Scheitert Microsofts neuer Entwicklungs-Workflow?

Microsoft hat ja, zumindest für mich gefühlt, in letzter Zeit kein richtiges Glück mit seinen Software-Produkten. Die Frage, die wohl so manchen umtreibt: Was ist da in Redmond los und hat das Ganze was mit der Art, wie neuerdings bei Microsoft entwickelt wird, zu tun?


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Vorab: Ich tue mich mit einer abschließenden Analyse schwer, da ich nicht über genügend interne Details verfüge und meine Industrieaktivitäten über 22 Jahre her sind. Damals war ich für eine Gruppe Entwickler zuständig – aber das ist lange her, und die Welt hat sich weiter gedreht. Zudem kann es sein, dass bestimmte Management-Entscheidungen bei Microsoft im Sinne des Unternehmens richtig waren bzw. sind (mir fehlt da die Erfahrung, denn bevor ich in der Führungsebene auf die höchste Stufe der Inkompetenz aufsteigen konnte, habe ich den Abflug gemacht, um als Autor frei agieren zu können – waren seid dieser Zeit 22 geile Jahre für mich).

Die Bugs bringen uns um …

Andererseits: Windows 10 und Office 2016 wimmeln von Bugs und die Microsoft Dienste machen durch Ausfälle und Fehlfunktionen von sich reden. In einer geschlossenen Facebook-Gruppe machen sich MVP-Kollegen über fette Word-Probleme Luft – und wer die MS Answers-Gruppen durchforstet, dem stehen die Berge zu Haare oder so. Und kein Patchday kommt irgendwie (zumindest hier gefühlt) ohne Kollateralschäden auf diversen Systemen aus. Auch wenn das immer gesund gebetet wird (zu viele mögliche Kombinationen, da kann man nicht alles testen), bleibt der Eindruck: "Da läuft was gravierend schief". Vor 2014 habe ich Updates zwar manuell zur Installation frei gegeben, aber höchst selten wirklich vorher recherchiert, was drin steckt. Das hat sich seit Sommer 2014 deutlich geändert.

Im Artikel Warnung vor "Botnetz" Windows 10 … ist von "handwerklichen Katastrophen" bei diversen Microsoft-Ansätzen die Rede. MVP-Kollege Martin Geuß hat zum Jahreswechsel den Beitrag Microsoft im Jahr 2015: Das unvollendete Kunstwerk veröffentlicht und schreibt "Ganz neutral kann man festhalten, dass sich Microsoft zu viel auf einmal vorgenommen hat.". Nett gesagt, aber es stellt sich die Frage, ob das Problem nicht noch tiefer liegt.

Das geänderte Entwicklungsmodell und Management-Changes

Seit dem Wechsel von Steve Ballmer zu Sayta Nadelle im Microsoft-Vorstand, wurde das Unternehmen radikal umgebaut. "Mobile first, Cloud first" ist das neue Credo – und bei Software gilt das neue "rapid delivery" Modell – alle paar Monate eine neue Version rausschieben. Und es gab in 2014 mehrere große Entlassungswellen – wie man in folgenden Blog-Beiträgen nachlesen kann.


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Microsoft-Entlassungen und Zukunft von Windows Phones
Microsoft: Zwei neue Aufsichtsräte und Entlassungen
Runde 2 der Microsoft-Entlassungwelle ab 18.9.?

Das kann bös ins Auge gehen, und in diesem Kommentar hatte ich darauf hingewiesen, dass da Know How abgeflossen ist. Zwischenzeitlich habe ich den Artikel gefunden – in diesem Blog-Post steckt die Information:

Und damals hatten bereits einige Mitarbeiter die Kündigung erhalten – u.a. in den Microsoft-Testabteilungen. Wenn meine Infos stimmen, waren 1.351 Mitarbeiter aus Redmond betroffen. Drängt mir die bohrende Frage ins Hirn, ob die Patch-Day-Desaster im August und September auf die Entlassungen zurückzuführen sind (Antwort habe ich noch keine gefunden).

