Deutsche Windräder, der Krieg in der Ukraine und der Ausfall der Satellitenverbindung

Sicherheit (Pexels, allgemeine Nutzung)[English]Es scheint kein Zufall zu sein:  Am 24. Februar 2022 begann die russische Invasion der Ukraine – und an diesem Tag fiel die Satellitenkommunikation für Tausende Windräder in Europa aus. Hintergrund ist, dass die Kommunikation mit dem Satelliten-Netzwerks KA-SAT gestört ist. Die Windräder produzieren zwar noch Strom, können aber nicht mehr remote gesteuert werden. Es deutet vieles auf einen Cyberangriff [auf eine Bodenstation in der Ukraine] hin. Ergänzung: Weil es hier bereits diskutiert wurde – dies ist nur für die Fernwartung der Windräder relevant. Ich habe die Details nachgetragen.


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Windräder ohne Kontakt

Ich hatte es bereits am vergangenen Sonntag, den 27. Februar 2022, bei Golem gelesen. Seit dem Morgen des 24. Februar haben die Betreiber von über 6.000 Windrädern in Europa keine Möglichkeit mehr, remote über das KA-SAT-Satellitennetzwerk auf deren Steuerung mehr zuzugreifen. Diese Zugriffe sind für die Fernwartung Erstattung erforderlich. Aktuell können nur Backup-Lösungen für die Kommunikation genutzt werden. Damit produzieren die Windräder weiterhin Strom mit einer Leistung von 11 Gigawatt.

Das KA-SAT-Satellitennetzwerk

Laut Wikipedia ist Eutelsat KA-SAT 9A ist ein kommerzieller Kommunikationssatellit des französischen Unternehmens Eutelsat, der von der geostationären Position 9° Ost im Ka-Band Breitbandinternet für Europa und den Nahen Osten bereitstellt. Zur besseren Frequenznutzung seiner 237-MHz-Transponder bedient er sich 82 über Europa verteilter Spotbeams, jeder davon mit einer Kapazität von 475 Mb/s.

Der dreiachsenstabilisierte Satellit soll von seiner Position Europa und den Nahen Osten mit Hochgeschwindigkeitsinternet für Eutelsats Tooway-Service versorgen. Davon sind sieben der Spotbeams für die Versorgung von Deutschland vorgesehen.  Der Gesamtdatendurchsatz soll bei über 70 GBit/s liegen, wobei jeder Spotbeam eine Kapazität von 900 MBit/s bereitstellt, die sich in einen Hin- und Rückkanal aufteilen. Für die volle Bandbreite einer Einzelverbindung (20 MBit/s Downlink, 6 MBit/s Uplink) genügt am Boden eine 77-cm-Antenne.

Betrieben wird das Bodennetz von SkyLogic, einer Tochter von Eutelsat, die Satellitendienste liegen beim Anbieter Viasat. Das ist ein amerikanischer Anbieter, der Satelliteninternet für Kunden bereitstellt und laut Handelsblatt wohl 30.000 Satellitenterminals in Europa betreibt. Diese Lösung wird für die in ländlichen Gebieten ohne lokalen Internetanschluss stehenden Windräder verwendet. Das Handelsblatt zitiert den Bundesverband Windenergie, nach dem vom Ausfall der Kommunikation nur die Betreiber betroffen sind, die ihre Anlagen über Lösungen des in Saarbrücken ansässigen Anbieters Euroskypark steuern bzw. warten.


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Ausfall am Morgen des 24. Februar

Der Ausfall fand laut diesem Artikel am 24. Februar 2022 zwischen fünf und sechs Uhr am Morgen statt, wobei sich auf einen inzwischen gelöschten Tweet dieses Benutzers bezogen wird. Interessant ist, warum der Tweet gelöscht wurde – der betreffende Nutzer hat diesen nämlich erneut als Screenshot (schon wieder gelöscht, erinnert mich an meine Twitter-Adobe-Geschichte) veröffentlicht.

In diesem Tweet heißt es, dass die Anlage nicht gehackt worden sei, sondern die Infrastruktur des SAT-Betreibers offline sei. Aktuell teilt Quasiland mit, dass er wohl mit seiner Einschätzung (dass ein Angriff auf die Windenergieanlagen erfolgte sei) zu voreilig war. Golem hat bereits Sonntag einige Informationen des Betreibers des KA-SAT-Diensts veröffentlicht. Viasat teilte seinen Partnern in einer E-Mail folgendes mit:

Dies scheint zunächst mit dem KA-SAT-Dienst in der Ukraine begonnen zu haben und sich anschließend über fast die gesamte KA-SAT-Ausleuchtzone ausgebreitet zu haben. Der Ausfall ist mit einem verdächtigen Ereignis verbunden, das am 24. Februar um 4 Uhr UTC (Weltzeit) begann. Wir analysieren weiterhin unsere Systeme, um die Grundursache zu identifizieren, und ergreifen zusätzliche Netzwerk- und Sicherheitsvorkehrungen, um weitere Auswirkungen zu verhindern.

