IT-Krise: Russland geht in 2 Monaten der Speicherplatz aus

[English]Die internationalen Sanktionen gegen Russland führen auch zu einem Rückzug der US-Cloud-Anbieter, die russischen Kunden ihre Dienste kündigen. Nun zeichnet sich eine IT-Krise in Russland ab, denn dem Land geht der Speicher für Daten aus. In geschätzt zwei Monaten ist dann Feierabend, die Cloud-Speicherkapazitäten sind dann erschöpft – die russische Regierung sucht im Moment nach Alternativen.


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Im Moment geht in Russland IT-mäßig alles drunter und drüber. International aufgestellte IT-Spezialisten und Knowledge-Worker verlieren ihre Aufträge im Ausland. Kooperationen zur Software-Entwicklung mit westlichen Ländern werden auf Eis gelegt. Ausländische Firmen ziehen sich, auf Grund der international verhängten Sanktionen aus Russland zurück. Auch auch Russland schottet sich internetmäßig mehr und mehr vom internationalen Internet ab (beachtet die in diesem Kommentar verlinkte Analyse).

Die Kollegen von Bleeping Computer haben es in diesem Artikel aufgegriffen. Nachdem sich westliche Cloud-Anbieter aus dem Land zurückgezogen haben, und die Sanktionen greifen, stehen dem Land eine IT-Krise bevor. Nach Angaben des russischen Nachrichtenmagazins Kommersant gehen die Verantwortlichen davon aus, dass sie noch etwa zwei Monate Zeit haben, bevor der verfügbare Speicherplatz und die Server-Kapazitäten erschöpft sind.

Speicherkrise für die IT zeichnet sich ab

Quellen der "Kommersant" zufolge fand am 9. März im Informationsministerium ein Treffen statt, an dem Unternehmen (Sber, MTS, Oxygen, Rostelecom, Atom-Data (eine Rosatom-Tochter), Krok und Yandex) mit großer Rechenkapazität teilnahmen. Die Parteien erörterten die Möglichkeit, dass die Kapazität bei Datenspeichersystemen (DSS) und Servern zur Neige geht und die benötigten Kapazitäten zur Unterstützung der digitalen Ressourcen der Regierung nicht mehr verfügbar sind.

Die Regierung bereitet sich auf eine Verknappung der Rechnerspeicherkapazitäten vor, die bereits in den kommenden Monaten zu Problemen beim Betrieb der staatlichen Informationssysteme führen könnte. Laut "Kommersant" sind die Behörden notfalls bereit, Kapazitäten von kommerziellen Rechenzentren zu kaufen und die IT-Ressourcen von Unternehmen zu übernehmen, die ihren Rückzug aus der Russischen Föderation angekündigt haben.


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Die Betreiber von Rechenzentren betonen, dass sie selbst Hilfe benötigen: Die Preise für Speichersysteme und Server sind um ein Vielfaches gestiegen, die Banken vergeben keine Kredite und die Logistikkette ist gestört. Wenn die Regierung beschließt, den privaten Sektor zu beschneiden, werden nach Ansicht von Experten die Unterhaltungsdienste als erste darunter leiden.

Das Ministerium für Digitales sagt, dass es die Situation vorerst "analysiert". Nach Angaben eines mit der Situation vertrauten Gesprächspartners der "Kommersant" führt die Regierung derzeit eine Bestandsaufnahme der Computerausrüstung in den Rechenzentren durch, um den unterbrechungsfreien Betrieb kritischer Systeme für die Behörden sicherzustellen.

In 2 Monaten ist Schicht im Schacht

"Die Situation ist äußerst ernst, niemand hat damit gerechnet, aber die tatsächliche Kapazität des staatlichen Sektors reicht höchstens für eineinhalb Monate Rechenzentrumsbetrieb", bestätigt ein Gesprächspartner der "Kommersant", der mit den Einzelheiten des Treffens vertraut ist. Er sagt, dass alle föderalen und regionalen Behörden nicht mehr in der Lage waren, Ausrüstung zu kaufen. Laut der Quelle der "Kommersant" wurde bei dem Treffen auch die Idee erörtert, die Serverkapazitäten von Unternehmen zu übernehmen, die ihren Rückzug aus dem russischen Markt angekündigt haben.

Eine Quelle der "Kommersant" aus dem IT-Markt erklärt, dass durch den Weggang ausländischer Cloud-Dienste, die unter anderem von einigen Agenturen genutzt wurden, die Nachfrage nach Serverkapazitäten "sofort gestiegen" sei. Die Situation wird dadurch erschwert, dass die Preise für chinesische Ausrüstungen um ein Vielfaches gestiegen sind, die Logistik gestört ist und die Abnehmer ausländischer Ausrüstungen, die bereits nach Russland importiert wurden, diese in einigen Fällen nicht aus den Lagern abholen können. "Zwei Lastwagenladungen mit Servern eines ausländischen Anbieters sind ins Land gekommen, aber sie weigern sich, sie uns zu übergeben, und berufen sich dabei auf Sanktionen", sagt eine Quelle aus einem großen IT-Unternehmen gegenüber "Kommersant". Ein anderer Gesprächspartner des Kommersant behauptet, dass insbesondere Huawei den Verkauf seiner Geräte in Russland bis zum 26. März ausgesetzt hat. Das Unternehmen hat "Kommersant" auf Anfrage nicht geantwortet.

