Gestern wurde ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu vorinstallierter Software verkündet. Hier noch einige Informationen zum speziellen Fall.
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Vorinstallierte Software auf gekauften Geräten ist für die Industrie gut, können die OEMs doch den einen oder anderen Euro von den Firmen kassieren, die ihre Software als "Probeversionen" auf das System bringen. Und auch Microsoft profitiert davon, denn neben der Testversion von Office 365 wird auch die Testversion von Windows 10 auf den Geräte vorinstalliert. Dass da weitere Bloatware wie Fremdvirenscanner als 30 oder 90-Tage-Version das System versemmeln, ist selbstredend. Da Microsoft aber die ISO-Installationsabbilder für Windows 10 bereitstellt, können Nutzer das System recht schnell als Clean-Install neu aufsetzen. Soweit die eine Seite.
Worum ging es im Prozess?
2008 kaufte ein Franzose einen Notebook von Sony, auf dem neben Windows Vista auch weitere Software vorinstalliert war. Der Nutzer lehnte die Anerkennung der EULA ab und verlangte von Sony die Erstattung des "Kaufpreises" für die vorinstallierte Software. Neben der "Erstattung" in Höhe von 450 Euro für die Software stellte der Kunde eine Schadensersatzforderung, wegen unlauterer Geschäftspraktiken, in Höhe von 2 500 Euro. Sony lehnte ab und bot die Rücknahme des Geräts gegen Erstattung des Kaufpreises von 549 Euro gegen Rückgabe des Geräts an.
Genau dieser Fall wurde von dem französischen Gericht dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Der französische Kassationsgerichtshof, bei dem diese Klage anhängig ist, wollte vom Gerichtshof zum einen wissen, ob eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, eine unlautere Geschäftspraxis darstellt. Zum anderen wurde die Frage gestellt, ob im Rahmen eines Kopplungsangebots in Form des Verkaufs eines Computers mit vorinstallierter Software das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen Programme eine irreführende Geschäftspraxis darstellt.
Gemäß der Pressemitteilung des EuGH beantwortet der Gerichtshof die erste Frage in seinem Urteil dahin, dass der Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software an sich keine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29 darstellt, wenn ein solches Angebot nicht den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher nicht beeinflusst. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Rechtssache zu beurteilen.
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Das Gericht argumentiert, dass Sony mit der vorinstallierten Software die Erwartungen der Verbraucher erfüllt und vor dem Verkauf über die einzelnen Anwendungen gebührend informiert habe. Zur zweiten Frage, ob eine Preisangabe bei vorinstallierter Software erforderlich ist, weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Geschäftspraxis als irreführend gilt, wenn sie wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihn somit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte.
m Rahmen eines Kopplungsangebots, das im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, hält der Gerichtshof das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen Programme weder für geeignet, den Verbraucher daran zu hindern, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, noch für geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Da der Preis der einzelnen Programme somit keine wesentliche Information darstellt, kann das Fehlen einer Preisangabe keine irreführende Geschäftspraxis sein.
Mit anderen Worten: OEMs dürfen weiterhin vorinstallierte "Bloatware" auf ihren Systemen ausliefern, da das Gericht den Verbraucher als mündigen Bürger sieht, der seine Kaufentscheidung nicht von der vorinstallieren Crapware abhängig macht. Und in der Tat gibt es ja Angebote, die ohne Windows oder mit Linux bzw. DOS als Betriebssystem angeboten werden.
Abschließendes …
Interessant wäre ja mal die Frage vom EuGH beantwortet zu bekommen, wie die Vorinstallation von Fremdvirenscannern, die das System ruiniert, aus Verbrauchersicht zu beurteilen ist. Und es gäbe noch die offene Frage, ob die Vorinstallation von Windows 10 im Rahmen des "as a service" nicht doch irgendwann in Richtung "unlauterer Wettbewerb" abdriftet. Denn mir liegt der Satz "den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher nicht beeinflusst" im Ohr. Genau dies sehe ich durch Windows 10 – zumindest im geschäftlichen Umfeld – gefährdet. Es wird imho noch spannend, ob da irgend eine Verbraucherschutzorganisation diese Frage gerichtlich klären lässt.
Bleibt abschließend die Frage, wie ihr das Geschäftsgebahren der OEMs so seht. Wird die vorinstallierte Software als "Bereicherung" oder als unangenehm "ein Furunkel am Hintern" empfunden?
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Da hat die Lobby ja mal wieder zugeschlagen, zumindest im privaten Bereich ("die Kunden wünschen das" kam Gestern in den Nachriten). Wie sieht es denn bei Firmen aus, die kaufen doch auch (teilweise) Geräte mit vorinstalliertem BS, die wollen diesen ganzen Mist doch auch nicht haben, da tuen einem immer die Betreuer leid, die das dann alles neu machen (richten) müssen.
Bei einem neu gekauftem Gerät werden nach dem ersten ausgiebigen Funktionstest gnadenlos alle Partition gelöscht um dann ein vernünftiges OS zu installieren. Was da vorinstalliert bereits drauf ist schwankt von einem zum anderen Anbieter sehr. Gemeinsam ist allen, dass diese Angebote komplett überflüssig und ärgerlich sind. Ist es doch notwendig zunächst einiges an Arbeit und Zeit zu opfern um ein vernünftig funktionierendes Produkt zu haben.