Aktuell untersuchen Sicherheitsspezialisten den Vorfall. Eine kurzfristige Lösung scheint es nicht zu geben – man geht in Sicherheitskreisen davon aus, dass die Störung mit einem Cyberangriff auf eine Bodenstation in der Ukraine zu tun haben könnte.

Auswirkungen nur auf Fernwartung

Ergänzung: Es wurde in den Kommentaren schon intensiver diskutiert – nein, die Windräder fliegen bei Starkwind jetzt nicht in Fetzen, weil da keiner mehr abschalten kann. Die Ingenieure planen die Anlagen schon so, dass diese autoark geregelt werden und sich ggf. in Segelstellung bringen. Auch gibt es für die Anlagenbetreiber die Möglichkeit, über "andere Kanäle" auf die Sollvorgaben der einzelnen Anlagen zuzugreifen.

Der Aufall des KA-SAT-Diensts hat für die Wartungsfirmen seine Bedeutung. Denn diese verwenden die KA-SAT-Verbindung, um die für diesen Vorgang benötigten Informationen über eine schnellere Verbindung zu übertragen. Jetzt müssen Anlagenbetreiber eine Störung auf anderem Wege melden. Dies geht aus einer Information der Firma enercon vom 1. März 2022 vor, auf die ich nachträglich gestoßen bin. Ich habe den Text mal herausgezogen, bevor dieser gelöscht wird.

Störung der Satellitenverbindung zu Windenergieanlagen

Durch die Störung ist lediglich der Kommunikationskanal des Service zu den Anlagen beeinträchtigt.

Aufgrund einer massiven Störung der Satellitenverbindung in Europa ist derzeit die Fernüberwachung und -steuerung von tausenden ENERCON Windenergieanlagen (WEA) nur eingeschränkt möglich. Betroffen von dem Verbindungsausfall sind seit Donnerstag (24. Februar) insgesamt 5.800 WEA in Zentraleuropa mit einer Gesamtleistung von 11 Gigawatt. Eine Gefahr für die WEA besteht nicht. Die betroffenen WEA befinden sich weiterhin in Betrieb und produzieren saubere erneuerbare Energie. Sie laufen bis zu einer Lösung des Problems im Automatikmodus und können sich grundsätzlich autark und selbstständig regulieren.

Durch die Störung ist lediglich der Kommunikationskanal des Service zu den Anlagen beeinträchtigt. Das heißt, im Falle einer Störung kann ein Reset der Anlage nicht aus der Ferne erfolgen, dies müsste ein Service-Team direkt an der Anlage vornehmen. Die Netzbetreiber haben aber weiterhin uneingeschränkt Zugriff auf die Anlagen, um deren Verhalten im Stromnetz zu steuern – bspw. um die Einspeiseleistung zu drosseln, sollte dies aus Gründen der Netzstabilität notwendig sein.

Ist Ihre WEA von dieser Störung betroffen, sind Sie aufgefordert, Unregelmäßigkeiten und Störungen direkt oder über Ihre Betriebsführung zu melden. Eine SCADA-Überwachung findet derzeit aufgrund der Störung nicht statt! Bitte informieren Sie zudem Ihren Direktvermarkter über den Status der Erreichbarkeit und andere beteiligte Stakeholder, sofern für Ihren Windpark notwendig.

Aufgrund der Beeinträchtigung der kritischen Infrastruktur ist umgehend eine Meldung an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechik (BSI) erfolgt. ENERCON steht mit der Bundesbehörde in engem Kontakt. Gemeinsam mit den verantwortlichen Providern des Satelliten-Kommunikationsnetzwerks wird mit Hochdruck an der Behebung der Störung gearbeitet. Parallel arbeitet ENERCON daran, die betroffenen Betreiber beim Aufbau von alternativen Kommunikationsanbindungen zu unterstützen, um den Fernzugriff schnellstmöglich wiederherzustellen. Sobald Alternativen und Kapazitäten geprüft sind, werden wir Sie unverzüglich informieren und Ihnen diese anbieten. Für die Rückführung werden zudem derzeit Reaktivierungspläne erarbeitet.

Die genaue Ursache der Störung ist noch nicht bekannt. Eine technische Störung auf Seiten ENERCONs wird nach eingehender Überprüfung derzeit jedoch ausgeschlossen. Die Kommunikationsdienste fielen nahezu zeitgleich mit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine aus. Betroffen sind europaweit rund 30.000 Satellitenterminals, die von Unternehmen und Organisationen aus verschiedenen Branchen genutzt werden. Das BSI warnt seit vergangener Woche vor einer erhöhten Bedrohungslage und hat das Nationale IT-Krisenreaktionszentrum aktiviert.

Nachtrag: Es kristallisiert sich heraus, dass es sich um einen gezielten Cyberangriff auf die Infrastruktur war, der von der Ukraine ausging – siehe den Blog-Beitrag Windräder ohne Satellitenzugang Kollateralschaden des Ukraine-Kriegs: Gezielter Hack des Viasat-Satellitennetzwerks.


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13 Antworten zu Deutsche Windräder, der Krieg in der Ukraine und der Ausfall der Satellitenverbindung

  1. Freddy K. sagt:

    > der betreffende Nutzer hat diesen nämlich erneut als Screenshot veröffentlicht.

