Bayrische Behörde klagt gegen Open-Data wegen veröffentlichter Geodaten

ParagraphAktivisten von Open-Data haben Geodaten über eine API gesammelt und dann auf GitHub veröffentlicht. Diese GitHub-Veröffentlichung wurde mehrfach geforkt, liegt also in mehreren Kopien vor. Darauf hin hat das bayerische Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) eine DCMA-Beschwerde gegen diese Veröffentlichung bei GitHub eingereicht und die Datensätze auf GitHub entfernen lassen. Zudem scheint das bayerische Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) gegen einen Aktivisten zu klagen, wobei umstritten ist, ob die Daten überhaupt einem Urheberrecht unterliegen.


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Die Hauskoordinaten des Bundes

Die Hauskoordinaten Deutschland (HK-DE) definieren die genaue räumliche Position von über 21 Mio. adressierten Gebäuden bundesweit, wie man auf dieser Webseite nachlesen kann). Datenquelle ist das Liegenschaftskataster der Länder und somit das amtliche Verzeichnis aller Flurstücke und Gebäude in Deutschland.

Hauskoordinaten des Bundes
Quelle: Screenshot der Behördenseite

Anders als durch Interpolation berechnete oder anderweitig erhobene Daten, beruhen die amtlichen Hauskoordinaten in der Regel auf einer individuellen Vermessung vor Ort. Sie werden durch die Katasterbehörden kontinuierlich aktualisiert. Die Daten stehen für Bundesbehörden im Downloadbereich zur Verfügung. Alle anderen Nutzer wenden sich bitte an die beim Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Bayern eingerichtete Zentrale Stelle Hauskoordinaten und Hausumringe (ZSHH), heißt es weiterhin. Es ist also so, dass der Bund die Daten nur für Behörden unbeschränkt zugänglich macht, Privatleute können die Daten gegen Gebühren abrufen – kennt jeder, der einen Lageplan beim Katasteramt abrufen will. In der Immobilienwirtschaft Tätige können sich kostenpflichtig an bestimmten Portalen anmelden und haben auch auf die Daten Zugriff.

Open Data-Aktivisten ziehen Daten per API ab

Allerdings gibt es Menschen, die die Meinung vertreten, dass diese Daten von Behörden öffentlich für jedermann einsehbar sein sollten. Das Ganze läuft unter dem Begriff Open Data. Als Open Data (aus englisch open data ‚offene Daten') werden Daten bezeichnet, die von jedermann zu jedem Zweck genutzt, weiterverbreitet und weiterverwendet werden dürfen. Einschränkungen der Nutzung sind nur erlaubt, um Ursprung und Offenheit des Wissens zu sichern, beispielsweise durch Nennung des Urhebers oder die Verwendung einer Share-alike-Klausel – so die Wikipedia.


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Blog-Leser Tobias W. hat mich vorige Woche kontaktiert und mich auf einen besonderen Sachverhalt hingewiesen. Aktivisten im Bereich Open Data haben sich dieser Daten der amtlichen Hauskoordinaten bemächtigt. Er schrieb:

Vor einigen Wochen hat ein findiger Bastler herausgefunden, dass man über eine offen zugängliche Schnittstelle die Hauskoordinaten des Bundes abfragen kann. Das Ergebnis seiner automatischen Abfrage hat er auf GitHub öffentlich gemacht. Sein Repository wurde mehrfach geforkt und fehlende Daten von zahlreichen Stellen vervollständigt. Offenbar gab es wohl auch einen Magnet-Link (Bittorrent) zu den Hausumringen (Polgone).

Die Daten wurde also quasi als Open Data zur Verfügung gestellt – gehören ja der Allgemeinheit und sogar noch aufgewertet, denn die Datensätze wurden vervollständigt.

Eine Behörde klagt und reicht DCMA ein

Seitens der Zentrale Stelle Hauskoordinaten und Hausumringe (ZSHH, derzeit bei der bayerischen Landesregierung angesiedelt) wurde daraufhin ein DCMA-Verfahren bei GitHub eingeleitet. Ziel war es, alle diese Daten aus GitHub zu entfernen, auch alle Forks sind betroffen, schrieb mir Tobias.

