Gerade gelesen, dass C. Gordon Bell, ein US-Computeringenieur, am 17. Mai 2024 im Alter von 89 Jahren verstorben ist. Wird vielen Lesern nichts sagen, mir auch nicht. Erst die Information, dass Bell in den 1960er Jahren bei DEC (Digital Equipment Corporation) arbeitete und dort für die Entwicklung der PDP– und in den 1970er Jahren der VAX-Computer leitete, ließ was klingeln. Kleiner Ausflug in die Vergangenheit (ins vorige Jahrtausend) gefällig?
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Der Entwickler der PDP und VAX
Bei mir ist DEC zwar mit dem 2011 verstorbenen Ken Olsen als Gründer verankert – aber Bell war wohl der (Mit-) Entwickler der Rechner. Die PDP-1 der 60er Jahre war der Einstieg. Später kam die PDP-8 dazu, die ich noch kennen lernen durfte. Legendär waren die PDP-11-Modelle, mit denen DEC in den späten 70er und frühen 80er Jahren Erfolg hatte. Dann kamen die VAX-Rechner, die als Arbeitspferde abseits der damaligen Mainframe-Rechner von IBM etc. galten. Das Ende kam, als DEC am 26. Januar 1998 an den Hersteller Compaq verkauft wurde – was ich aber nicht mehr so wirklich mitbekam, weil ich zu dieser Zeit bereits als IT-Autor auf MS-DOS und Windows unterwegs war und mit DEC nichts mehr am Hut hatte.
Von der PDP "wachgeküsst"
Und damit bin ich mitten in meinen beruflichen Anfangsjahren. 1979, ein junger Ingenieurstudent will seine Diplomarbeit antreten. Es geht um eine optische Messeinrichtung für Schwefelverbindungen in der Atmosphäre, wo Licht einer starken Lampe über Spiegel Kilometer-weit durch das Gelände geleitet wurde und dann im Labor mittels einer Fotodiodenzeile erfasst wurde. Während solche Sensoren heute in jeder Kamera zu finden sind, gab es seinerzeit genau sechs dieser Fotodiodenzeilen der Firma Reticon mit jeweils 256 Fotodioden.
War ein bisschen Elektronik, ein bisschen Mechanik (der Empfänger wurde auf -80 Grad Celsius heruntergekühlt) – und zur Auswertung stand da eine PDP-11/04 zur Verfügung. Und der junge Ingenieurstudent musste mit staunenden Augen feststellen, dass Computer anfassbar und tragbar waren, und nicht mit Lochkarten gefüttert, sondern mit 8 Zoll-Floppy-Laufwerken für Betriebssystem und Datenerfassung ausgestattet waren. Eine zweite, ältere PDP, musste dagegen noch mit Lochstreifen "gefüttert werden", um zu funktionieren. Und so hieß es, die diversen Befehle wie Pip, Dir etc. des RT-11-Betriebssystems lernen, um die Maschine bedienen zu können.
Das war wohl der Punkt, wo ich falsch abgebogen und auf die schräge Bahn geriet. Was hätte für ein anständiger Ingenieur aus mir werden können: Geniale Entwürfe im Maschinenbau, irgendwas mit Physik (Laserphysik vielleicht), oder in der Medizintechnik neueste Geräte bauen – alles stand mir offen. Aber ich wollte was mit DEC-Computern machen.
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Im späteren beruflichen Leben kamen dann weitere Dec Rechner hinzu. Da war eine PDP 11/04, auf der ich in Intran (einem Prozess-Fortran-Derivat der Firma Instron) Software für Bauteilebelastungstests im Flugzeugbau anpassen musste. Beim späteren Arbeitgeber in der Großchemie habe ich dann Systeme mit einer DEC PDP 11 (könnte eine 83 gewesen sein) für Automatisierungsaufgaben eingesetzt und VAX-Computer für die Überwachung und Betriebsleittechnik. Die Software, die ich in Fortran entwickeln ließ, und die auf VAX-Systemen lief, führte mich sogar bis nach Japan und Thailand.
Aber ab so 1984 war das Thema DEC dann für mich als Entwickler bereits auf dem absteigenden Ast. Seit 1981 habe ich Intel 8085-Mikroprozessoren für Prozessteuerungen eingesetzt und entsprechende Software geschrieben. Und so 1984 müssen dann die ersten IBM-PCs mit IBM-DOS und MS-DOS aufgekommen sein. Die PDP-11- und VAX-Systeme habe ich dann noch mit meinen Mitarbeitern in Projekten eingesetzt, aber nicht mehr selbst programmiert. Die PCs läuteten dann auch das Ende der PDP 11-Rechner ein und auch für die VAX-Systeme gab es irgendwann keinen Bedarf mehr. Aber wie oben erwähnt, diesen Niedergang habe ich nicht mehr wirklich miterlebt, weil ich seit 1993 als IT-Autor in der DOS-/Windows-Welt der Personal Computer unterwegs war.
