1.000 Ladezyklen (also 3 bis 4 Jahre) als teurer Elektronikschrott enden.
Nachdem ich nun sehe, dass Apple selbst seine Notebooks (wie Mac Book Air) mit fest eingebauten Lithium-Ionen-Akkus versieht – andere Hersteller ziehen nach – , wird es Zeit, da gegen vorzugehen. Ich habe hier (geht ab 17.12. online) die Thematik in meinem Blog adressiert. Bei Recherchen bin ich aber nicht wirklich fündig geworden, ob weitere Initiativen an diesem Thema dran sind. Daher wäre meine Frage, ob Greenpeace sich mit dem Thema befasst bzw. befassen wird.
Ich selbst werden zumindest die EU-Kommission, Parteien im EU-Parlament und im Bundestag diesbezüglich kontaktieren, um auf die Problematik hinzuweisen und nachzufragen, welche Pläne existieren, um diese Entwicklung zu stoppen.
Ich habe einige diese Anfragen auch als eine Art "Elchtest" konzipiert, um herauszufinden, wie bestimmte Adressaten reagieren. Zwischenzeitlich liegen interessante Informationen und Rückmeldungen vor – Zeit also, um in Teil 2 die Erkenntnisse aufzubereiten.
Greenpeace – schnell aber unzuständig
Naiv wie ich bin, war mein erster Gedanke: Greenpeace agiert ja bei den Umweltaktivisten – vielleicht haben die da schon was aufgegriffen oder sind am Thema interessiert. Immerhin vergibt diese Organisation ja jedes Jahr die Cool TI-Bewertungen an IT-Hersteller. Ich habe das Thema hier in meinem Google+ Profil behandelt.
Bereits am 23.12.2011 traf die Antwort von Greenpeace Deutschland ein. Spitzenreaktion, die haben die organisatorischen Abläufe im Griff.
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Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich freue mich über das Vertrauen, dass Sie Greenpeace entgegenbringen.Wir arbeiten nicht zu dem von Ihnen angesprochenen Thema und haben deshalb auch keine Expertinnen oder Experten, die Ihre Frage beantworten können.
Wenn Greenpeace sich mit Umweltthemen nicht beschäftigt, so heißt das nicht, dass wir sie als weniger wichtig einstufen.
Im Gegenteil: Wir wissen um die Fülle der Umweltprobleme. Um aber erfolgreich zu sein, muss Greenpeace sich auf ausgewählte Bereiche beschränken. Dort verfolgen wir konsequent und mit ganzer Kraft unsere Ziele. Nur so bleiben wir schlagkräftig und effektiv und geben auch dem gesamten Umweltschutz durch internationale Erfolge Rückenwind.
Wir arbeiten aktuell zu folgenden Themen: Energie, Klima, Wälder, Meeresschutz, Gentechnik und Chemie. Sie können sicher sein, dass wir keines dieser Themen aus dem Blick verlieren, auch wenn wir nicht immer an allen Themen mit der gleichen Intensität arbeiten.
Sicher haben Sie sich eine andere Antwort gewünscht – doch wir können Ihnen nicht direkt weiterhelfen.
Wir möchten Sie ermutigen, selbst im Internet zu recherchieren. Die folgenden Seiten können Ihnen – neben herkömmlichen Suchmaschinen wie google oder altavista – dabei helfen: Suchen und FInden (Eine praktische Broschüre im PDF-Format zum Thema: "Finden, was man sucht!" Strategien und Werkzeuge für die Internetrecherche)
Eine Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, gibt Ihnen unsere Online-Community www.greenaction.de – GreenAction ist eine Internetplattform, auf der umwelt- und sozial-engagierte Menschen sich vernetzen können, um gemeinsam etwas zu verändern und zu bewegen. Jedes registrierte Community-Mitglied kann eigene Diskussionen und Aktionen initiieren, Projekte und Themen vorstellen, Mitstreiterinnen und Mitstreiter für seine Ideen sammeln, Netzwerke aufbauen und so zusammen mit anderen etwas bewegen.
