Microsoft-Vorhersagen: Keyboard bald ausgestorben – Bots im kommen

Momentan findet die Ignite 2016-Technologie-Konferenz von Microsoft in Atlanta statt. Und im Umfeld lassen Microsofts "Technik-Experten" (Evangelists) die eine oder andere Prognose verlautbaren. Hier ein kurzer Überblick, was euch irgendwann blüht.


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Die Tastatur wird sterben …

Microsoft-Mitarbeiter, Dave Coplin, Vordenker in Zukunftstechnologien, hat dem britischen Evening Standard ein Interview gegeben. Dort wagt er die Vorhersage, dass Querty-Tastaturen (langsam) aussterben.

Heute setze man bereits auf Gesichts- und Spracherkennung sowie Gestensteuerung. Coplin empfindet es ein Relikt, dass Nutzer noch auf Tastatureingaben angewiesen seien.

We have these amazing computers that we essentially use like we're still Victorians. The Qwerty keyboard is a great example of an old design being brought forward to modern day. We've not really evolved. We still use this sub-optimal design.

We're looking at technologies now like voice and gesture recognition, and facial tracking that may make the keyboard redundant. We think that computers in the not-too-distant future will be able to understand all of those things and infer on my behalf my intent, meaning and objective that I'm trying to do.

Man muss dazu wissen, dass Coplin an Cortana mitarbeitet und auch sonst recht wenig praktische Arbeiten am PC auszuführen scheint. Wer einmal eine Excel-Tabelle ausgefüllt hat, wird die Tastatur zu schätzen wissen und nicht auf diese verzichten wollen. Und wer sich einmal mit Spracheingabe zum Erstellen eines formatierten Textes beschäftigt hat, der weiß, dass mit Gestensteuerung oder Sprechererkennung nicht viel zu reißen ist. Der Benutzer muss eine gänzlich neue Bedienphilosophie und geänderte Arbeitsabläufe lernen.

Unter diesem Aspekt finde ich die Verlautbarungen von Microsoft aber recht aufschlussreich. Unter dem Motto "Träum weiter Microsoft" können wir zusehen, wie die Microsoft-Leute sich auf solche Spielereien kaprizieren, aber die Bedürfnisse der Nutzer, die auf die Tastatur angewiesen sind, vernachlässigen. Bei Windows 10 dauerte es eine irre lange Zeit, bis Sprachunterstützung für Schweizer-Deutsch implementiert wurde (keine Ahnung, ob das jetzt geht). Aber ein Tastaturschema Schweizer-Deutsch ist halt nicht so sexy wie die Interpretation von Wackelgesten oder Spracheingabe – wobei die mit Schwyzer-Dütsch wohl in Cortana auch ihre Probleme haben. Dass ich in Firmen nicht mit Cortana verheiratet werden will und die Sekretärin im Büro nicht per Spracheingabe die "Gehaltslisten der Mitarbeiter" oder den Vertragsentwurf für eine geheime Übernahme für jeden hör- und erlebbar diktiert, scheint noch nicht bis zu Microsoft durchgedrungen zu sein. Oder wie seht ihr das?


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Bots sind die neuen Apps

Die zweite Innovation, die bei Microsoft geträumt wird, sind "Bots", also die intelligenten Assistenten, die uns die Kommunikation mit dem Rechner abnehmen. Auf der Microsoft-Konferenz Explained in Berlin hat Peter Jaeger von Microsoft wohl die Botschaft "Bots sind die neuen Apps" ausgegeben. In naher Zukunft werde kein Nutzer mehr eine Unzahl Apps auf seinen Geräten haben. Stattdessen werden Bots die Kommunikation zwischen Benutzer und verschiedenen Diensten übernehmen. Angeführt wurden Skype-Translator und Hololens-Skype.

