Die verzögerte Freigabe von Windows 10 Oktober 2018 Update (Version 1809) hat Folgen, die ich bisher nicht auf dem Radar hatte. Das könnte deutliche 'Bremsspuren' hinterlassen.
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Worum geht es?
Microsoft hat sich ja auf die Tapete geschrieben, dass man für Windows 10 jedes Jahr zwei Funktionsupdates freigeben will – eine Variante im Frühjahr (meist April) und eine im Herbst (meist Oktober). Daran hält das Unternehmen, ungeachtet harscher Kritik von Fachleuten, die das weder sinnvoll noch hilfreich finden, fest.
Bereits mit dem April 2018 Update (Windows 10 V1803) gab es dann erhebliche Probleme beim Rollout – und Microsoft hat den (internen) Release-Termin gerissen. Ich hatte diverse Blog-Beiträge dazu verfasst (siehe Windows 10 V1803: Rollout für Intel SSDs vorerst gestoppt und Linkliste am Artikelende). Kann schon mal passieren, ist aber unschön.
Leider ging das Rollout der Windows 18 Oktober 2018 Update (Version 1809) ebenfalls gründlich schief. Das 'early' Release zum 2. Oktober 2018 musste bereits ein paar Tage später zurückgezogen werden, denn einige Leute haben beim Upgrade ihre Benutzerdaten verloren. Seit dieser Zeit werden immer neue, teilweise gravierende Bugs in dieser Build bekannt. Ich hatte im Blog berichtet – siehe Linkliste am Artikelende.
Das führt dazu, dass Microsoft den erneuten Start des Rollouts für den November 2018 vorgesehen hat. Es könnte der nächste Dienstag, Patchday, 13. November 2018 werden. Protagonisten von Windows 10 werden sagen 'das ist auch gut so, Zeit, die Bugs auszumerzen'. Denn diese Build wird momentan in den Insider Preview-Ringen getestet. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie viele Leute wirklich intensiv testen, da Microsoft ja schon die Build des Entwicklungszweigs 19H1 raus schiebt.
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Welche Implikationen gibt es?
Normalerweise wird man sagen 'Na und, was juckt es mich, wenn ein Sack Reis in China umfällt oder Windows 10 V1809 noch nicht allgemein ausgerollt wird'. Ich habe auch einige Privatanwender vernommen, die dann argumentieren 'wenn fertig, dann fertig, und Windows 10 wird ausgerollt'. Oder ich wurden auf Facebook mit 'Microsoft hat den Release-Termin ja gar nicht öffentlich bekannt gegeben, also konnten sie diesen auch nicht reißen' angegiftet. Ich weiß, es ist ein 'heißes Thema', welches ich mit solchen Blog-Beiträgen anfasse.
Andere Nutzer argumentieren, dass Administratoren im Business-Umfeld die neuen Build ja eh erst verzögert ausliefern. Also segelt das Ganze so ungefähr auf dem Niveau, 'es ist eine Atombombe auf Bayern gefallen, 65 Mark Sachschaden' (war ein Witz, mit dem wir als Studenten unsere bayrischen Kollegen, die es nach Nordrhein-Westfalen verschlagen hatte, ärgerten). Aus Sicht der obigen Stimmen ist da auch ein Körnchen Wahrheit dran.
Aber ganz so einfach ist es nicht. Ein Windows 10-Release ist für die in diesem Bereich aktive Industrie ein wichtiges Datum. Und jede Verzögerung hinterlässt deutliche Bremsspuren. Das ist mir an diesem Artikel klar geworden, der auf einige Folgen verweist. Es geht nicht darum, dass einige Home-User nun nicht die neueste Windows 10-Version bekommen. Sondern die OEMs sitzen momentan ganz schön doof da.
Ein Oktober 2018-Rollout hätte genügend Vorlauf für das OEM-Weihnachtsgeschäft mit neuen Windows 10 V1809-PCs gelassen. Das dürfte nun knapp werden – sprich: Die OEMs bieten in Europa im Weihnachtsgeschäft Systeme mit dem 'alten' Windows 10 V1803 an. Der Kunde darf dann erst mal eine Update-Orgie mit einem Funktionsupdate auf Windows 10 V1809 stemmen. Bleibt dort zu hoffen, dass dies nicht mit Kollateralschäden endet.
Ein Desaster für bestimmte OEMs
Aber es geht noch weiter. Brad Sams weist auf Petri.com darauf hin, dass das verzögerte Release für einige OEMs ein großes Problem ist. Die OEMs sitzen zwischen allen Stühlen. Denn sie müssen bestimmte Maschinen mit einer final ungetesteten Windows 10 V1803 ausliefern, die die verbaute Hardware nicht unterstützt.