GreenAction macht die Kraft der Einzelpersonen, Organisationen und Initiativen sichtbar, die sich für Umweltschutz und eine gerechtere Welt einsetzen:
Mitmachen
Wenn Sie noch Fragen haben, rufen Sie uns gern an oder schreiben Sie uns. Wir sind montags bis donnerstags zwischen 9.00 und 17.00 Uhr und freitags von 9.00 bis 16.00 Uhr unter der Telefonnummer 040 30618-0 (Fax -100) für Sie da. Sie erreichen uns außerdem per E-Mail unter mail@greenpeace.de.Wir freuen uns, wenn Sie sich weiter für die Umwelt einsetzen und drücken Ihnen die Daumen, dass Sie die nötige Unterstützung erhalten.
Freundliche Grüße von der Elbe
Klare Ansage – für mich nachvollziehbar und zu akzeptieren. Jedenfalls weiß ich, woran ich bin und wie ich die Cool IT-Bewertungen einzuschätzen habe.
Überraschung: Die Reaktion des BMU
Ich habe natürlich auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in der Sache kontaktiert. Am 11.01.2012 erreichte mich eine interessante Stellungnahme des Bereichs Produktbezogener Umweltschutz, Normung, umweltfreundliches Beschaffungswesen mit folgendem Wortlaut.
vielen Dank für Ihren Eintrag in das BMU-Kontaktformular.
Die EU-Batterierichtlinie enthält in Artikel 11 Regelungen über das Entnehmen von Abfallbatterien und -akkumulatoren aus elektrischen und elektronischen Geräten. Diese Vorgaben wurden auf nationaler Ebene durch § 4 des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes umgesetzt:
"(…) Elektro- und Elektronikgeräte, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkumulatoren betrieben werden können, sind so zu gestalten, dass eine problemlose Entnehmbarkeit der Batterien und Akkumulatoren sichergestellt ist. Die Hersteller sollen die Wiederverwendung nicht durch besondere Konstruktionsmerkmale oder Herstellungsprozesse verhindern, es sei denn, dass die Konstruktionsmerkmale rechtlich vorgeschrieben sind oder die Vorteile dieser besonderen Konstruktionsmerkmale oder Herstellungsprozesse überwiegen, beispielsweise im Hinblick auf den Gesundheitsschutz, den Umweltschutz oder auf Sicherheitsvorschriften. Satz 2 und § 13 Absatz 7 gelten nicht für Elektro- und Elektronikgeräte, in denen aus Gründen der Sicherheit, der Leistung, aus medizinischen Gründen oder aus Gründen der Vollständigkeit von Daten eine ununterbrochene Stromversorgung notwendig und eine ständige Verbindung zwischen dem Gerät und der Batterie oder dem Akkumulator erforderlich ist."
Für die Marktüberwachung sind diesbezüglich die Bundesländer zuständig. Vorschriften zum Produktdesign sind aus binnenmarktrechtlichen Gründen grundsätzlich nur EU-weit möglich und sinnvoll. Den Rechstrahmen hierfür bietet die EG-Ökodesign-Richtlinie (125/2009/EG). Die EU-Kommission prüft regelmäßig Aufwand und Nutzen von Ökodesign-Durchführungsmaßnahmen für einzelne Produktgruppen und stellt danach ihren Arbeitsplan auf. Der aktuelle Arbeitsplan und der Entwurf des Arbeitsplanes für 2012-2014 enthalten die hier in Rede stehenden Produktgruppen nicht. Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt werden die EU-Kommission im gegenwärtigen Konsultationsprozess zum künftigen Arbeitsplan jedoch darauf hinweisen, dass die Regelungen der Batterie-Richtlinie bezüglich der Entnehmbarkeit von Akkumulatoren ggf. nicht ausreichen und darum bitten, zusätzliche Maßnahmen über die Ökodesign-Richtlinie zu prüfen.
Mit freundlichen Grüßen,
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt eine EU-Batterieverordnung von 2008, die auch in deutsches Recht umgesetzt wurde. Diese Verordnung gibt den Herstellern klar Designregeln vor, die eine Konstruktion vorschreiben, die eine problemlose Entnahme sicherstellt. Nur hält sich keiner daran – und die für die Überwachung zuständigen Bundesländer schauen weg. Stattdessen werden lieber containerweise iPads für die Bundestagsverwaltung beschafft. Der Förderalismus zeigt wieder einmal seine Blüten.
