Polizei und Justiz verlangen im Rahmen der Strafverfolgung und zur Terrorabwehr immer wieder von den Providern Bestandsdaten von Handy- und Internetusern. Dagegen wurde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) geklagt. Das BVerfG hat jetzt § 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sowie mehrere Fachgesetze des Bundes als verfassungswidrig verworfen.
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n ihrer Entscheidung vom 27. Mai 2020, die jetzt verkündet wurde, geben die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber einige Beschränkungen zur Bestandsdatenauskunft vor:
- 1. Der Gesetzgeber muss bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens auf Grundlage jeweils eigener Kompetenzen für sich genommen verhältnismäßige Rechtsgrundlagen sowohl für die Übermittlung als auch für den Abruf der Daten schaffen.
- Übermittlungs- und Abrufregelungen für Bestandsdaten von Telekommunikationsdiensteanbietern müssen die Verwendungszwecke der Daten hinreichend begrenzen, mithin die Datenverwendung an bestimmte Zwecke, tatbestandliche Eingriffsschwellen und einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz binden.
- 2. Schon dem Gesetzgeber der Übermittlungsregelung obliegt die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung. Eine Begrenzung der Verwendungszwecke erst zusammen mit der Abrufregelung kommt nur in Betracht, wenn die Übermittlungsregelung Materien betrifft, die allein im Kompetenzbereich des Bundes liegen und die Regelungen eine in ihrem Zusammenwirken normenklare und abschließende Zweckbestimmung der Datenverwendung enthalten.
- 3. Die Befugnis zum Datenabruf muss nicht nur für sich genommen verhältnismäßig sein, sondern ist – auch aus Gründen der Normenklarheit – zudem an die in der Übermittlungsregelung begrenzten Verwendungszwecke gebunden. Dabei steht es dem Gesetzgeber der Abrufregelung frei, den Abruf der Daten an weitergehende Anforderungen zu binden.
- 4. Trotz ihres gemäßigten Eingriffsgewichts bedürfen die allgemeinen Befugnisse zur Übermittlung und zum Abruf von Bestandsdaten für die Gefahrenabwehr und die Tätigkeit der Nachrichtendienste grundsätzlich einer im Einzelfall vorliegenden konkreten Gefahr und für die Strafverfolgung eines Anfangsverdachts.
- Die Zuordnung dynamischer IP-Adressen muss im Hinblick auf ihr erhöhtes Eingriffsgewicht darüber hinaus auch dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von hervorgehobenem Gewicht dienen. Es bedarf ferner einer nachvollziehbaren und überprüfbaren Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen.
- Als Eingriffsschwelle kann im Bereich der Gefahrenabwehr und der nachrichtendienstlichen Tätigkeit das Vorliegen einer konkretisierten Gefahr ausreichen, soweit es um den Schutz von Rechtsgütern oder die Verhütung von Straftaten von zumindest erheblichem Gewicht (allgemeine Bestandsdatenauskunft) oder besonderem Gewicht (Zuordnung dynamischer IP-Adressen) geht.
Der Bund wird also diverse Gesetze überarbeiten müssen. Die Redaktion von heise hat das Ganze in diesem Beitrag aufbereitet.
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Hallo Günter, kannst Du bitte die Abkürzung von "BVG" auf "BVerfG" ändern. Erstere hat viele Bedeutung und letztere ist die richtige Abkürzung.
Zitierhinweis bspw.: BVerfG, Beschluss vom 27.05.2020, 1 BvR 1873/13.
Stimmt, da war mein Abkürzungswahn zu groß – ist korrigiert – danke (war wohl schon gedanklich beim Grillen ;-).
Guten Appetit!
tja, der "Gesetzgeber" lernt einfach nicht dazu, befindet sich – offensichtlich – immer noch in Neuland. Erbärmlich!
Dass ein Verfassungsgericht zum wiederholten Mal der Bundesregierung beibiegen muss, dass es so eben NICHT geht, das ist indiskutabel. Die machen ihren Job nicht – weil sie es nicht können. Ein Desaster, eigentlich. Und eigentlich auch ein Grund für sofortige Trennung. Aber da klebt man ja gern am Sitze – weils geht (Konsequenzen? püüüh…). traurig.
Kann in diesen Zusammenhängen nur den heise podcast "Auslegungssache" empfehlen:
https://www.heise.de/ct/artikel/Auslegungssache-Der-Datenschutz-Podcast-des-c-t-Magazins-4571821.html?seite=all