Datenhändler missbrauchen das Job-Portal der Bundesagentur für Arbeit. Dort schalten sie Stellenanzeigen und greifen die Bewerberdaten ab, um diese dann weiter zu verkaufen.
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Es ist wieder ein Vorfall, der zeigt, dass Nepp und Betrug an jeder Stelle lauern – dieses Mal besonders perfide, da niemand so etwas bei der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) erwartet. Dieses Portal der BA soll bei der Jobsuche helfen – eigentlich eine gute Sache. Allerdings wird das Jobportal auch von Datenhändlern ausgenutzt, um Bewerberdaten an Zeitarbeitsfirmen etc. weiter zu verkaufen. So etwas ist, wenn das nicht ganz glasklar geregelt wird alleine ein Verstoß gegen die DSGVO und wohl auch nicht im Sinne der BA. Ein SWR-Rechercheteam konnte diesen Betrug bzw. Datenskandal nun wohl nachweisen, wie der SWR hier und die Tagesschau hier berichten.
Die Betrugsmasche
Auf der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) schalten die Betrüger Anzeigen für Facharbeiter oder –angestellte. Ein Johann S. bietet beispielsweise Stellen für Mechatroniker, IT-Spezialisten oder eine Bürokauffrau. Auffällig ist, dass die Stellen bundesweit ausgeschrieben sind, wohl bis zu 3.000 an der Zahl. Es sind für eine Bewerbung um die Stelle lediglich Lebenslauf und Zeugnisse an eine angegebene E-Mail-Adresse zu schicken.
Als das Recherche-Team des SWR aber versuchte, wegen Bewerbungen nachzufragen, gab es keine wirkliche Reaktion – ein Auto-Responder scheint eine Standardantwort mit der Bitte um Erlaubnis, die Bewerbung an "interessierte Geschäftspartner" des Hauses weiterzuleiten. Unter der in den Anzeigen angegebenen Telefonnummer gibt es niemanden, der erreichbar ist. Da konnte nur was faul sein, denn Firmen haben ja ein Interesse, dass Bewerber auch in Kontakt treten können.
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Plötzlich melden sich Zeitarbeitsfirmen
Die Reporter des SWR schickten daher über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) Testbewerbungen mit fingierten Daten auf die Stellenanzeigen an die angegebene E-Mail-Adresse. Einige Tage später meldeten sich, laut Tagesschau-Bericht, plötzlich Zeitarbeitsfirmen bei dem 'Bewerber'. Dort hatte das SWR-Rechercheteam sich aber nie beworben. Die Nachfrage ergab: Die Zeitarbeitsfirma will die Bewerber-Daten von einem Vertragspartner erhalten haben. Vertragspartner war eine der fünf Firmen, die das Rechercheteam Johann S. zuordnen konnten.
Professioneller Datenhändler mit Flatrate-Angeboten
Johann S. bietet, laut Tagesschau, auf den Onlineseiten seiner diversen Firmen anderen Unternehmen die Vermittlung von Personal an. Dabei kann der Kunde zwischen Festpreis- oder Flatrate-Angeboten wählen. Den SWR-Reportern wurden Bewerbungsmappen zum Preis von rund drei Euro je Datensatz angeboten. Laut Bericht brüstet sich der Anbieter, jeden Monat zwischen 3000 und 5000 Datensätze von Bewerbern zu generieren.
Nach Abschluss eines Vertrags erhalten die SWR-Reporter, auch ohne jemals eine Stellenanzeige geschaltet zu haben, regelmäßig Bewerberunterlagen (Zeugnisse, Lebensläufe etc.). Vom Rechercheteam kontaktierte Bewerber waren schockiert, als sie erfuhren, dass mit ihren Daten gehandelt wird.
Verstöße gegen Nutzungsbedingungen und DSGVO
Die Nutzungsbedingungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) schließen explizit den Aufbau von Bewerberpools aus. Das ist daher schon der erste Verstoß, den Johann S. mit seinem Firmen begeht.
