Das Windows 8 nicht, wie eine Bombe bei den Kunden eingeschlagen hat, war ja schon lange klar. Nun gibt es überraschend einige Zahlen aus dem Hause Microsoft – und zwar von Marketing-Chefin Tami Reller persönlich. Einfach mal ein Blick auf die Situation werfen.
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Es läuft nicht rund …
Schaut man auf die Zahlen von marketshare.com, lässt sich seit einiger Zeit sehr klar erkennen, dass Windows 8 und Windows 8.1 ein Flop ist. Über ein Jahr nach dem Verkaufsstart von Windows 8 und über drei Monate nachdem Microsoft Windows 8.1 kostenlos nachgeschoben hat, dümpelt der Anteil beider Betriebssysteme auf dem Desktop bei gerade einmal 10 %.
(Quelle)
Windows 8 kann mit 6,63 % im Januar punkten – und das kostenlose Windows 8.1 konnte gerade einmal 3,95% der Nutzer zum Umstieg animieren. Das ist eine klatschende Ohrfeige für das Microsoft Management.
Und wer hat's versaut, und warum?
Man könnte zwar sagen, Sinofsky hat's versaut. Aber an diesem Desaster waren eine Menge mehr Köpfe beteiligt, Julie Larson Green war ja wohl für das Interface Design zuständig und Tami Reller für das Marketing. Schaut man sich das ursprüngliche Design für Windows 8 an, hat das zwar klare Strukturen. Aber als ich die ersten Entwürfe sah, habe ich nur noch den Kopf geschüttelt und in mein Bücherregal gegriffen. Da stand ein Microsoft Press Titel von Nancy Cluts, den ich so 1996 für Microsoft Press Deutschland übersetzt hatte. Der Titel befasste sich mit dem Interface Design von Windows 95 – klar, übersichtlich und nachvollziehbar. Und in den kommenden Jahren habe ich immer wieder Infos aus den Usability Labors von Microsoft bekommen, was man alles an Verbesserungen durch Beobachten von Anwendern eingeführt habe. Die wussten also, wie es geht!
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Aber dann scheint dem Management in Redmond die Skalierung abhanden gekommen zu sein. Anders ist das Design der Benutzeroberfläche von Windows 8 nicht zu erklären. Den Produktvorteil "Fenster zu haben" gibt man zugunsten von Apps auf. Bei Android frickelt man seit einiger Zeit, um mehr als eine App auf einem Tablet Bildschirm zeigen zu können. Microsoft hätte die Apps in Fenster packen können und gut wär's gewesen. Aber nein, man wollte auch Apps können. Statt sauberer Menü- oder Symbolleisten bei Apps als GUI-Standard einzuführen, hat man nun irgendwelche "App-Bars" – die aber, genau wie die Charms-Leiste oder die Taskleiste so versteckt sind, dass der gemeine Benutzer die nicht sieht. Bei ZDNet.com bin ich vor ein paar Tagen auf diesen Artikel gestoßen, der mein Bauchgefühl seit gut 2 Jahren (in denen ich mit Windows 8 samt Vorversionen arbeite) beschreibt. Dabei hat man extra das Wide-Screen-Format gewählt – es wäre also genug Platz zur kontinuierlichen Charms-Leiste da gewesen. Und dort eine Schaltfläche zum Einblenden der App-Leiste zugefügt, die Apps mit einer Titelleiste und ggf. Standard-Bedienelementen ausgestattet – schon wäre der Keks halbwegs gegessen.