(Quelle: Petri.com, zum Vergrößern klicken)
Das obige Bild von Petri.com zeigt die Änderung der Hardware-Unterstützung zwischen Windows 10 V1803 und der 1809 in Bezug auf Intel-, Qualcomm- und AMD-Prozessoren. Die neuen Intel iCore der 9. Generation, eine Reihe AMD-Chips aus der Athlon-, Opteron und EPYC-Reihe sowie der Qualcomm Snapdragon 850 werden erst ab Windows 10 V1809 unterstützt. Das trifft z.B. Lenovo (Lenovo YOGA C630) und Samsung, die sich auf das Abenteuer ARM-Windows 10-PC mit Qualcomm Snapdragon 850 eingelassen haben. Ergänzung: Martin Geuß schreibt hier, dass die geplante Einführung des Yoga C630 verschoben wurde. Und MSPU hat hier einen Artikel zum Samsung new Galaxy Book2, mit dem gleichen Problem. Die geben das Teil heraus, in der Hoffnung, dass es irgendwie funktioniert. Eigentlich sollten Ende 2018 'leistungsfähige' Windows 10 on ARM-PCs in den Handel kommen. Das Weihnachtsgeschäft könnte diesbezüglich aber eher mau ausfallen.
Ergänzung: Martin Geuß weist in diesem Beitrag darauf hin, dass Microsoft die Dokumentation für Windows 10 V1803 gerade aktualisiert hat. Jetzt unterstützt diese Windows 10-Build offensichtlich den Qualcomm Snapdragon 850. So sieht es halt aus, wenn der Hersteller nix mehr, selbst die einfachste Dokumentation, auf die Reihe bekommt.
Die Sicht der Dinge …
Der Kern- und Angelpunkt des Problems ist, dass die meisten Menschen das Thema aus Sicht des Verbrauchers oder Endverbrauchers sehen – da ist die verzögerte Windows 10-Auslieferung für 'Bestandsnutzer' eher nicht so das Thema – Hauptsache, dass Upgrade nachher reibungslos über die Bühne geht.
Aber aus Sicht des OEMs läuft es schlicht auf "Wetten über die Verfügbarkeit jeder Version von Windows 10" hinaus. Und diese Wetten haben die OEMs dieses Jahr zwei Mal schlicht verloren (denn die Release-Termine wurden intern von Microsoft frühzeitig kommuniziert). So erweist sich die Entscheidung Microsofts, die Art und Weise, wie Software getestet wird, zu ändern, immer mehr als riesige Katastrophe.
Und das gestrige Aktivierungs-Hick-Hack bei Windows 10 ist auch Wasser auf die Mühlen der 'bloß weg von Windows-Fraktion'. Für die OEMs ergibt sich die nüchterne Erkenntnis, dass Microsoft im Jahr 2018 bereits zwei Release-Termine für Windows 10-Builds gerissen hat. Das könnte irgendwann OEMs aus dem Geschäft kicken, bzw. deren Management muss sich so langsam klar werden, auf welche Pferde sie setzt. Zu beneiden sind die OEMs nicht – zu Microsofts Management und dessen 'Strategien' äußere ich mich mal lieber nicht.
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Es geht wie immer alles seinen Gang und die OEMs werden es überleben. Ist Microsoft mit der Lieferung im Verzug, werden Konventionalstrafen fällig. Dem Endverbraucher kann es egal sein, denn 1809 ist ein Desaster schlechthin und Microsoft wird da kaum noch etwas richten. Bisher waren alle H2-Versionen halbgar und der Endverbraucher mit den H1-Versionen besser bedient.
Es könnte auch sein Gutes haben: Vielleicht werden die Hersteller nach solchen Erfahrungen wieder aufgeschlossener für alternative Betriebssysteme? Als in den Prospekten nur noch Notebooks mit Win10 zu sehen waren, habe ich aufgehört, das aktuelle Angebot zu sichten und bin zu Gebrauchtgeräten umgeschwenkt.
Eine nennenswerte Auswahl an Geräten, bei denen ab Werk z.B. ein Linux vorinstalliert ist (das auch alle am Gerät vorhandene Hardware unterstützt!), würde die Verbreitung – und die Treiber-Qualität – von Linux mal richtig pushen. Dann wäre mittelfristig endlich der Tag in Sicht, an dem es eine Standard-Linuxdistribution gibt, die auch anspruchsvollere Umsteiger zufriedenstellt. Ohne die Impulse der OEMs wursteln die Linux-Programmierer noch in alle Ewigkeit an ihren Insellösungen für den individuellen Eigenbedarf.
Den Versuch, Linux-basierte Geräte zu vertreiben hat Acer schon vor einigen Jahren mit seiner "Aspire One A"- Serie unternommen. Ich habe selbst so ein Gerät der Type A150 geschenkt bekommen.
Ein vernünftiges Arbeiten damit war wegen der technischen Beschränkungen aber nur bedingt möglich; denn es hatte nur:
– 512MB Arbeistspeicher (auf max 1,5GB aufrüstbar)
– 8GB Flashspeicher (erweiterbar durch 2 4GB SD-Karten)
– ein extrem kastriertes Linux, "Linpus" genannt (ein Fedora-8-Derivat) mit Firefox, OpenOffice und noch ein paar Kleinigkeiten.