Aber ein kommt imho noch schlimmer. Die DSGVO, die seit Mai 2018 in Kraft ist, regelt ganz klar die Erfassung und Weitergabe persönlicher Daten. Speziell Bewerberdaten sind sehr sensible persönliche Informationen, deren Erfassung und Weitergabe nur nach expliziter Einwilligung der jeweiligen Person zulässig ist.
Das, was da gerade läuft, ist also auch ein Verstoß gegen Datenschutzgesetze. Die Tagesschau zitiert den Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg, Stefan Brink, "Das ist schlicht und ergreifend illegal, was da gemacht wird. Bewerberdaten sind sehr sensible Daten, die gesetzlich besonders geschützt sind, und das zu verletzen muss sehr massive Sanktionen nach sich ziehen.
Brink sieht nicht nur einen Verstoß gegen Datenschutzvorschriften, nach denen vor einer Weitergabe Bewerber genau informiert werden und in jedem Einzelfall ihre Zustimmung erteilen müssen. Der Verkauf von von Bewerbungsunterlagen ist schlicht verboten. Der Datenschützer konstatiert einen Gesetzesverstoß, und spricht konkret von einer Straftat.
Abstreiten und nix wissen
Der Datenhändler Johann S. streitet, so die Tagesschau, auf Nachfrage alle Vorwürfe ab. Zu einer öffentlichen Stellungnahme ist er nicht bereit. Was soll der Datenhändler auch anderes machen. Noch schlimmer kommt es von der BA. Zitat aus dem Tagesschau-Bericht:
Die Bundesagentur für Arbeit teilt schriftlich mit, ihr lägen keine Hinweise vor, dass ihre Jobbörse von Datenhändlern missbraucht werde. Aufgrund der Vielzahl an Stellenangeboten könne jedoch "nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass einzelne Stellenangebote gefälscht oder fingiert" seien.
Wenn wir nix wissen, ist alles in Ordnung, so die Botschaft – und falls es mal wirklich einen krummen Hund gibt, sind dies bedauerliche Einzelfälle. Der Arbeitsmarktexperte Stefan Sell von der Hochschule Koblenz ist über das Ausmaß entsetzt: "In dieser Größenordnung ist das tatsächlich eine neue Dimension. Hier legen wir tatsächlich einen Skandal offen, den man sich bisher so nicht hat vorstellen können." Zur BA hat er keine klare Haltung: "Die Bundesagentur sieht natürlich überhaupt nicht genau hin, wer von den Arbeitgebern oder sogenannten Arbeitgebern dort Stellenangebote einstellt. Da zählt das Gesetz der großen Zahlen. Die Bundesagentur hat erstmal ein Interesse daran, dass möglichst viele Stellenangebote dort eingestellt werden."
Die Masche läuft seit 10 Jahren
Interessant ist eine weitere Information der Tagesschau. Die Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti (Die Linke) befasst sich wohl bereits seit 2009 mit diesem Thema. Damals wurde die Masche bekannt – wenn auch der Missbrauch wohl geringer war. Hier gibt es beispielsweise eine kleine Anfrage an die Bundesregierung aus 2018. Die Antwort ist ernüchternd, aber im obigen Kontext:
Die BA sieht derzeit keine Verbesserungspotentiale und plant daher aktuell keine Änderungen im Prüfverfahren. Dies ist aus Sicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales rechtsaufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Ganze ist eine riesen Sauerei, ich bin mal gespannt, was da am Ende des Tages bei herum kommt.
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"Das Ganze ist eine riesen Sauerei, ich bin mal gespannt, was da am Ende des Tages bei herum kommt. "
Es wird schlicht und einfach nichts passieren.
Der BA ist nur wichtig, das die Stellenangebote hoch sind, um so Arbeitssuchende besser unter druck setzen zu können.