    Der Screenshot Tweet ist zwischenzeitlich vom Autor gelöscht worden, Begründung:

    > twitter.com/dominikbertrams/status/1498545881485824001

  2. mw sagt:

    "man geht davon aus". Noch ungenauer geht es wohl nicht. Wer ist "man" und wer behauptet das? Bitte Primärquellen zitieren.

  3. Wolf sagt:

    Ein Satellit kann jederzeit ausfallen; fliegt ja genug Weltraum-Schrott mittlerweile da oben herum. Nun ist jedes Windrad mit einer Stromleitung angebunden und man hatte kein Geld gleich eine Telefonleitung mit zu verlegen, um darüber die Windräder zu steuern?

    • Ärgere das Böse! sagt:

      "…und man hatte kein Geld gleich eine Telefonleitung mit zu verlegen, um darüber die Windräder zu steuern?…"
      Man wollte nicht!
      1. wäre das altmodisch gewesen und
      2. hätte es funktioniert.

    • Henry Barson sagt:

      In der Regel stehen die Windkraftspargel ja in Scharen herum, nicht nur eines. Bei dem WKA-Feld in meiner Gegend sind die untereinander mittels 60GHz in einem Mesh-Netzwerk verknotet und dieses mit einer kleinen Kopfstation (sieht aus, wie ein etwas größeres Klohäuschen am Straßenrand), die zwar noch eine Schüssel mit Sende-/Empfangs-LNB dran hat, aber, als der Ort von Deutsche Glasfaser ausgerüstet wurde kostengünstig mit angeschlossen wurde. Die Telekom hätte laut Betreiber ("Großbauer") bei der Errichtung der Anlage angeblich mehr Geld für die Anbindung haben wollen und hätte weniger Datendurchsatz gehabt, allerdings weiß ich jetzt nicht wie viel da über die Leitung geht, Mess- und Steuerdaten?!?

  4. janil sagt:

    Man kann also durchaus von Glück reden, dass momentan eine stabile Wetter Hochdrucklage herrscht und Europa auch momentan von Stürmen, wie in jüngster Vergangenheit verschont bleibt. Mag mir das, was wäre wenn morgen diese vergangenen Y- oder Z-Stürme wieder loslegen würden gar nicht vorstellen. Es könnte dann eine Menge Plastikschrott durch Europa fliegen, denn wenn ich das richtig verstehe bzw. lese, kann nur ein Bruchteil der Windräder ohne Satellitenverbindung abgeschaltet werden.

    • Niels sagt:

      Frage an Menschen die in dem Bereich arbeiten wäre ob die Systeme eine automatische Abschaltung bei zu starkem Wind haben, wäre meine Vermutung, kenne aber niemanden zum Fragen

      • Günter Born sagt:

        Es gab in einem der verlinkten Artikel den Hinweis, dass die Kommunikation wohl redundant ausgelegt sei. Ich interpretiere es mal so: Es gibt wohl noch eine Möglichkeit, die Windräder abzuschalten. Aber die Backup-Kommunikation hat vermutlich nicht die Bandbreite, die man üblicherweise für die Remote-Kontrolle haben möchte.

      • Uwe Bieser sagt:

        Da hier auch die Maschinenrichtlinie greift, muss eine Sicherheitssteuerung eigensicher sein und bei Systemstörungen in einen kontrollierten Zustand übergehen.

    • Henry Barson sagt:

      Also in Segelstellung gehen fast alle WKAs der letzten 10-15 Jahre völlig autonom, natürlich gibt es trotzdem immer wieder Videos von "durchdrehenden" und/oder umknickenden Anlagen, aber da hat halt der Schutzmechanismus versagt, ich würd es jetzt nicht all zu sehr verallgemeinern. Im Gegenteil, so einen Schutz in die Hand eines "manuellen Knöpfchendrückers zu legen" wäre riskanter.

  5. Tobi Gans sagt:

    Jedes Windrad ist naturgemäss mit Kabeln irgendwohin verbunden, wo es seinen Strom loswird.

    Warum die Steuerung des Windrades nicht einfach auch per Kabel entlang dem gleichen Weg konzipiert wurde, sondern über Mesh und/oder SAT mit vielen, vielen extra möglichen Points of Failure, muss man nicht verstehen.

  6. Stefan sagt:

    1. Windenergieanlagen haben mehrere Bremssysteme (mechanisch und aerodynamisch).
    Sie sind für Windgeschwindigkeitsbereiche ausgelegt, z.B. 2-12 m/s
    Wenn der Wind stärker weht, dann schaltet sich die Anlage automatisch ab.

    2. Natürlich könnte man in den Graben für den Netzanschluss (Strom) auch gleich ein Telefonkabel mit rein legen. Das wird auch gemacht, allerdings nur dann, wenn Netzverknüpfungspunkt und der Zugangspunkt für die Kommunikation an der gleichen Stelle sind. In der Regel ist dies aber nicht der Fall.

    So wie einige Nutzer vor mir geschrieben haben, das beides gleichzeitig verlegt werden kann, ist eine sehr romantische Vorstellung und eher realitätsfern.

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