Fahrschul-Software 'PC Professional Frühjahr 2020' aus der Gruft?

Heute mal ein Fall von 'Software aus der Gruft', die auf die Anwenderschaft losgelassen wird. Es ist eine spezialisierte Anwendung für Fahrschulen, die durch 'obskure Updates' aufgefallen ist, die unter Windows 10 den Defender auf den Plan riefen. Danach ging auf den Systemen nichts mehr. Da mir solches Verhalten durchaus öfters begegnet, greife ich es hier im Blog mal als Negativ-Beispiel auf.


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Da der Markt für die Software begrenzt ist, es gibt nur zwei Anbieter. Daher bat mich der Tipp-Geber, anonym bleiben zu dürfen – woran ich mich halte. Ich skizziere aber hier mal, wie abenteuerlich gelegentlich Software für das Jahr 2020 daher kommt.

Die Software 'PC Professional

Die Software, um die es hier geht, nennt sich 'PC Professional Frühjahr 2020' und stammt vom Vogel Verlag (gehört zum Springer Verlag). Der ist schon seit Jahrzehnten ein Spezialanbieter von Software für Fahrschulen. Mit der Software wird wohl der Unterricht in den Fahrschulen gestaltet. Laut Logfiles und Debug-Informationen ist das Programm in Delphi 7 programmiert. Erscheinungsdatum ist das Jahr 2002, und so lange wird die Software im Umfeld des Tipp-Gebers wohl auch schon genutzt. Wie mir der Tipp-Geber mitteilte, gibt es nur noch ein Konkurrenzprodukt in diesem Bereich, die Auswahl ist also nicht allzu groß.

Das Problem: Online-Update

Bisher war es wohl so, das Aktualisierungen der Software per DVD einzuspielen waren. Aber seit einiger Zeit hat der Anbieter auf eine Online-Aktualisierung umgestellt. Der Tipp-Geber, der das Ganze administrativ betreut, schrieb dazu:

Die Software installiert jetzt neuerdings ohne Zustimmung des Benutzers Software. [Der Microsoft] Defender Blockt dies artig. […] Ein Unding. Ich freue mich, wenn man die Updates nicht mehr per DVD einspielen muss, aber ohne Konsequenz und Benachrichtigung über einen Dienst Daten herunterzuladen und installieren zu wollen geht gar nicht.

Dazu später noch einige Erläuterungen. Hier einfach ein Blick auf die möglichen Folgen, wenn ein Dienst ohne Nachfrage Dateien herunterlädt. Ausweislich des nachfolgenden Screenshots vom Mai 2020 hat der Microsoft Defender unter Windows 10 in den automatisch vom Dienst VogelSystemService herunter geladenen Update-Dateien irrtümlich einen Trojaner erkannt.


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Defender blockt Update
(Defender blockt Update, Zum Vergrößern klicken)

Das ist zwar doof, kann aber schon mal vorkommen. Die Konsequenz aus diesem Sachverhalt mit den vom Defender blockierten Dateien: Der Dienst VogelSystemService ist blockiert und das Ganze lastet das System vollständig aus. Hier ein Screenshot mit einer Fehlermeldung beim Registrieren der Assemblies sowie ein zweiter Screenshot des Windows Taskmanager mit ausgelasteten Kernen.

PC Professional Dienst streikt
(PC Professional Dienst streikt)

Taskmanager mit CPU-Auslastung
(Taskmanager mit CPU-Auslastung)

Dazu schreibt der Tipp-Geber: Der PC ist währenddessen im Unterricht nicht mehr nutzbar da der Kampf Programmupdate gegen Defender unaufhörlich läuft. Die Idee wäre, einfach den Dienst VogelSystemService anzuhalten. Die Erfahrung im konkreten Fall: Den Dienst anhalten bringt auch nichts, denn dann läuft das Programm nicht mehr. Das Problem, woran sich der Tipp-Geber stört: Der Dienst beginnt den Download ohne Nachfrage – für den Benutzer gibt es also keine Eingriffsmöglichkeit, um zumindest arbeiten zu können.

Hotline vergibt Termine?

Die nächste Überraschung wartete, als die Aufforderung aus dem Dialogfeld, die Hotline des VogelSystemService zu kontaktieren, versucht wurde. Der Tipp-Geber schrieb mir: Es gab dann 'einen Termin um 12:00 Uhr' – also keine sofortige Reaktion. Die Aussage des Tipp-Gebers:

ich habe nun mit denen telefoniert. War eine technisch sehr – ich sag mal – naive Bearbeitung

Wir machen im Hintergrund ein Update, und es wird dann beim nächsten Programmstart darauf hingewiesen, ob man es durchführen wolle.