Der Digital Millennium Copyright Act (DMCA) ist ein Gesetz der Vereinigten Staaten von Amerika, welches der Umsetzung des WIPO-Urheberrechtsvertrags von 1996 in nationales Recht dient, aber laut Wikipedia  über die darin für alle Vertragsstaaten vorgeschriebenen Schutzstandards deutlich hinausgeht. DMCA schafft eine rechtliche Basis für die juristische Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet. Wer eine DCMA-Verletzung anzeigt, kann Inhalte aus dem Internet (hier GitHub) entfernen lassen.

Die DCMA-Eingabe der ZSHH lässt sich auf GitHub einsehen, dort schreibt die Behörde, dass sie diese Beschwerde als Copyright-Owner einreicht (O-Ton: Yes, I am authorized to act on the copyright owner's behalf). Auf der GitHub-Seite erfährt man, dass die Repositories bereits entfernt wurden, nachdem deren Inhaber per Mail darum gebeten wurden. Denn die Leute hätten gegen das Copyright verstoßen. Auf der verlinkten GitHub-Seite mit der DCMA-Beschwerde finden sich die URLs der betreffenden GitHub-Forks. Tobias schrieb weiterhin, dass gegen mindestens einen Ersteller ermittelt werde.

Pikant: Daten eigentlich gemeinfrei

Tobia (er ist m.W. als Geograf ausgebildet) hat mir dann die pikanten Details zugesteckt. Dazu schreibt er folgendes:

Entgegen der Sui-Generis-Rechte (Rechte des Datenbankherstellers usw.) wurde sich bei der Erstveröffentlichung des Datensatzes auf UrhG § 5 (Gemeinfreiheit) bezogen. Die aktuelle Rechtsprechung auf europa- und bundesebene bestätigt jedoch, dass dies für derartige Geodaten nicht gilt. Selbst Daten in gedruckten Karten unterliegen, neben der kartographischen Darstellung an sich, dem Urheberrecht.

Diverse Aktivisten versuchen jetzt das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Aktivist Michael Kreil (@MichaelKreil) hatte vor längerer Zeit die Fahrplan-Daten der DB ohne Genehmigung veröffentlicht, nachdem er die Daten aus der Offline-Auskunft "befreit" hatte. Die Bahn als "halb-öffentliches" Unternehmen stellt die Daten seitdem unter einer freien Lizenz und profitiert vom Input durch die Community. Genau dies versucht Kreil jetzt wohl auch zu erreichen. Tobias schreibt dazu:

In diesem Fall mag es jedoch komplett anders aussehen, da 16 Vermessungs- und Katastergesetze der Länder und die geballte Finanzkraft dahinter stehen.

Mit dem Thema an sich konnte ich nach der Mail von Tobias nicht so sonderlich viel anfangen, habe es also einige Tage absacken lassen. Inzwischen bin ich aber auf nachfolgenden Tweet gestoßen.

Tweet zu Hauskoordinaten des Bundes

Die Kollegen von Golem haben den ergänzenden Artikel Bayerische Behörde klagt gegen Veröffentlichung von Geodaten publiziert. Dieser bereitet den Sachverhalt auf und liefern interessierten Lesern weitere Informationen. So hat die LDBV als Behörde einfach Dummy-Datensätze unter die Bestandsdaten gemischt und konnte so einwandfrei nachweisen, aus welcher Quelle die Daten stammen. Bleibt spannend, wie der Fall ausgeht, denn der dürfte vor Gericht landen.


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4 Antworten zu Bayrische Behörde klagt gegen Open-Data wegen veröffentlichter Geodaten

  1. Armin Weber sagt:

    Die Schweiz ist da mal fortschrittlicher. Die amtlichen Geodaten des Bundesamtes für Landestopografie sind seit einigen Monaten Open Data (swisstopo stellt seine amtlichen Daten und Produkte online kostenlos zur freien Nutzung zur Verfügung stellen,
    Im Kanton, wo ich tätig bin, ist das seit > 10 Jahren so. Amtliche Geodaten werden in der Regel mit Steuergeldern finanziert und sollen deshalb auch entsprechend verfügbar sein.