Bündnis 90/Die Grünen und Europafraktion der Grünen
Bündnis 90/Die Grünen sowie deren Europafraktion brauchte bezüglich einer Reaktion auf die Thematik etwas länger (na ja, war Weihnachten …). Mich interessierte aber, was bezüglich der Angelegenheit geplant ist. Von der Europafraktion liegt mir bis Mitte Februar 2012 keine Antwort vor. Von Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Sprecher für Energie- und Ressourceneffizienz, Oliver Krischner (MdB), am 25.1.2012 gemeldet.
Derzeit arbeiten wir sowohl an einer Kleinen Anfrage, als auch einem Antrag zum Thema Ressourceneffizienz, in welchem wir die Bundesregierung auffordern werden endlich konkrete Maßnahmen zu ergreifen, bisher handelt es sich bei den Aussagen von Umweltminister Röttgen nämlich eher um leere Worthülsen.
Wir stimmen uns dabei eng mit Reinhard Bütikofer ab, der zuständiger Berichterstatter für das Thema Ressourceneffizienz im Europäischen Parlament ist. Reinhard Bütikofer hat in einem Initiativbericht viele gute Vorschläge für Maßnahmen auf europäischer Ebene entwickelt, um das Thema Ressourceneffizienz voranzubringen.
Immerhin ist man am Thema dran – und der liebe Rainer Bütikofer wird das auch in der EU verfolgen …
EU-Kommissarin Neeli Kroes im Elchtest
Bei der EU-Kommission, die sich um krumme Bananen, Energieeffizienz von Leuchtmitteln, Euro-Rettungsschirm und was noch alles kümmern muss, bin ich am 16.12.2011 bezüglich einer Kontaktstelle nicht sofort fündig geworden. Die haben zwar Webseiten – aber nur sinnfreie Kontaktformulare, wo man kaum eine fundierte Anfrage einspeisen kann.
Also hab ich's ein paar Tage zurückgestellt, bevor ich versuchen wollte, mit den zuständigen EU-Kommissaren Kontakt aufzunehmen. Dass die durchaus aktiv werden, zeigt ja die pressemäßig groß gefeierte "universelle Schnittstelle für Handy-Ladegeräte" (eine Selbstverpflichtung der Hersteller, sonst hätten iPad und iPhone heute eine microUSB-Schnittstelle) oder die Drohung von EU-Kommissarin Viviane Reding, die Roaming-Gebühren für Mobilfunkverbindungen im europäischen Ausland zu begrenzen.
Da ich meine Blog-Artikel bei Facebook und Google+ verlinke, kam der Hinweis, dass Neeli Kroes, unsere EU-Kommissarin für die Digitale Agenda (konkret Vice President of the European Commission for the Digital Agenda) auch ein Profil bei Google+ habe. Neeli Kroes war mir in Erinnerung, weil sie Freiherr zu Guttenberg als Berater der Kommission zur "Internet-Freiheit" angeheuert hat.
Ich gestehe, mich hat's dann etwas gejuckt, so etwas wie einen Elchtest zu fahren, ob und wie schnell die Kommissarin reagiert. Also habe ich am 9.1.2012 einen Eintrag in ihrer "new year's message: some things …" bei Google+ hinterlassen – und am 16.1.2012 auch noch das Facebook-Profil von Neeli mit einem Verweis auf das Google+ Profil nachgeschoben. Der Eintrag ist zwar von anderen bemerkt und diskutiert worden.
Allein, bis heute gibt es keine Reaktion der EU-Kommissarin oder ihrer Mannschaft. Vielleicht hätte ich das Ganze in feinstem niederländisch schreiben sollen – dachte aber, Englisch sei auch eine Verkehrssprache in der EU. Und so schlecht sollte mein Englisch auch nicht sein, dass es nicht verstanden worden ist.