Dazu kamen noch folgende Probleme:
– Es gab kein Repository, aus dem man etwas nachinstallieren konnte. Das war Asus offensichtlich zu aufwendig. Und dieser Aufwand ist auch der "Casus knacksus" bei Linux. Nach eineinhalb Jahren war es sogar mit offiziellen Updates zu den installierten Programmen aus. Seither gab es gar nichts mehr. Der Firefox auf dem Netbook steht heute noch auf einer Zweier-Version!
– Niemand hat dem Käufer (von dem ich das Gerät dann geschenkt bekommen habe) gesagt, dass Softweareinstallation unter Linux ganz anders funktioniert als unter Windows. So hat der arme Kerl immer verzweifelt nach einer "Setup.exe" gesucht……
Fazit:
Wenn jemand eine Maschine mit Linux verkaufen will, muss er auch für die nachfolgenden Aktualisierungen bzw. notwendigen Informationen sorgen. Ausser, er verwendet eine der "großen" voll funktionsfähigen Distributionen, sodaß diese dann die nötigen Updates bereitstellen. Ich kann mir vorstellen, dass das selbst unter Linux Geld kostet, aber wahrscheinlich weniger als Windows-Lizenzen. Abgespeckte Versionen werden vom Käufer niemals goutiert.
Ferner muss man dem Käufer auch die Eigenheiten des Betriebssystems (soweit es den Benutzer betrifft) nahebringen. Ein "Käsezettel" mit den gesetzlich vorgeschriebenen informationen über z.B. die Garantie oder die Entsorgung des Gerätes (wie bei vielen Windows-Geräten heute üblich) wird da nicht ausreichen.
Zum Abschluß:
Als mein Bekannter des "AAO" schließlich wegwerfen wollte. habe ich mich des "Dingelchens" angenommen: Eine Ubuntu XFCE-Version wurde auf einem USB-Microstick mit 32GB installiert, damit das Linpus seine mickrigen 8GB behalten kann, und auf 1,5 GB RAM aufgerüstet. Seither ist das "Acerl", wie es meine Frau liebevoll nennt, ein getreuer Begleiter auf allen unseren Reisen. Ein kleiner Wehmutstropfen: Das "Skypen" hat er inzwischen verlernt; ist ja doch nur ein kleines 32-bit Maschinchen. ;-)
Neben dem kastrierten Linpus hatte das Acer Aspire One noch ein weiteres Problem. Mit etwas Pech hat man das Maschinchen über das BIOS gebrickt (siehe BIOS-Bug: Acer Aspire One ist tot ).
Auf dieser Seite findet sich ein ganzer Abschnitt mit Artikellinks zu meinem ersten Blog bei blogger.de. Dort wird auch der Acer One behandelt. Waren halt extrem spartanische Maschinen (auch vom Linux), um die 200 Euro-Marke zu erreichen.
Richtig!
Danke für die Ergänzungen. Ich wollte den Beitrag nur nicht noch mehr aufblasen.
Ich sehe das Problem für die Hersteller als nicht so kritisch. Zumindest bei den Laptops, die den Löwenanteil im Weihnachtsgeschäft bilden, wird die interne Hardware der Systeme kaum modifiziert. Natürlich wird in Hinblick auf gängige Software ein aufwändigerer Praxistest als sonst üblich vonnöten sein.
Andererseits gibt ja unter den Endanwendern genug early adopters, auf deren PCs es zu keinen Problemen mit dem 1809 Update kam.
Es wird natürlich zu Problemen kommen. Aber gänzlich unproblematisch ging es doch auch bislang nicht in das Weihnachtgeschäft. Die großen Verluste machen die Hersteller doch m. E. über den Fernhandel. Viele PCs gehen binnen 30 Tagen ohne Fehler an den Hersteller zurück, weil der Kunde mit dem Gerät schlicht nicht zufrieden war. Die werden dann erst überprüft und aufbereitet und mit Verlust auf den B-Ware Markt geworfen. Aus diesem habe ich z.B mein Dell Latitude 5285-12 erworben. Ein I-Core I5, 7th Generation mit 256GB SSD, Win 10 Pro und 3 Jahre next business day-Vor Ort Service Optisch vollkommen einwandfrei, für sage und schreibe 610€ anstatt ca. 1500€+MwSt. Funktioniert seit 1 Jahr zuverlässig. Weil es so günstig war, habe ich bei Dell einfach mal ein Supportfrage gestellt. Mit dem Gerät ist auch rechtlich alles einwandfrei.
Ergänzung: Microsoft kriegt offenbar seine Dokumentation nicht auf die Reihe. Nach Berichten wie diesen hat man jetzt mal die Abschnitte für den CPU-Support durch Windows 10 V1803 aktualisiert. Der Qualcomm Snapdragon 835/850 wird doch von der V1803 unterstützt. Martin Geuß von Dr. Windows ist das aufgefallen.
(Quelle: Dr. Windows)