Obendrein ist bei der BA Datenschutz eh ein Fremdwort. So verlangen Jobvermittler der BA auch mal Medizinische Unterlagen, die dem medizinischen Dienst vorgelegt werden sollen aber direkt dem Sachbearbeiter übergeben werden müssen.
Dies wird sogar in "Eingliederungsvereinbarungen" (EGV) niedergeschrieben, einem Vertrag nach BGB. Weigert sich der Arbeit suchende – mit Hinweis auf den Datenschutz – dies zu unterschreiben, wird diese – vom gleichen Jobvermittler ohne anderweitige Prüfung – per "Verwaltungsakt" erlassen.
Das ist heute alles gängige Praxis bei der BA.
Umso wichtiger, Skandale zu thematisieren.
Gebe ich Dir recht!
Nutzt halt nur nichts, wenn einfach nichts passiert.
Wie kann auch ein Jobvermittler der BA etwas über Datenschutz udg. wissen, wenn er/sie im 6 monatigem Schnelldurchgang "Ausgebildet" wurde.
Diese Zeit wird alleine benötigt um die "Verkrüppelte" Software annäherungsweise zu verstehen…..
Vorgesetzten antreten lassen, Fachaufsichtsbeschwerde (zur Niederschrift) und ggf. Prozesskostenbeihilfe beantragen!!
Ich war oft genug als "Begleitperson" bzw Zeuge bei so etwas dabei. Den Vorgensetzen zu verlangen nutzt da nichts.
Der ist dann nicht da und der Stellvertreter auch nicht und von der Geschäftsleitung schon eh keiner……
Die Jobvermittler erlauben sich einen Fehler nach dem anderen und es hat keinerlei Folgen. Erlaubt sich aber der Arbeitssuchende
einen Fehler, folgt sofort eine Kürzung.
Den Verwaltungskt protokollieren und sich eine Abschrift aushändigen lassen, dann kann man juristsich dagegen vorgehen.
Ein Verwaltungsakt bedarf der Schriftform und muss dem Betreffenden dann auch zugestellt werden.
Somit kann man ohne weiteres juristisch vorgehen.
Anders ist es bei der EGV, diese ist ein rechtsgültiger Vertrag, ein juristisches Vorgehen ist dann nicht möglich. Das ist der Grund weshalb Arbeitssuchende, oft auch mit fragwürdigen Mitteln, zur Unterschrift gedrängt werden. Als Betroffener darf man die Unterschrift einer EGV übrigens verweigern, es dürfen daraus keine Nachteile entstehen.
Sehr viele "Kundenberater" aka Sachbearbeiter haben nur befristete Arbeitsverträge, warum sollten sie daher Interesse zeigen.
Deshalb bedingungsloses Grundeinkommen einführen und solche Sümpfe werden ausgetrocknet!
Kann ich bei den ARGE'n, mit denen ich Kontakt hatte, nicht bestätigen.
Da hatte ich im laufe der Jahre immer wieder mit den gleichen "Pappenheimern" zu tun…..
Was aber an deren Desinteresse nichts ändert!
Da für mich ja in nicht allzuferner Zukunft der Fall eintritt, dass ich mich um eine neue Arbeitsstelle bemühen muss (mein bisheriger Arbeitgeber schließt seinen Betrieb), ist dieser Beitrag natürlich für mich und meine bevorstehende Eingliederungsvereinbarung Wasser auf die Mühle. Was die Inserate der – vermeintlichen – Arbeitgeber angeht, werde ich wohl, wie ich das bislang auch schon getan habe, vorher erst einmal anrufen und mir den Namen des zuständigen Ansprechpartners für meine Bewerbungsunterlagen geben lassen. Und vielleicht sollte ich mir auch eine neue Fußzeile für mein Anschreiben ausdenken. "Gemäß DSGVO widerspreche ich der Weitergabe meiner Daten an unternehmensfremde Personen."