Nun schiebt Microsoft Verschlimmbesserungen nach. Windows 8.1 hat zwar einige Neuerungen gebracht – bei Licht betrachtet sind das aber Verschlimmbesserungen. Beispielsweise die Änderung in manchen Apps, dass dort immer mal wieder eine "Drucken"-Schaltfläche auftaucht – wo diese Funktion doch über die Drucken-Schaltfläche der Charms-Leiste vorgesehen ist. Oder die nervenden Intro-Animationen unter Windows 8.1, die den Leuten erklären, wie sie Charms-Leiste, Start-Schaltfläche und so weiter nutzen sollen. Das kommende Update 1 setzt dem noch einen drauf, indem es bei Mausbedienung Titelleisten für Apps, an die Taskleiste anheftbare Apps mit Minivorschau und Sprunglisten oder eine Herunterfahren-Schaltfläche auf der Startseite einführt. Auf Touchsystemen ist das nicht vorhanden – wer ständig wechselt, wird sein blaues Wunder erleben. Und überhaupt, auf dem Fluren von Microsoft wird gemunkelt, man will sich möglichst schnell von Windows 8 (auch als Namen) verabschieden. Windows 9 soll alles neu machen – Apps in Fenstern, alles noch schöner, bunter, doller, oder was weiß ich was. Selbst Android-Apps kann man sich auf dem System vorstellen. Akt der Verzweifelung – irgendwie.
Harte Zahlen: 200 Millionen Windows 8.x-Lizenzen verkauft
Nach dem obigen Vorgeplänkel jetzt aber Butter bei die Fische. Microsoft-Marketingchefin Tami Reller hatte wohl die Tage einen Auftritt bei den Analüsten von Goldman Sachs. Und da musste die Dame bildlich gesprochen die Hosen runter lassen. Seit dem Marktstart von Windows 8 im Oktober 2012 sind nun gut 15 Monate vergangen. Und Reller nannte wohl die Zahl von 200 Millionen verkaufter Lizenzen für Windows 8.
Nicht ganz schlecht – aber auch nicht wirklich berauschend – und wie viele Lizenzen wirklich genutzt werden, da gibt es auch keine Zahlen. Zum Vergleich: Windows 7, was nach dem Flop von Windows Vista irgendwie einen schwierigen Marktstart hatte bzw. nur zögerlich aufgenommen wurde, verkaufte sich binnen 12 Monaten rund 240 Millionen Mal. Zwar ist der PC-Markt in 2013 um 10 Prozent eingebrochen – aber es gibt nicht wenige Stimmen, die sagen "Windows 8 hat dazu beigetragen". Und man darf auch das zum Schleuderpreis angebotene Windows 8 Pro-Update nicht aus den Augen verlieren. Für 29,95 Euro konnte jeder von Windows XP bis Windows 7 auf Windows 8 umsteigen – hat aber nicht wirklich gezündet.
Da darf man nun gespannt sein, wie der Firmenumbau, der neue Chef bei Microsoft und das Stühlerücken bei manchen Entwicklungschefs die Zukunft von Windows befeuert. Ich denke, Microsoft hat mit Windows weiterhin ein gutes Pferd im Stall – wenn man sich wieder darauf besinnt, was Kunden brauchen und nicht das in den Vordergrund stellt, was Marketing-Strategen oder Controller als "beste Lösung für den Hersteller halten". Kommt auch im Artikel Only Microsoft can save the PC heraus. Und das der Tablet-Hype wieder vorbei ist, hatte ich hier thematisiert – da wird man nicht mehr groß punkten können (auch wenn Manager Tablet PCs lieben – aber die sollen ihr Spielzeug behalten, immer noch besser, als wenn sie vor Langeweile auf dumme Gedanken kommen und anderweitig richtig Geld verbrennen). Oder was meint ihr?
Links:
1: In Windows, Veritas (gelöscht) Kommentar von Paul Thurrott
2: Microsoft Has Sold Over 200 Million Windows 8 Licenses (gelöscht) (Thurrott)
3: Microsoft: More than 200 million Windows 8 licenses sold (ZDNet)
4: Bericht bei heise.de
5: The disconnect with Windows 8.1: Hiding the utility (ZDNet)
6: Only Microsoft can save the PC (ZDNet)
7: Manager lieben Tablets Frost & Sullivan-Studie
8: Winfuture-Artikel zu Windows 8-Verkäufen
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