Selbst die wohl gelegentlich in Brüssel, bei der Kommission, angeheuerten Praktikanten scheinen nicht dafür eingesetzt zu werden, mal gelegentlich über die offiziellen Facebook- und Google+ Profile zu schauen und eventuell auf Benutzereinträge zu reagieren. Soziale Netzwerke sind da offenbar "One way communication channels" – und das bei einer Kommissarin, die für die digitale Agenda der EU verantwortlich zeichnet. Mein Fazit: Elch-Test leider nicht bestanden.
Wie geht es weiter?
Die EU-Kommission werde ich nicht vom Haken lassen, dafür wird das Thema in naher Zukunft zu wichtig.
Daher werde ich in der Sache jetzt offiziell Beschwerde bei der EU-Kommission wegen Verstoßes gegen EU-Verordnungen einlegen. Die betreffenden Kontaktdaten finden sich nebenstehend (sind mir in anderer Angelegenheit vom EU Bürgerbeauftragten, P. Nikiforos Diamandouros, zugegangen).
Unterstützung erwünscht: Falls ihr euch hinsichtlich des Themas angesprochen fühlt, wäre ich für Unterstützung in Form von Kommentaren, der Verlinkung dieses Blog-Beitrags oder Schreiben an Politik und Umweltorganisationen sowie weitere Tipps dankbar. Bei genügend Interesse reiche ich ggf. auch eine Petition beim Europa-Parlament ein. Das Thema ist in meinen Augen zu wichtig, um es allein der Politik und dem "Vergessen" anheim fallen zu lassen – zumal es keine konstruktiv bedingten Gründe gibt, Tablet PCs, Smartphones oder Ultrabooks mit fest eingelöteten oder montierten Akkus zu fertigen. Zumindest zeigen einzelne Firmen, das genau das problemlos geht. Mir drängt sich vielmehr der Schluss auf, dass durch diese Konstruktionsmerkmale von den Herstellern einfach nachgeholfen werden soll, dass die Produktwechsel-Zyklen auf die Lebensdauer von Akkus verkürzt werden.
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Nachtrag: Ich habe im Mai offiziell EU-Beschwerde eingereicht – und weil das ohne Reaktion blieb, jetzt den Vorgang beim europäischen Ombudsmann vorgebracht. [Update: Zumindest habe ich vom europäischen Ombudsmann jetzt eine Vorgangsnummer bekommen.]
Und unter [1] habe ich die neueste Volte von Apple unter dem Titel "Kaufen für die Müllhalde – stoppt endlich Apple" mal adressiert. Denn über die Akku-Geschichte hinaus geht es jetzt mit neuen Schikanen weiter.
1: http://www.borncity.com/blog/2012/06/19/kaufen-fr-die-mllhalde-stoppt-endlich-apple/
Nachtrag II: Die Ablehnung der EU-Beschwerde ist nun eingetrudelt. Die EU-Batterieverordnung gilt für Altgeräte – und solange Fachbetriebe "mit der Brechstange" die Akkus raus kriegen, ist alles in Ordnung. Ich muss jetzt mal schauen, wie ich das Thema neu eintüten kann – denn die EU Öko-Designrichtlinie gibt momentan auch nichts her. Aber die Sachlage brennt, da ich an allen Ecken und Enden sehe, wie der Verbraucher durch geplante Obsoleszenz über den Löffel balbiert wird. Neuester Fall: Eine damals recht teure Fuji S9500 Bridgekamera, die beim Akku-Wechsel (sind noch Mignon-Akkus, da hatte ich beim Kauf drauf geachtet) das Datum vergisst. Kurz recherchiert und festgestellt, dass das Methode bei Fuji Methode hat (es gab sofort mehrere Treffer zu diversen Modellen). Das Stützakku oder der -Elko sitzen auf der Hauptplatine – da ist nix mit auswechseln. Und die Reparaturmanuals lässt Fuji von Anwälten aus dem Netz verbannen. Mein Fazit: Nie mehr Fuji-Produkte kaufen …
Nun ist die freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller auf einheitlich Ladegeräte ausgelaufen [1] – mal schauen, was da wird.
1: http://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Kommission-draengt-auf-einheitliche-Ladegeraete-1796656.html