Kleines Sonntagsthema: Vor einigen Wochen ging ein manipuliertes Video von Nancy Polosi im Internet viral, wo sie den Eindruck machte, betrunken zu sein. Jetzt ist der Urheber des manipulierten Videos wohl identifiziert – was interessante Einblicke gewährt.
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Zum Sachverhalt: Ist die Pelosi besoffen?
Nancy Pelosi ist eine US-Politikerin, Mitglied der Partei der Demokraten, und Sprecherin des US-Repräsentantenhauses. In meinen Augen eine sehr integrere, kluge und politisch erfahrene Frau. Auf einer Konferenz wurde eine Rede von einer Ansprache Pelosis aufgenommen. So weit so gut.
Plötzlich kursierte eine Version dieses Videos in sozialen Netzwerken und rechten Gruppen, wo Frau Pelosi undeutlich und sehr langsam sprach. Es hatte den Eindruck, als ob die Politikerin betrunken sein könnte. SPON ist hier auf das Thema kurz eingegangen. Den meisten Leuten war klar, dass das Video manipuliert war – der Audiokanal war verlangsamt eingemischt worden. Auf rechten Webseiten wurde das Video dagegen fleißig geteilt und ging sozusagen, als klassische Fake-News, viral.
Der Urheber ist schnell enttarnt
Bei so etwas stellt sich natürlich sofort die Frage: Waren es die Chinesen? Haben russische Trolle das Video manipuliert und ins Internet gestellt? Keines von alledem trifft zu. Reporter von The Daily Beast haben in diesem Artikel die Identität des Mannes enthüllt, der das Video online gestellt hat. Es ist ein Superfan von Donald Trump und gelegentlicher Sport-Blogger aus der Bronx namens Shawn B. Dieser hat am 22. Mai 2019 einen Videoclip von Nancy Pelosi auf seiner persönlichen Facebook-Seite veröffentlicht. Der Clip zeigte Pelosi während einer Pressekonferenz als stotternde Person. Dort äußerte sie ihre Frustration über ein gescheitertes Infrastrukturtreffen mit dem Präsidenten. Brooks Kommentar zum Video war prägnant: "Ist Pelosi betrunken?" Gut, war eine private Facebook-Seite des Mannes.
Ab diesem Zeitpunkt wird die Geschichte interessant. Dreizehn Minuten später, so ein Facebook-Mitarbeiter gegenüber The Daily Beast, veröffentlichte Shawn B. ein ganz anderes Pelosi-Video auf einer Facebook-Seite namens Politics WatchDog. Dieser Clip wurde geändert, um die Sprache von Frau Pelosi zu verlangsamen, ohne die Tonhöhe ihrer Stimme zu verringern. Ziel war es, Frau Pelosi betrunken klingen zu lassen, während sie Donald Trump kritisierte.
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Fünfzehn Minuten danach erschien das gleiche manipulierte Video auf einer zweiten Facebook-Seite, AllNews 24/7, die Brooks als Administrator verwaltet. Dieser Clip war identisch mit dem Politics WatchDog-Video, außer dass das Politics WatchDog-Branding des zweiten Videos entfernt war.
Wer das gepostet hatte, musste Zugang zum Rohmaterial (Directors Cut) haben. Auf beiden Facebook-Seiten wurde der Clip von der gleichen emotionslosen Prosa begleitet: "Haussprecherin Nancy Pelosi über Präsident Trump beim Verlassen des Infrastrukturtreffens: 'Es war sehr, sehr, sehr seltsam.'"
Natürlich fielen Trump und dessen Team sowie Trump nahe Presseorgane auf das Video herein. Das Video wurde in diversen Kreisen ein viraler Hit – obwohl womöglich die meisten Journalisten die offizielle Videoaufnahme hätten überprüfen können. In obigem Absatz bzw. in diesem Artikel wird der Beginn einer Fake-News-Campagne samt Urheber aufgedeckt.
Brooks, ein 34-jähriger Tagelöhner, der sich derzeit auf Bewährung befindet, behauptet, dass sein "betrunkener" Kommentar zu einem unveränderten Pelosi-Video keine Verbindung zu dem inzwischen bekannten gefälschten Clip habe. "Ich war nicht die Person, die das Pelosi-Video erstellt hat", bestand er in einem Telefoninterview mit The Daily Beast. Dienstag las ich in diesem Medium die Nachricht, dass Shawn B. bestreitet, das Video erstellt zu haben und den Reporter der Geschichte verklagen will. Ach ja, es bleibt noch anzumerken, dass er als Besitzer diverser Facebook-Gruppen so um die 1.000 US $ an Einnahmen erhalten hat. So weit so schlecht.
Die Causa Facebook
An dieser Stelle kommt jetzt wieder Facebook ins Spiel. In einem weiteren Artikel arbeitet sich das Medium Intelligencer am Thema in einer anderen Weise ab. Dort wird die Frage gestellt, ob Facebook ein Problem mit Leaks habe. Denn wie konnte The Daily Beast so schnell an die Informationen gelangen, wann, wo ein Video auf Facebook geteilt hat. The Daily Beast schreibt ja, dass ein Facebook-Mitarbeiter diese Information bereitgestellt habe.
Der Intelligencer schreibt, dass der Journalist Poulsen die Identität von Shawn B. mit Hilfe eines anonymen "Facebook-Mitarbeiters" bestätigt bekommen habe. Jemand auf Facebook hatte, wie es scheint, auf Brooks' theoretisch private' Benutzeraktivität zugegriffen und sie genutzt, um Poulsens Geschichte zu bestätigen. Poulsen konnte Brooks zunächst über einen Spendenlink auf einer der Facebook-Seiten identifizieren, die ursprünglich das manipulierte Video veröffentlicht hatten.
Aber als Brooks kontaktiert wurde, leugnete er, die Person zu sein, die das Video auf der Seite veröffentlicht hatte, und gab stattdessen einem von sechs anderen Administratoren die Schuld. Da Beiträge eines Administrators auf einer Facebook-Seite den Besuchern nur unter dem Namen der Seite angezeigt werden, lässt sich öffentlich kein bestimmter Administrator identifizieren, der den Beitrag eingestellt hat. Es gibt keine Möglichkeit, für einen Außenstehenden, festzustellen, ob Brooks die Wahrheit gesagt hat.
Aber Facebook kann das intern wohl sehr genau verfolgen – und Poulsen zitiert einen Facebook-Mitarbeiter, der ihm mitteilte, dass das Video zum ersten Mal auf Politics WatchDog direkt von Brooks persönlichem Facebook-Konto veröffentlicht wurde. Die 'anderen Administratoren' existieren wohl nicht. Da hat also jemand auf private Informationen zugegriffen und diese nach außen getragen – so sieht es zumindest aus.
Wirft natürlich schon Fragen auf. Obwohl: Laut Facebooks Anwälten wissen wir seit dieser Woche, dass es keine Privatsphäre bei Facebook gibt. "Es hat kein Eindringen in die Privatsphäre gegeben, weil es keine Privatsphäre gibt", erklärte mit Orin Snyder am Mittwoch laut US-Medienberichten ein Rechtsanwalt im Namen des kalifornischen Konzerns bei einer Gerichtsanhörung in San Francisco. Bei Interesse könnt ihr die Details in diesem heise-Artikel nachlesen.
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