"Gemäß DSGVO widerspreche ich der Weitergabe meiner Daten an unternehmensfremde Personen."
Ich hatte so etwas als Deckblatt! ;-)
Noch vor dem dem Anschreiben.
Das ist diesen Personen dann trotzdem egal. DSGVO hin oder her. Die haben da keine Skrupel.
Und bei dem verweigern der Unterschrift unter die "Eingliederungsvereinbarung" kann es schnell zu einer Geldsperre von 2 Wochen kommen. Die finden dann einen Vorwand.
Die Typen in den Arbeitsämtern nutzen die Notlage der Arbeitslosen eiskalt und rücksichtslos aus.
Das ganze ist nicht neu. Die Praktiken der Unternehmen sind bekannt.
Die BfA ist die billigste Recherchemöglichkeit in ganz Deutschland. Das gilt nicht nur für den hier von Günter dargestellen Bereich. Auch alle sonstige Recherche- und Statistikunternehmen greifen darauf zurück und geben einerseits keine Quelle an und verkaufen dann die von der BfA gekauften Daten mit mindestens 1000% je Nutzer (!!!) weiter. Im Prinzip sind es dann so 10 bis 100tausend %.
Ich hatte in diesem Blog schon mal darauf hingewiesen.
Ergänzung – Es verstößt nicht nur gegen DS-GVO der EU, sondern auch schon vorher gegen Datenschutz und nicht nur das.
"Bundesagentur für Arbeit teilt schriftlich mit, ihr lägen keine Hinweise vor, dass ihre Jobbörse von Datenhändlern missbraucht werde. Aufgrund der Vielzahl an Stellenangeboten könne jedoch "nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass einzelne Stellenangebote gefälscht oder fingiert" seien."
Ich hab leider über 30 Jahre Erfahrung mit diesem Scheiß-Amt – die sehen einen Fehler oder ein Problem nicht mal dann, wenn es vier Meter groß ist, neongelb leuchtet und auf der Autobahn Jive tanzen würde! Intelligenz? Bestenfalls in homöopathischen Dosen! Ich könnte Bücher schreiben… *grrr*
(damit keine Irrtümer entstehen: ich habe drei Ausbildungen, lande aber fast nur in Zeitarbeitsstellen)
Hallo,
Das Ganze wurde schon in den 2000er Jahren durch diverse Callcenter ausgenutzt.
Die ließen sich dort als Arbeitgeber registrieren und alle Bewerber erhielten dann Anrufe dieser Callcenter in deren Verlauf Ihnen etwas verkauft werden sollte. Wenn diese Callcenter die Listen zu Ihrem Verkaufszweck abgearbeitet hatten, wurden sie als verifizierte Datensätze an andere Callcenter weiter verkauft.
Seit damals hat sich an der ganzen Sache nix geändert. Jeder Depp kann sich in der Jobbörse der BA als Arbeitgeber anmelden und Stellenangebote einstellen, auf die Ihm dann Bewerbungen zugesandt werden.
Da ist von der BA so gewollt. Wenn ich mich richtig erinnere teilte man damals mit, dass eine Überprüfung von Arbeitgebern aufwendig wäre und Zeit kosten würde – und man wolle ja die Arbeitslosen so schnell wie möglich in Arbeit bringen und potentiellen Arbeitgebern die Anmeldung nicht unnötig erschweren.
Und selbst bei den "seriösen" Arbeitgebern, also die es wirklich gibt, sieht es finster aus. In dieser Jobbörse stapeln sich Berge von Jobangeboten im prekären Bereich. Wirklich qualifizierte Angebote mit tariflicher Bezahlung muss man aus Bergen von Mist heraussieben wie Goldnuggets.
Freundliche Grüße
P.B.
Das kann ich bestätigen. Das stimmt.
Das schlimme ist, dass diejenigen Arbeitgeber die wirklich Leute suchen, das Nachsehen haben und keinen finden.