Und so schließt sich der Kreis: Mit der Nachricht, dass C. Gordon Bell die Tage verstorben ist, wurde ich in der Erinnerung in die absoluten Anfänge meiner beruflichen Laufbahn zurück gebeamt. War eine geniale Zeit – und Insider wissen, das sich Bill Gates noch als Schüler an einem PDP-Rechner seiner Schule die ersten Meriten als Software-Entwickler erworben hat. Aber das war alles im "vorherigen" Leben – und nun ist diese Generation "Rentner" – wir werden höchstens nochmals reaktiviert, wenn uralter COBOL-Programmcode umgeschrieben, oder die Bordsoftware der am Rand unseres Sonnensystems fliegenden Voyager-Raumsonden modifiziert werden muss.
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Von der PDF "wachgeküsst"? Schmunzel… PDP wie du später selbst schreibst…
Und ein paar Worte zum "Niedergang" in den 80ern:
Es war der VAX-Programmierer Cutler mit seinem Team, der mit seinem Fortgang von DEC zu MS das weitere Schicksal von DEC, MS und der ganzen Branche bestimmt hat. Er gab MS mit Windows NT ein System in einer Zeit, wo MS mehr Umsatz mit Unix Lizenzen (z.B. Sinix) machte als mit MS-DOS. Das erklärt auch die Unix und DEC Subsysteme in NT4. Denn DOS war ein Lückenfüller bis die PCs leistungsstark genug für Unix oder OS/2 wären. Aber beides waren unliebsame Varianten: Bei Unix hätte MS selbst weiterhin Lizenzen zahlen müssen, bei OS/2 hätte man mit IBM jemanden anderen mit im Boot. Alles wurde daher auf NT gesetzt und mit Windows 2K final das Ziel auch erreicht. DOS war spätestens ab diesem Zeitpunkt Geschichte.
Habe letztes Jahr ebenfalls einen historischen Abriss gegeben:
https://blog.jakobs.systems/blog/20230628-linux-cli/
War mit dem PDF ein Freud'scher Fehler – mit dem Adobe Zeugs (PostScript und später PDF) habe ich mich in den Anfangstagen als IT-Autor etwas auseinander gesetzt. Wollte das PDF-Format im Fileformate-Handbuch aufgreifen – aber nach dem Studium der Adobe-Dokumentation kam ich zum Schluss, dass das alles sprengt, was an Platz im Buch – war damals schon über 1.000 Seiten – möglich war.
Danke für den Korrekturhinweis.
Der kernel von Windows erinnert heute noch sehr stark an VMS. Leider wurde das Drumherum mit Klicki-Schicki- total verhunzt, so daß sich Windows nicht in dem Maße zur Prozeßsteuerung eignet wie VMS. Aber die Zielgruppe war auch eine andere. Ich liebte die VAXen und VMS. Das unselige Ende von DEC kam dann mit Compaq. Schließlich ist auch HP an derselben Ursache ins Bedeutungslose verschwunden.
Angeblich leitet sich der Name "Windows NT" ja auch von "VMS" ab, sozusagen umgekehrt wie "HAL" (der aus "2001") von "IBM": "VMS" jeden Buchstaben eins hochgezählt ergibt "WNT".
Keine Ahnung, ob das eine Urban Legend ist oder tatsächlich ein Zusammenhang besteht.
>>> Klicki-Schicki- total verhunzt, so daß sich Windows nicht in dem Maße zur Prozeßsteuerung eignet wie VMS.
Halte ich in dieser Pauschalität für blanken Populismus. GUI und Prozesssteuerung inkl. Echtzeitbetriebssysteme schliessen sich nicht aus, wie u. a. (1) am Bsp. von QNX belegt. Betr. aktueller Microsoft Plattform in der industriellen Prozesssteuerung s. (2).
(1) docs.nxp.com/bundle/GUIGUIDERUG/page/topics/qnx.html
(2) powerautomate.microsoft.com/en-au/what-is-rpa/
>>> Der kernel von Windows erinnert heute noch sehr stark an VMS.
Ja. Hierzu gibt es einen technisch vorzüglichen Artikel von Mark Russinovich himself (Sysinternals) aus 1998 (!) (1).
(1) itprotoday.com/compute-engines/windows-nt-and-vms-rest-story
Ich hatte in den 1980ern auch am Rande mit VAX Rechnern zu tun, aber primär habe ich auf Siemens MX 2 und später MX 300 programmiert, damals in COBOL.
Es gab gefühlt mal ein kleines Revival als VOBIS die Highscreen AlphaDECs mit NT4 vertrieben hatte. Windows lief da plötzlich rasend schnell, als ob jemand die Handbremse losgelassen hätte… irgendwann Anfang/Mitte der 90er… leider unerreichbar teuer für mich als Schüler/Student damals.
Ich habe mich Windows aus Prinzip verweigert, so lange, wie es halt ging. Geoworks Ensemble war Anfang der 90er meine bevorzugte Umgebung… aber irgendwann war der Drops halt gelutscht… NT4 und dann Windows 2YK…