Dass da die Nutzer durchaus Vorbehalte hegen und erst einmal ein professionelles Smartphone oder ein funktionierendes Windows erwarten, ficht den Microsoft Experten nicht an. Bei heise.de hat wohl jemand die Konferenz besucht und diesen Artikel drüber geschrieben. Besonders süffisant fand ich dann die Passage, in der es um die "digitale Vertrauensfrage" mit Datenschutzprinzipien geht. Microsofts Chief Privacy Officer Brendon Lynch versichert: "Wir respektieren nationale Datenschutzgesetze, erkennen die Privatheit als universelles Grundrecht an. … Wir werden E-Mails, Chats, Dateien oder andere persönliche Inhalte nicht für zielgerichtete Werbung nutzen."

Es ist zwar legitim, mal "Zukunft zu träumen". Aber Microsoft wird auch an dem gemessen, was man aktuell so als Benutzer erlebt. Und da habe ich durchaus meine Zweifel, ob die US-Entwickler die Notwendigkeiten, die in lokalen Märkten herrschen, auch nur ansatzweise verstehen. Aber wahrscheinlich sehe ich das wieder einmal zu verkniffen. Ich gestehe zu, dass sich in der Technologie einiges getan hat und man für bestimmte Szenarien brauchbare Ansätze findet. Aber der Ansatz "ich kippe über alles Cortana und gut ist", wird nicht funktionieren. Und der bei heise.de mehrfach erwähnte Tay Bot, hat nur versagt (siehe Microsoft Tay-Chatbot–teilweise missglücktes Experiment), weil da draußen Idioten komisches Zeug verbreiteten. Schöne neue Welt – aber wie sang bereits Pipi Langstrumpf "ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt" – so geht's natürlich auch.


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11 Antworten zu Microsoft-Vorhersagen: Keyboard bald ausgestorben – Bots im kommen

  1. woodpeaker sagt:

    Es ist ja legitim für Microsoftmitarbeiter über die Zukunft zu fabulieren, aber solange die nicht mal ihr Tagesgeschäft im Griff haben, ist das eher unter illusorisch abzuhandeln.

  2. deo sagt:

    Wenn ich ohne Tastatur am PC arbeiten soll, müssen sie mir schon die Arme auf dem Rücken zusammen binden. Wer denkt sich so etwas aus? Beidhändige Nasenbohrer?

  3. Dekre sagt:

    Ich lebe im hier und jetzt und nutze eine super einfache Cherry-Tastatur Stream XT (AK: 19,95 Brutto). Die gibt es nicht mehr, habe noch eine in Reserve. Der einfache Nachfolger ist Cherry Stream 3.o und hat mich nun 24,95 Brutto gekostet, für weitere Reserve. Etwas einfacheres und schöneres gibt es nicht als diese Tastaturen.
    Nach neuem Recht der Rentenversicherung habe ich zum Rentenbeginn pflichtgemäß abzuleben. Das ist dann in 15 Jahren mit Renteneintritt 67 Jahre. Also muss meine Reserve noch 15 Jahre halten. Das ist machbar. :)

  4. Holger K. sagt:

    Wenn meine Befürchtungen sich bewahren, dann wird laut den Vorstellungen der Microsoft-Mitarbeiter das obligatorische Haupteingabegerät eine Kamera und ein Mikrofon sein und damit der Benutzer sich der totalen Überwachbarkeit und Manipulierbarkeit ausliefern.

    Denn über die Stimme und das Gesicht geben wir unserer Emotionen preis und diese Emotionen sind bei den meisten Menschen nicht kontrollierbar. Das bedeutet, Werbetreibende können nun den Effekt ihrer beworbenen Produkte sofort sehen. Anhand der Vorlieben des Benutzers kann nun eine viel genauere Manipulation bezüglich des Kaufverhaltens stattfinden, als es aktuell möglich ist.

    Wenn dann auch noch um der Bequemlichkeit willen, automatische Abläufe in Anwendungen uns "miteinander" kommunizieren lassen sollen (wäre mal interessant, einen Bot-zu-Bot-Chat mitzuerleben, vor allem, wenn der eine Bot dem anderen Bot etwas aufschwatzen will), würde man jedwede Kontrolle über sich selbst abgeben.

    Man träumt bei diesen Evangelists (der Begriff ist mir erstmals im Zusammenhang mit Apple 1995 begegnet) anscheinend den Allmachtsphantasietraum, anders kann ich mir nicht vorstellen, was hinter der Motivation für diesen Unsinn steht. Und wenn das dann in einem zukünftigen Windows XY eingebaut ist, darf man dann noch mehr dafür bezahlen, von solchem Mist verschont zu werden?