Bei Martin Geuß liest sich das etwas harmloser: Im Abschnitt "Windows 10 Mobile: Was treibt Ihr denn da?" schreibt er:

Ob es so große Probleme gab oder ob nicht genügend Ressourcen zur Verfügung standen, vermag ich von Außen nicht zu beurteilen. Ich hörte, dass man gerade bei Ex-Nokia viele Leute nach Hause geschickt hat, deren KnowHow schmerzlich vermisst wurde und die sogar noch vor ihrem Rausschmiss auf mögliche Stolpersteine hingewiesen hatten. Das kann ich nicht verifizieren, aber es passt irgendwie zu gut ins Bild.

Sind alles irgendwie Fingerzeige, dass es "nicht rund läuft" bei Microsoft. Die Aussage, dass Microsoft aber "irgendwie cool" wahrgenommen wird, mag man nur kurzzeitig haben. Ich finde eher, die negativen Assoziationen gewinnen (zumindest hier) die Oberhand. Der reddit.com-Eintrag My frustration with Windows 10 is reaching a boiling point bringt es auf den Nenner. Und der Petri.com-Beitrag Microsoft in 2015: Two Steps Forward, One Step Back von Paul Thurrott benennt etwas, was viele Beobachter empfinden.

Geänderter Microsoft-Entwicklungsansatz: geplant in die Katastrophe?

Aber es gibt einen zweiten Artikel Microsoft's Modernized Development Workflow Begins To Show Cracks bei Petri.com, geschrieben von Brad Sams, ehemals der Chefeditor von neowin.net. Der Beitrag wurde unter den MVPs in einer geschlossenen Facebook-Gruppe herumgereicht und ist mir dort unter die Augen gekommen. Beim Lesen hatte ich mein deja vue-Erlebnis, griff der Beitrag doch viele Gedanken auf, die irgendwie bei mir im Hinterkopf steckten. Hier die Thesen:

  • Satya Nadella hat einige Schlüsselentscheidungen für Microsoft getroffen und durchgesetzt, wie 'mobile first, cloud first', Entlassung tausender Mitarbeiter und Konsolidierung der Geschäftsbereiche.
  • Gravierende Änderung im Entwicklungsprozess: Software soll kontinuierlich und schneller aktualisiert werden.
  • Die Entlassungen haben signifikante Löcher in den Bereich der Tester mit Erfahrungen gerissen.
  • Die Tests werden von den Personen mit "Nähe zu den Entwicklern" (oder diesen selbst) durchgeführt (Stichwort ist der "Internal Ring", in dem getestet wird).
  • Der Personenkreis der "altgedienten Entwickler" wurde quasi "über Nacht" davon tangiert und hat jetzt, Insidern zufolge, böse Probleme, das Verhältnis von aufgewendeter Zeit für Entwicklung und Test richtig auszubalancieren.

Jetzt werden, laut Petri.com (und meinem Eindruck), die Schwächen dieses Ansatzes so richtig sichtbar. Crashende Update, fette Bugs in Windows, Office, oder den Diensten – und kein Plan erkennbar. Wie Eingangs geschrieben – mir fehlt die Erfahrung, um das alles aus Managementsicht abschließend zu beurteilen (möglicherweise ist das alles am Ende des Tages sogar die richtige Entscheidung für Microsoft gewesen – werden wir sehen). Aber im Sinne eines Schlappekickers, der von seiner Couch jedes Fußballspiel kommentiert und dem Nationaltrainer sagen kann, welchen Bockmist er gerade mit der Mannschaftsaufstellung gemacht hat, fühlt sich die Argumentationskette im Petri.com-Artikel richtig und schlüssig an. Aber: Ich habe keinen Schimmer von Fußball und werde mich hüten, da irgend etwas zu kommentieren. Und wie seht ihr das Ganze? Vielleicht habt ihr ja eigene Meinungen, Erfahrungen oder sogar Insights?

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7 Antworten zu Scheitert Microsofts neuer Entwicklungs-Workflow?

  1. Marc sagt:

    gewisse Dinge überholen sich einfach und so auch die Entwicklung von Produkten.
    Daher stellt sich die Geschäftsleitung irgendwann mal die Frage, was kann man ändern?
    Der Umstellungsprozess bringt logischerweise an allen Stellen "Sand ins Getriebe", nur wenn dem nicht so wäre, dann wäre es doch keine Änderungen von Prozessen.
    In Jahren werden die User verwundert zurück schauen und sich fragen, wie konnte man nur dran zweifeln.
    Hoffen wir nur, dass MS schnell den Sand heraus bekommt und die Updates/Produktneuheiten, ruhig und immer Sinne des Users kommen.