Aktuell habe ich mehrmals erlebt, dass Hilfe Suchende mit ihrem neuen Notebook kamen weil sie ihre Wintows7 Lizenz darauf weiterhin nutzen wollten. Die Installation scheitert dann regelmäßig weil es für die aktuelle Hardware keine Treiber für Windows7 gibt. Besonders bei aktuellen Intel-Chips ist das sehr oft der Fall, die Books werden mit Windows10 beworben und damit keiner auf die Idee kommt dort etwas anderes aus Redmond aufzusetzen sind passende Treiber nicht zu finden.
Ich selbst hatte das mal mit einem Toshiba Book und Windows 8. Treiber, die unter 7 liefen, gab es erst Jahre später und auch das nicht offiziell. In der Readme steht tatsächlich drin, dass Windows7 nicht unterstützt wird.
Mir zwängt sich da die Frage auf, ob es eventuell Konzernübergreifende Vereinbarungen zum Nachteil der Nutzer gibt? :-/
Es ist jedoch immer möglich gewesen diese Geräte mit Linux zu betreiben, aber das wollen viele nicht. Was bleibt ist die Rückgabe des Gerätes und in einem Fall wurde mir berichtet, dass der Händler sich zunächst weigerte weil ja deutlich gekennzeichnet sei welches OS man benutzen soll…
Ob das unangenehm oder ein Furunkel ist? Ja in jedem Fall beides!
Schlimmer noch, der Kunde wird einfach nur abgezockt oder vornehmer ausgedrückt es wird Gewinnmaximierung betrieben und das absolut rücksichtslos.
Moin, nunja^^
"Besonders bei aktuellen Intel-Chips ist das sehr oft der Fall,"
Da übersiehst du schlicht, Chipsatz & Unterstützung kommt vom jeweiligen Hersteller und eben nicht OEM.
Also die Lobby Intel, MS, AMD (total beschisssene Unterstützung)
Dann darfst du zwischen Consumer und Business unterscheiden; wer als Consumer ein aktuelles Notebook oder Desktop kauft ohne OS der soll zusehen wie er das dort drauf bekommt, er hat es ja so gewollt. (KB / Maus nicht responsible mit Win7 auf Skylake, lache ich jedesmal drüber, Win7 natürlich ohne SP1 integriert)
Business?
haben zwar OEM-Seitig (fast) alles was notwendig ist um die Unternehmenslizenz zu installieren / auszurollen, Sysprepen, aber denen fehlt es zu oft an Wissen, was ist essentiell an Treibern und was nicht; jeden Tag das gleiche Lied.
Alles nicht mehr so einfach, CD rein und das wars? :D
Da habe ich nichts übersehen, aber vielleicht nicht klar genug ausgedrückt: Das persönliche Beispiel mit dem Toshiba Book. Genau da schreibe ich von den Treibern die Intel als Hardwarehersteller auf seiner Webseite anbietet. Das sind keine OEM-Treiber. In der Readme des Intel-Treibers ist zu lesen, dass Windows 7 nicht unterstützt wird. Bei den anderen von mir genannten Fällen verhält es sich ebenso. Bei den OEM's ist es schlicht so, dass die gern auf die Treiber der Hardwarehersteller zurückgreifen, eventuell noch ein Branding drauf und vielleicht Kleinigkeiten anpassen. Mehr gibts von den OEM's nicht, das klassische "Nimms wie es ist oder lass es."
Tja der Endkunde ist leider noch nicht so weit um zu begreifen das dass Betriebssystem nur eine Software ist die Installiert wird der Trend geht zwar eher dahin das die Hardware vorschreibt was auf dem Gerät installiert werden darf.
Wer aber noch mit Windows NT und Treiber einbinden gekämpft hat, wird mittel und Wege finden sein Betriebssystem sich aussuchen zu können.
"Bloatware" ist neben Ransomware wohl eine der schlimmsten Seuchen im Computerzeitalter.
Vorinstallierte Antivirus-Software oder Office-Produkte, die nach Ablauf einer Frist zusätzliche Kosten verursachen, sind Wegelagerei. Das hätte der EuGH gerne verbieten dürfen. Die Argumentation hingegen, dass vorinstallierte Betriebssysteme in der Breite der Erwartung der Kunden entsprechen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Eine andere Frage ist die Qualität und Konfiguration der vorinstallierten Systeme. Hier gibt es viel berichtigte Kritik. Aber erstens haben die Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Herstellern und Betriebssystemen, und zweitens wird niemand gezwungen, einen Standard-PC „von der Stange" zu kaufen. Wer es individuell mag, kann sich im Fachhandel vor Ort seinen Wunsch-PC zusammenbauen lassen und ggf. die Windows-Lizenz gesondert erwerben. Ich vermute aber, dass so ein Wunsch-PC tendenziell immer teurer sein wird als ein Standard-PC aus der Massenproduktion, weshalb am Ende doch wieder viele zum günstigeren Standard-Produkt greifen werden. Ein Teufelskreis … ;-)
Meiner Meinung nach gehört eine Regelung her, die Folgendes für die vorinstallierte Software verbindlich vorschreibt:
• Dokumentation der Deinstallation unerwünschter Software,
• Bereitstellung (oder zumindest Verlinkung) der dafür erforderlichen Cleaner-Tools.
NB: Ich meine damit nicht CCleaner & Co, die jeder nutzen kann wie er mag, sondern die Hersteller-Tools zur vollständigen Entfernung der jeweiligen Programme. (Das Problem mit den Installationsresten von Virenscannern wurde hier im Blog ja schon ausführlich besprochen. – Und übrigens löscht bspw. der Avira Registry Cleaner mitnichten alle Avira-Reste aus der Registry.)
Sehr gute Idee.
Das sollte man versuchen juristisch durchzusetzen.
Grüße