In der IT-Industrie wird mit harten Bandagen gekämpft: Apple gegen Samsung, Microsoft gegen Google, die Hersteller versuchen den Kunden über den Tisch zu ziehen – und die EU kriegt immer mal wieder Hersteller "bei den Eiern". Ach ja, und China kann dieses Spiel auch spielen. Heute mal ein kurzes Brush Up, wer wem momentan auf die Mütze haut.
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Microsoft stänkert gegen Google
Google hat Erfolg, mit seiner Suchmaschine, dem sozialen Netzwerk Google +, Android und einigen weiteren Produkten. Microsoft bringt zwar viel neues heraus (Windows 8, Windows Phone 8, Office 2013) etc. Microsoft betont auch, "genau zu wissen, was die Kunden so wünschen", und die Firma kann ganz ordentliche Umsätze sowie Gewinne vorweisen. Allerdings ist Microsoft kein Apple und stellt sich in meinen Augen beim Versuch, Apple nachzueifern, oft recht tapsig an. Jedenfalls werde ich das Gefühl nicht los, dass da momentan eine Menge Microsoft Kunden verprellt werden. Windows 8 separiert, Windows Phone kommt nicht in die Pushen, bei Office 2013/365 "pisst man den Kunden durch die aufgezwungenen Abonnements vor die Füße" und so weiter und so fort.
Google ist zwar kein Musterschüler, wenn es um Datenschutz geht, haben die doch ein Interesse daran, möglichst viele Daten von jedem Nutzer, der nicht bei drei die Flucht ergreift, zu sammeln. Aber bei den meisten Google-Angeboten habe ich als Benutzer nicht den Eindruck, irgendwie gegängelt zu werden. Die Suchmaschine Google tut, was sie soll – wenn ich eine neue Windows- oder IE-Installation zum Testen aufsetze, stelle ich als erstes die Suchvorgaben von Bing auf Google (oder Scroogle bzw. IXQuick) um. Android macht einfach Laune, statt Facebook bevorzuge ich Google+ für meine beruflichen social Networking-Aktivitäten und die Smartphones bzw. Tablet PCs, die Google so herausbringt, wecken zumindest bei mir den Impuls, über einen Kauf nachzudenken. Gut, es gibt schon mal geringe Kollateralschäden – wie kürzlich, als Google seinen RSS-Reader-Dienst einstellte und ein Aufschrei durch die digitale Avantgarde ging. Hat aber den durchschnittlichen Google-Anwender genau so wenig tangiert, als wenn ein Sack Reis in China umfällt. Und ich muss mir eigentlich auch gelegentlich bewusst machen, gezielt auf Google-Dienste zu verzichten, um mich nicht gänzlich von denen abhängig zu machen.
Tja, und das fuchst Microsoft. Nein, die schauen nicht, ob in meinem Keller ein Sack Reis umfällt oder was ich mit der Google-Suche so anstelle. Aber Microsoft "erkennt", dass Google dabei ist, sich die Butter vom Brot zu holen – und es hat den Anschein, dass man in Redmond vieles nicht mehr wirklich richtig gut auf die Reihe bekommt. Statt mit Produkten, die man einfach lieben muss – weil sie Bedürfnisse adressieren und Lösungen bietet – zu punkten, haut der Konzern nun auf Google ein. Da gibt es die "Scroogled"-Kampagne, mit dem Microsoft gegen Google Stimmung machen will. Es wurde schon mal gegen Gmail und die Google-Suche geschossen, indem man Benutzer über die "Datenschutzrisiken" bei Google informierte. Ich hatte hier meine 2 Cents zum Thema abgelassen.
Und nun geht es in die nächste Runde: Microsoft nimmt sich Android vor. In Werbespots versucht man gegen Android und den Play Store Stimmung zu machen – die Site androider.de hat hier einen Übersichtsartikel zum Thema, der wohl auf diesem Techcrunch.com-Beitrag fußt. Ein etwas länglicher Artikel eines Associated Press Reporters rund um das Thema aus Sicht eines Finanzanalysten findet sich hier bei yahoo finance – die von Microsoft aufgesetzte Seite findet sich unter http://www.scroogled.com/ – wirkt auf mich aber irgendwie peinlich. Auch beim Thema "EU nimmt Google in den Fokus" (siehe nächstes Abschnitt), hat Microsoft seine Finger im Spiel.