  2. Marc Harris sagt:

    Der Link zur ZSHH im Artikel des BKI führt zu einer 404 Meldung. ;)
    https://www.adv-online.de/AdV-Produkte/Vertriebsstellen/ZSHH/

  3. Zocker sagt:

    Solche behördlichen Daten sollten eigentlich gemeinfrei sein. Nicht nur, weil sie aus Steuermitteln finanziert wird, auch weil die Bürger davon profitieren können. Als Beispiel sei die OSM genannt, die dadurch profitieren könnte, indem sie genauere Daten erhielte. Man kann das natürlich auch Google und Co überlassen, sollte sich dann aber nicht wundern, wenn man von denen abhängig wird, weil die Konkurrenz nichts hat oder kostenpflichtig ist. Mit der OSM gibt es eine weltweit anerkannte Alternative, die zwar zumindest bei uns bereits einen sehr hohen Detailgrad hat, jedoch immer noch viele Ungenauigkeiten und Lücken wie fehlende Hausnummern hat, was Navigation mit diesen Daten erschwert. Ließen sich die amtlichen Daten in die OSM importieren (ist nicht ganz einfach, weil das mit bereits vorhandenen Daten kollidieren würde), könnte wirklich jeder davon profitieren. In der Slowakei will die OSM-Community übrigens auch so verfahren und neue freie Daten per Skript importieren.

    Auf die Schnelle noch zwei Typos gefunden: "gGegen" und "fbereitet". Zudem sollte es im letzten Absatz "liefert" heißen.

  4. Tobias sagt:

    Ich melde mich auch mal hier zu Wort, habe ja bereits per Twitter Einiges dazu geschrieben.

    Ich habe generell auch den Wunsch, dass amtliche Geobasisdaten unter eine freie Lizenz gestellt werden. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass dies nicht nur für Forschung und Lehre, sondern auch für Wirtschaft und Behörden selbst von Vorteil ist. Es gibt Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die noch nicht mal ein eigenes Schilderkataster haben, weil sie keine entsprechend Software besitzen oder nicht bedienen können. Die Verarbeitung von räumlichen Informationen läuft oft über eine zentrale Stelle (z. B. das Vermessungsamt), ein Austausch von Informationen findet aufgrund fehlender Vernetzung oft nur einseitig statt.

    Ich bin seit 2007 Mitglied des Projekts OpenStreetMap (= OSM) und habe seitdem intensiv den Austausch und die „gemeinsame Schnittstelle" mit Kommunen und Unternehmen gesucht, welche Geodaten erzeugen oder veredeln. Einige haben OSM die Daten mit Freude gespendet, andere beharrten auf seitenlangen Verträgen und wieder andere haben die Daten nur unter Geheimhaltung der Quelle herausgegeben. Bei OSM gab's immer die Prämisse: wenn ein XY die Daten nicht freigeben will, dann wird sie schon irgendwann jemand selbst erfassen. Und so war es in der Regel auch.

    Die Kommunen horten die Daten ja nicht, um uns zu ärgern, sondern es gibt Verordnungen und Gesetze, welche die Daten schützen. Es sind also Entscheidungen von Politikern, die von uns in unserer parlamentarischen Demokratie direkt oder indirekt gewählt wurden. Ich erinnere mich an ein Verkehrsunternehmen (= VU), welches OSM-Daten nutzen wollte, aber ihre eigenen Haltestellenkoordinaten nicht herausgeben konnten, da die Urheberrechte jener Koordinaten bei einem Vermessungsunternehmen lagen. Das VU hatte selbst nur ein einfaches Nutzungsrecht. Das ist natürlich schwierig, da so ein Verkehrsunternehmen oft zur großen Teil in kommunaler Hand liegt. Aber es ist oft Gang und Gäbe, dass sich Vermesser- und Luftbildunternehmen eigene Vertriebsrechte an den Daten sichern.