    Komplexe Software und davon gibt es bei Microsoft viele Produkte, erfordert auch komplexe Bedienoberflächen. Wenn man die Benutzerschnittstelle radikal vereinfachen möchte ( der erste Schritt dazu waren ja touch-basierte Schnittstellen), muss man die Komplexität der Software entweder deutlich verringern oder aber dem Menschen die Kontrolle über die Software größtenteils entziehen. Das bedeutet, eine Anwendungssoftware trifft selber Entscheidungen auf Basis von Algorithmen. Man könnte sich das in etwa so vorstellen, als wenn eine zukünftige SAP-Version die Buchhaltung und einen Teil des Managements komplett ersetzen würde.

    So etwas würde ich dann ganz gewiss nicht in die Realität umgesetzt sehen. Ich habe lange genug in der Softwareentwicklung gearbeitet, um zu wissen, dass Software nicht den menschlichen Entscheider ersetzen kann. Denn Software ist nur so gut, wie diejenigen, die die Software spezifiziert haben und so gut, wie der schwächste Entwickler, der an dem Projekt gearbeitet hat und so gut, wie die verwendeten Entwicklungswerkzeuge und Programmiersprachen. Und einen blinden Fleck hat jeder Mensch, mag er noch so brillant sein.

  5. Aha ist ja interessant, hatte ich doch neulich erst angerissen das gut 99,8% aller PC Systeme noch mit Maus und Tastatur Funktionieren, auch wenn Microsoft sich das vielleicht anders denkt wird bei mir die Tastatur nicht aussterben!

    Ich hab hier noch ne ganze Kiste mit Fujitsu Siemens KBPC S2 D Tastaturen liegen die müssen erst noch Kaputt getippt werden und ich glaube das wird noch ziemlich lange dauern denn die Teile sind ziemlich haltbar.

    Ich glaube auch nicht das Microsoft alle Nase lang meinen Stinkefinger sehen möchte wenn ich irgendeine Funktion wieder geknackt hab.

  6. Tim sagt:

    "Microsofts Chief Privacy Officer Brendon Lynch versichert: "Wir respektieren nationale Datenschutzgesetze, erkennen die Privatheit als universelles Grundrecht an. … Wir werden E-Mails, Chats, Dateien oder andere persönliche Inhalte nicht für zielgerichtete Werbung nutzen.""

    Gibts den Kerl auf YouTube zu sehen?
    Der ist lustig, hab mich direkt am Kaffee verschluckt.

    Mit Windows 11 wird also wieder alles anders wie aktuell mit Windows 10 und die eindeutige Werbungs-ID verschwindet nach Jahren und mehreren Versionen auch wieder ganz? Oder wie darf man den Herrn verstehen?

    Freu mich schon auf die Dumm-Bots und hoffe das dann wenigstens das ständige warten in Warteschleifen ein Ende findet und einem nicht geholfen wird…
    Wobei, wenn die so fähig sind, wie die Assistentin Cortana, dann dauert wohl noch "etwas".

    Das sich Menschen nicht unbedingt gerne vor Kamera und Mikrofon äußern und verstellen, vergisst man bei der tollen Forschung mal eben ganz.

  7. HansS sagt:

    Wenn man sich einige neuere MS-Produkte wie z.B. Edge und diverse Store-Apps anschaut, könnte man fast auf den Gedanken kommen, dass die Entwickler den Verzicht auf eine Tastatur bereits praktizieren.

  8. Hänk sagt:

    Dass eine Technik schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, heißt ja nicht, dass sie schlecht ist. Man könnte eher das Gegenteil annehmen und sagen, dass sich über Jahrzehnte diejenige Technik durchgesetzt hat, die wirklich taugt.
    Für manche Anwendungen ist die Tastatur optimal, da trifft die Behauptung des Visionärs einfach nicht zu, und genau für solche Fälle wird die Tastatur auch noch lange erhalten bleiben.

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