    • ThoBo sagt:

      "Daher stellt sich die Geschäftsleitung irgendwann mal die Frage, was kann man ändern?"

      Ja,genau!
      Oft fangen dann die Probleme erst richtig an, weil man unbedingt 'was ändern WILL. Auch wenn's vllt. gar nicht so sinnvoll ist.

    • Umdenker sagt:

      Ja, es gibt auch zwei Begriffe dafür und die scheinen aktuell bei sehr vielen Unternehmen das Credo zu sein: Aktionismus und Verschlimmbesserung. Hauptsache was ändern, obs sinnvoll, effizient, besser, usw. ist interessiert doch niemand. Hauptsache man kann sich als neuer Manager schön profilieren. Viele Entlassungen freut auch die Aktionäre, weil es kurzfristig die Bilanzen so toll schönt. Ob dann aber bestimmte Abteilungen/Sparten noch kompetent und quantitativ richtig aufgestellt sind interessiert scheinbar niemand. Langsam glaube ich wirklich, dass je höher die Position, desto mehr Inkompetenz (und zwar exponentiell).

  2. Fred sagt:

    Erinnert irgenwie an Corel, wo "Studenten" programmieren, statt Profis. (Das kann ich zwar nicht beweisen, behaupte es aber – nach 25 Jahren Erfahrung mit deren Erzeugnissen!)

  3. Thomas Bauer sagt:

    Das Auflösen des Testgeräte Fuhrparks bei MS und die Entlassung der dortigen Mitarbeiter hat von Anfang an einen bitteren Beigeschmack bei mir hinterlassen. Man muss nicht studiert haben um zu wissen das die Auflösung einer Qualitätssicherung Konsequenzen aufs Produkt hat. Da muss man auch nicht Raten oder Rätzeln, das ist einfach so. Scheinbar rechnet es sich aber auf den Papier. Der Fuhrpark war übrigens richtig groß. Mit vielen Mainstream Produkten, wo Updates ausgiebig getestet wurden. Aber das sollen ja jetzt die hochqualifizierten Insider erledigen. Kostenlos natürlich.

  4. Sherlock sagt:

    Seit Win 10 dank russischer Hilfe nun brauchbar geworden ist, setze ich es produktiv ein und arbeite problemlos damit, wie mit den Vorversionen auch. Automatische Updates sind deaktiviert, Updates manuell am monatlichen Patchday nach individueller Auswahl, unerwünschte Updates werden ausgeblendet, der gesamte Metro-Nonsens ist deinstalliert bzw. wird ignoriert. Natürlich sind keine Microsoft-Konten eingerichtet, keine Wolken, übrig bleibt ein gut laufendes Desktop-Win 10. Ob das so bleibt, wird sich im Zuge der weitergehenden "Metrofizierung" zeigen, wenn die geplante Abschaffung der Systemsteuerung tatsächlich umgesetzt werden wird….

  5. Roland sagt:

    Das was bei Microsoft passiert kommt mir irgendwie aus einer anderen großen amerikanischen Firma bekannt vor.
    Auch hier wechselte der Vorstand von einen Mann zu einer Frau, und auf einmal musste alles schneller, agiler werden. Auch hier "Cloud first, Mobile first, Agility, jeden Monat etwas Neues.
    Und auch hier wird alles was das Unternehmen mal ausmachte, das ganze KnowHow, die Entwicklung und so weiter in Billigländer ausgelagert, auch hier mit dem gleichen Ergebnis.
    Ich will hier nicht unterstellen das es an den Frauen liegt, die Männer in diesen Positionen sind da manchmal zu konservativ, aber ich denke das solche Veränderungen doch in kleineren Schritten sinnvoller sind.
    Große Firmen sind wie ein Berg und der muss in kleinen Schritten umgesetzt werden.
    Schnell geht da nur in der oberen Management Etage, die immer alles "grün" sehen.

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