Ist natürlich nicht die saubere Lösung – und bei solchen Kollateralschäden ein No-Go. Wäre vor dem Download gefragt worden, ob man das Update durchführen will, hätte sich der Vorgang ablehnen lassen. Das System wäre bis zur Klärung des Sachverhalts wenigstens noch nutzbar gewesen. Aber so beginnt der Dienst VogelSystemService mit seinem (nicht ablehnbaren) Download des Updates, wird vom Defender ausgebremst und legt das System lahm. Etwas, was man als Nutzer eher nicht erleben will – und etwas, was Dienstleister in den Wahnsinn treibt. Von der Presseabteilung des Anbieters hieß es dazu, das dies ein "Testlauf" wäre (der ohne Zustimmung des Nutzers durchgezogen wurde).

Software-Entwicklung Anno 2020?

Der Fall zeigt, mit welch heißer Nadel heutzutage immer noch Software gestrickt wird – und das Entwickler wohl teilweise keinen Schritt über den eigenen Schüsselrand hinaus denken. Anwender friss oder stirb, ist die Devise.

Erinnert mich an mein Steuerprogramm (Steuerspar-Erklärung der Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlagsgesellschaft mbH), welches ich als Freiberufler seit Jahren einsetze. Das Programm funktioniert, aber es stehen mir jedes Mal die Haare zu Berge, wenn Updates auf Nachfrage die Eingabeaufforderung öffnen, um Dateien zu entpacken und zu installieren. Aber es funktioniert und vor der Durchführung von Updates wird gefragt.

Eigentlich finde ich es ja auch genial, dass die Anwendung sich als 'Portabel' auf einem Stick installieren lässt. Ich lasse das Programm dann in einem separaten Verzeichnis auf einer eigenen Partition des Systems einrichten. Bis vor einigen Jahren konnte ich auch angeben, dass die Daten mit in den Programmordner bzw. einen Unterordner gespeichert werden. So konnte man den Stammordner sichern und hatte Programm samt Daten im Griff. Seit einigen Jahren schreibt die Software die Steuerdaten in ihre eigenen Verzeichnisse, egal, ob das Zeugs portabel ist oder nicht. Als ich im Forum des Herstellers diesen Sachverhalt monierte, reagierte man ziemlich verschnupft 'das sei halt so' – keinen Plan, was die Anwender drückt.

Altes Problem, dass die Informatiker die Anwender nicht verstehen können oder wollen, aber meinen die Welt beglücken zu müssen? Diesen Eindruck, den ich in meinen 12 Jahren Industrietätigkeit gesammelt habe, werden durch solche Episoden jedenfalls verstärkt.

PS: Ich nehme mir die Freiheit zu diesem Urteil heraus, da ich neben einem Ingenieurstudium auch einige Jahre Informatik, Mathematik und Wirtschaftswissen an der Fernuniversität Hagen belegt habe. Mir sind die Gedankengänge der Informatiker also nicht gänzlich fremd, gestehe aber, dass ich eher in der Denke eines Ingenieurs, die nah an den Problemen und Sachzwängen der Anwenderschaft agiert, gefangen war und immer noch bin.


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11 Antworten zu Fahrschul-Software 'PC Professional Frühjahr 2020' aus der Gruft?

  1. Ärgere das Böse! sagt:

    "…Altes Problem, dass die Informatiker die Anwender nicht verstehen können oder wollen, aber meinen die Welt beglücken zu müssen?…"
    Kann ich voll bestätigen!
    Von einem Chirurgen hat der Informatiker verlangt, dass sich der Chirurge halt mit Netzwerk-Technik befassen müsse, wenn der Chirurg ein Netzwerk in seiner Praxis habe. Leider ist nie der Fall aufgetreten, dass der Informatiker von genau diesem Chirurgen hätte operiert werden sollen.

    • Gnaeus sagt:

      Eine medizinische Standardeinrichtung wird in aller Regel einen Servicevertrag mit einer entsprechenden Fachfirma (gibt es reichlich) abgeschlossen haben.

      • Dat Bundesferkel sagt:

        Ja, in der Regel sogenannte Consultants mit Wartungsverträgen, wo mäßig ausgebildete Mitarbeiter Systeme warten und auch wirklich nur das tun, was bezahlt wird.
        Sollten Fehler und Probleme vorliegen (bspw. bekannte Inkompabilitäten von Netzwerkkartentreibern auf Hyper-V-Servern), werden diese nicht behoben, wenn es nicht absolut lebensnotwendig ist.
        … immerhin lebt man von den Wartungseinsätzen.