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Ein Führungsproblem bei Microsoft? Krieg der Köpfe …
Wenn ich hier, als jahrelanger Nutzer und Fan von Microsoft-Produkten, ernsthaft darüber nachdenke, ein Linux Mint als Basissystem aufzusetzen, um dort virtualisiert Windows laufen zu lassen, oder lieber mit Android-x86 frickele, statt mich mit Windows 8.1 zu beschäftigen, ist das ein ernstes Zeichen, dass einiges bei Microsoft in die falsche Richtung läuft. Könnte natürlich mit der Führungsmannschaft bei Microsoft zu tun haben. Ich kann's nicht final beurteilen, finde aber diesen Artikel bei readwrite.com recht spannend. Die vergleichen die Vorstandsriegen von Microsoft, Facebook und Google und analysieren deren Background (z.B. Informatikstudium, Erfahrung in anderen Tech-Firmen).
Tenor: Während bei Google und Facbook wohl einige helle Köpfe mit IT-Studienabschlüssen und Erfahrungen in externen High-Tech-Firmen im Management sitzen, schmort Microsoft im eigenen Saft. Bill Gates war zwar erfolgreich, ist aber Geschichte – Ballmer verwaltet nur das Erbe dieser Ära. Man hat zwar mit den im letzten Jahrzehnt gefahrenen Strategien ordentlich Geld verdient. Aber Leute mit Visionen und Technologietreiber sind dort nicht wirklich zu finden. Auf den Punkt gebracht: Microsoft ist nicht mehr wirklich "sexy" – die hellsten Köpfe gehen gleich zu anderen Firmen (oder wandern von Microsoft ab) – und das könnte sich mittelfristig rächen. Denn momentan ändert sich die Art, wie wir mit Computertechnik und Software umgehen – ob Microsoft da in 10 Jahren noch ganz vorne mitspielen darf, könnte mit einem Fragezeichen versehen werden.
EU nimmt Google in's Visier
Es ging gestern durch's Netz und die Medien (siehe z.B. Tagesschau, ZDNet.de oder Stern.de): Googles Konkurrenten haben eine Beschwerde an die EU gesandt, und wollen erreichen, dass die EU-Kommission Android einer Wettbewerbsprüfung unterzieht. Initiator und Absender der EU-Beschwerde ist zwar die Organisation Fairsearch.org, aber auch da hat Microsoft im Hintergrund seine Finger mit im Spiel. Nach Eigenauskunft gehören Fairsearch Firmen wie Nokia, Microsoft oder Oracle an – alles Mitbewerber von Google. Fairsearch.org wirft Google ein wettbewerbsfeindliches Verhalten im mobilen Geschäft vor. In einer Mitteilung erklärt Fairsearch.org, dass "Google das Android-Betriebssystem als ein 'Trojanisches Pferd' nutze, um Partner hinters Licht zu führen, das mobile Geschäft zu monopolisieren und Nutzer-Daten zu kontrollieren". Hier die Original-Erklärung der Organisation.
"Google is using its Android mobile operating system as a 'Trojan Horse' to deceive partners, monopolize the mobile marketplace, and control consumer data," said Thomas Vinje, Brussels-based counsel to the FairSearch coalition
Entbehrt nicht einer gewissen Komik, denn eine Organisation, die von Googles-Wettbewerbern gegründet wurde, reicht (im Geiste dieser Firmen) unter eigenem Namen eine Wettbewerbsbeschwerde ein. Früher hätte man die Organisation im Volksmund als "Strohmann" bezeichnet – man könnte es auch als Trojaner ansehen – außen Fairsearch, innen u.a. Microsoft drin.
Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Ich finde es gut, wenn die EU-Kommission Google auf die Finger schaut. Ein Kartellverfahren der EU gegen Google wegen unlauterer Geschäftspraktiken im Suchmaschinenbereich gibt es ja bereits (siehe diesen Handelsblatt-Artikel). Und in Richtung Datenschutz ist bei Google auch nicht alles im grünen Bereich. Einen interessanten Abriss zum Thema liefert ReadWrite.com in diesem Artikel. In den USA wäre, laut Artikel, so ein Verfahren kaum möglich, weil Google auf Amazon und den Kindle Fire verweisen könnte. Im Titel des Artikels "Microsoft's Complaint Against Android In Europe Is All Kinds Of Stupid " haben die Autoren bei ReadWrite.com dann auch bereits eine klare Meinung kund getan. Unter diesen Blickwinkeln: "ein Geschmäckle bleibt", würde der Stuttgarter bei diesem Verfahren sagen.
China hat Microsoft wegen der Surface Garantiebedingungen auf dem Kicker
Ach ja, auch Microsoft hat es getroffen. Vorige Woche sah sich Apple zu einer öffentlichen Entschuldigung in China und zur Korrektur der Gewährleistungsbedingungen genötigt. Und nun meldet die US-Nachrichtenagentur Blomberg, dass die chinesischen Behörden Microsoft und dessen Gewährleistungsbedingungen auf dem Kicker haben. Es wird kritisiert, dass die Gewährleistungsbedingungen sich an die nationalen Gesetze für Notebooks zu halten hätten. Microsoft sieht das zwar anders, es gäbe keine Verletzung der chinesischen Gewährleistungsbedingungen.
*** entfernt ***
(Quelle: Microsoft)
Aber Microsoft hat schon einen "eigenwilligen Geschmack", was den Umgang mit seinen Surface-Käufern betrifft. Martin Geuß von Dr. Windows hat gestern hier eine Kostprobe geliefert – einem Kunden war der Kick-Stand an seinem Surface gebrochen. Der ausklappbare Ständer ist mit Torx-Schrauben fixiert und lässt sich abmontieren. Als der Kunde bei Microsoft nach einem Ersatz für den Kick-Stand nachfragte, wurde ihm beschieden, dass er sich nur ein neues Surface kaufen könne. Mein erster Reflex war: "Wo ist die versteckte Kamera" – aber dann hat der Verstand wieder die Oberhand gewonnen. Dieser signalisierte "That's Microsoft" in Reinkultur. Denn Martin Geuß hat in diesem Artikel auch schon mal darauf hingewiesen, dass Microsoft eine Reparaturpauschale von 303 Euro für ein Surface verlangt, wenn dieses außerhalb der Gewährleistungszeit (oder wegen Nutzerverschuldens) kaputt geht. Also platt gesprochen: Ein Akkutausch nach 2 Jahren kostet pauschal 303 Euro oder so – ich hatte dies schon mal in diesem Beitrag zum Thema Obsoleszenz aufgegriffen. Das die Reparierbarkeit eines Surface-Tablets unter aller Sau ist, hatte ich in diesem Artikel bereits aufgegriffen.
Quintessenz: Wer sich ein Surface kauft, ist selbst schuld. Und es wird interessant sein, zu beobachten, wie sich Microsoft gegenüber den chinesischen Käufern verhält. Um den Bogen zum Artikelanfang zu schlagen: Da sind wir beim Kernproblem – eine Scroogled-Kampagne wird die Käufer nicht zum Surface locken, wenn diesen im gleichen Atemzug gepflegt vor die Füße gepisst wird. Na ja, lassen wir einfach ein wenig Wasser den Rhein runterlaufen und schauen am Ende des Tages, wo Microsoft dann steht und wer wem wo was erneut auf die Mütze gibt. Bleibt spannend, die Tage und so kann man immer eine neue Sau durch's Dorf treiben. Wusste schon meine verstorbene Oma: "Jung, wat brauchste Fernsehen – schau auf die Straße – ist immer was los und Du bekommst kostenlose Unterhaltung geboten". So long … oder 我们会看到, wie die Chinesen sagen.
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