    Man darf ja auch nicht bedenken, dass die Verarbeitung von Geodaten im privaten Bereich erst seit etwa zehn Jahren wirklich gut funktioniert. Vorher haben Geoinformationssysteme tausende Euro gekostet und haben eher an CAD-Systeme erinnert. Dank freier Software, wie QGIS, PostGIS und GDAL, sowie WebGIS (Leaflet, OpenLayers usw.) hat sich das in den letzten Jahren massiv geändert. Das muss auch erstmal in den Behörden ankommen. Viele Kommunen haben verstanden, dass Bürgerinnen und Bürger nicht nur in verordneten Verfahren partizipieren können, sondern auch bei … bei Geodaten.

    Seitens der Aktivisten wird nun kritisiert, dass die amtlichen Daten durch „halb-öffentliche" Daten verseucht sind. Gemeint sind hier die Postleitzahlen der Deutschen Post AG (= DPAG), die an die amtlichen Daten angespielt sind. Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen, lassen jene Spalten (postalischer Ortsname und postalischer Ortsteilname) im OpenData-Datensatz direkt weg. Die DPAG vertreibt das Nutzungsrecht an den Postleitzahlen ausschließlich selbst. Das Argument ist hierbei, dass die Postleitzahlen ja bereits 1993 erstellt wurden, als die DPAG noch die Deutsche Bundespost war. Hinsichtlich des originalen, „amtlichen" Postleitzahlenbuch gab es bereits einige Urteile, die ich aber gerade nicht zur Hand habe. Ähnlich wie Telefonbücher wurde das originäre PLZ-Buch aber auch im Ausland von Menschen abgetippt und auf CD-ROM vertrieben. Dies war noch vor dem Datenbankschutz und wurde, soweit ich weiß, damals urheberrechtlich geduldet, da der Zugriff auf das Postleitzahlenbuch limitiert war und es noch keine anderen Medien zum Direktzugriff gab. Die Postleitzahlenbereiche sind aber heute nicht mehr die von 1993, sondern ändern sich regelmäßig.

    Die Anreicherung geschieht aus dem Grund, eine postalische Zuordnung zu ermöglichen. Die DPAG hat sich als einziger Universaldienstleister verpflichtet, die gesetzlich geforderte Grundversorgung sicherzustellen. Es ist daher von amtlicher Seite natürlich sinnvoll, auf die permanent gepflegte Datenbank der DPAG zurückzugreifen. Selbst auf dem Personalausweis findet sich die Postleitzahl, da nur so eine eindeutige ladungsfähige Anschrift gewährleistet werden kann. Auch dies ist eine politische Entscheidung, die ihren Weg in die Gesetzgebung gefunden hat. Der Deutschen Telekom AG und DPAG wurden bei der Zerschlagung übrigens auch hunderte Immobilien und Gründstücke geschenkt. Dies ist natürlich auch kritisch zu betrachten, war jedoch politische Entscheidungen.

    Das System, was derzeit in Deutschland vorherrscht, ist durch politische und gesetzgebende Prozesse entstanden. Parteien, wie die Piratenpartei, haben versucht, dies zu verändern. Durch den Personalwechsel, der seit einigen Jahren in den Kommunen vorherrscht, kommt frisches Know-how. Das frische Personal kann mit freier Software umgehen und kennt die Arbeit und den Vorteil von freien Daten. Am Beispiel vieler Bundesländer und Kommunen kann man sehen, dass das ganze funktioniert: Geobasisdaten werden auf kurzem Wege freigegeben, selbst Sekundärdatensätze, wie Bodenrichtwertzonen, sind seit einiger Zeit vermehr verfügbar, die vor einigen Jahren noch hunderte Euro gekostet haben. Der Wechsel kommt, wenn auch langsam.

    Und auch wenn Deutschland die INSPIRE- und vergleichbare Linien in Kürze umsetzen müsste, halte ich es für unethisch, einen geschützten Datensatz nun einfach zu scrapen und zu veröffentlichen, nur weil es finanziell keinem weh tut. Das ist quasi ein Fall von Selbstjustiz.

    Vielleicht diskutieren hier aber nur mein innerer Monk und mein innere Sheldon, die es beide mögen, Verträge aufzusetzen…

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