        Woher ich das weiß? Einmal darfst Du raten…

        • Gnaeus sagt:

          Ich nehme an, du bist auf eine derartige Firmierung reingefallen.
          Aber glaube mir, es gibt auch andere.

          • Dat Bundesferkel sagt:

            Ja, das bin ich. Ein Großkunde (Milliardenumsätze) hatte wiederholt technische Probleme mit ihrem MS SQL Server und Redundanzen. Fehler konnte von mir nach diversen Recherchen Und Fehlersuchen auf eben jene Ursache eingekreist und selbst durch Meldungen des Hardwarestellers belegt werden.
            Mir wurde *verboten* den Kunden darüber zu informieren, bzw. diesen Fehler zu beheben, da es einträglicher war, mind. einmal wöchentlich rumzupfuschen auf deren Hyper-V Servern…
            Also der Kundenstamm waren nur selten kleine Gewerbe um die Ecke, sondern wirklich solvente Unternehmen.

            Da sich das bei mehreren Kunden wiederholt hat, gab's von mir nur noch den Stinkefinger. Ich brauche einen Job, bei dem ich mir morgens auch noch in den Spiegel sehen kann.

  2. Dat Bundesferkel sagt:

    Hah… wenn ihr mal richtigen Müll sehen wollt: Produkte von SAGE… am besten das volle Programm und dann mal auf Herz und Nieren prüfen. Ihr fallt da aus allen Wolken, was das für ein Gefrickel ist und was womit verbunden/kombiniert wird.

  3. Gerold sagt:

    Die sind auf Kurzarbeit beim Heinrich Vogel Verlag, entsprechende Laufschrift auf der Website des Verlages, daher wohl auch die schlechte Erreichbarkeit der Hotline.

  4. Steter Tropfen sagt:

    Wenn eine „professionelle" Software schon ein Dialogfeld mit zwei Tippfehlern in einem Satz („Deinst" statt „Dienst" und „1" statt „!") auswirft, dann möchte ich gar nicht wissen, welche Flüchtigkeitsfehler noch drin stecken.

    Fatal. Es spielt offenbar keine Rolle, ob der Markt groß oder klein ist, ob der Hersteller fast konkurrenzlos dasteht oder unter Preisdruck agiert: Das gegenwärtige Wirtschaftsmodell sieht Qualitätsansprüche als veralteten Ballast an und setzt bloß noch auf schnell und profitabel.
    Die Programmierer sehen ihr Produkt nur noch von hinten. Sie werden gar nicht mehr herausgefordert, Code zu schreiben, der nicht bloß funktioniert, sondern auch nutzerfreundlich ist. Dazu würden sie ja auch Kontinuität und Erfahrung brauchen – und nicht die Flexibilität (sprich: Fluktuation), die den Arbeitsmarkt prägt. Die Entwicklungsrichtung wird von Marketingstrategen und Designern vorgegeben, die sich gar nicht dafür interessieren, dass das Produkt nicht bloß verkauft, sondern auch angewendet (!) wird. So wird Dreck zunehmend alternativlos.

  5. 1ST1 sagt:

    Software, die ihre Daten in das Programmverzeichnis legen will, das geht ja mal garnicht mehr. Das ist eigentlich seit Windows 2000 verwerflich, seit Vista eher sogar verboten.

    • GPBurth sagt:

      Ja – wenn das Programm "normal" (also unter %ProgramFiles% bzw. %ProgramFiles(x86)%) installiert ist. Dort sind systemweit installierte Programme, in die ein Normalo-User nichts reinzuschreiben hat. Problem: Windows lenkt das seit einiger Zeit (Vista?) transparent auf virtuelle Verzeichnisse um. Der Benutzer sieht die Dateien am gewünschten Ort – aber eine Kopie nur des Programmverzeichnisses reicht als Backup dennoch nicht aus…

      Nein – wenn das Programm "portabel" installiert ist, also z.B. auf einem USB-Stick oder im Benutzerverzeichnis. Das soll ein anderer Benutzer ja gerade nicht nutzen und wenn ein portables Programm meint, vom USB-Stick startbar zu sein, aber dann (nicht änderbar!) auf C:\ schreiben zu müssen (oder auch in die Registry) ist es mit der Portabilität halt so eine Sache…

  6. Günter, wirf mal einen Blick auf die "Grufties" Mozilla Firefox und Thunderbird oder Google Chrome: in STANDARD-Installation verfährt dieses Drexzeux genauso!

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