Beschlagnahme von ausländischer IT?

Das Informationsministerium erklärte gegenüber der Zeitung "Kommersant", es habe mit den staatlichen Behörden und den IT-Unternehmen "Mechanismen erörtert, an die sie vorher nicht gedacht hatten". Das Ministerium fügte hinzu, dass sie bisher keine kritischen Risiken von Kapazitätsengpässen gesehen haben und "zusätzliche Mechanismen zur Verbesserung der Effizienz" einführen würden.

Auf die Frage der "Kommersant", ob die Behörden planten, die Rechenkapazitäten von Unternehmen, die das Land verlassen, zu übernehmen, erklärte das Ministerium, dass es derzeit darum gehe, zu analysieren, wie viel Kapazität möglicherweise freigesetzt werden könne, wenn einige Unternehmen das Land dauerhaft verlassen würden: "Dann können wir über die richtige Wiederverwendung von Ressourcen sprechen." Croc, Sber, Rostelecom, Yandex, Atom-Data und MTS lehnten eine Stellungnahme ab. Selectel und Oxygen reagierten nicht auf die Anfragen des Kommersant.

Die westlichen Sanktionen haben die russischen Behörden bereits gezwungen, die Ausfuhr einer breiten Palette von Elektronik- und Computergeräten aus Russland zu beschränken. Diese Maßnahme soll einerseits ausländische IT-Unternehmen und Ausrüstungshersteller, die ihren Rückzug aus Russland angekündigt haben, am Export ihrer Ausrüstung hindern und andererseits die Verlagerung russischer IT-Unternehmen stoppen.

Nach Angaben von Stanislav Mirin, Berater bei iKS-Consulting, steigt der Bedarf an EDV-Ausrüstung (Server und Datenspeicher) im öffentlichen Sektor um durchschnittlich mehr als 20 % pro Jahr: "Tatsache ist, dass die öffentlichen Dienste eine Menge Ressourcen für die Speicherung benötigen. Jede neue Funktion der öffentlichen Dienste erfordert zusätzliche Kapazitäten. Smart"- oder "Safe City"-Programme sind ebenfalls nachfragefördernd. Als Paradebeispiel nennt der Experte städtische Überwachungskameras, die einen enormen Ressourcenbedarf für die Speicherung und Verarbeitung von Daten haben.

Laut Igor Dorofeev, Leiter der "Association of data center industry participants", werden die Behörden, wenn sie sich beeilen, Kapazitäten von Rechenzentrumsbetreibern zu kaufen, die bereits kommerzielle Unternehmen bedienen, zunächst keine Auswirkungen auf die Nutzer von Dienstleistungen haben: "Wenn sich die Situation mit dem Kapazitätsmangel nicht ändert, werden wir uns zusammenreißen müssen. Höchstwahrscheinlich wird dies zu einem eingeschränkten Betrieb von Unterhaltungsdiensten führen: Cloud-Gaming, Musik- und Videostreaming.

Die Association of Data Center Industry Participants stellt aber fest, dass die Branche selbst dringend auf staatliche Unterstützung angewiesen ist. Zunächst einmal, so Dorofeev, müsse festgestellt werden, ob die Marktteilnehmer im Bereich der Rechenzentren in der Lage sein werden, die von der Regierung angekündigten Vorteile zu erhalten. Das zweite Problem ist der Zugang zu Geld, sagt er: "Die Preise für Ausrüstungen sind in die Höhe geschnellt, die Lieferanten verlangen eine 100-prozentige Vorauszahlung, und die Banken zögern, Kredite zu vergeben. Darlehen zu Vorzugsbedingungen werden jetzt dringend benötigt.

Alles in allem keine rosigen Aussichten für die IT und deren Beschäftigte in Russland. Aktuell reißt deren Regierung wohl alles wirtschaftlich mit in den Abgrund.


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12 Antworten zu IT-Krise: Russland geht in 2 Monaten der Speicherplatz aus

  1. janil sagt:

    Man sieht sich eben immer zweimal…

    Aber Putin ist ein Diktator, wir werden beobachten können, wie weit alles den Bach runter geht.

  2. janil sagt:

    Krieg ist eben kein Computerspiel, in dem, in den meisten Szenarien die Aussicht auf Gewinn besteht…
    Es ist eine unglaublich beschissene Sache mit dem Resultat, das es auf allen Ebenen wirtschaftlich, kulturell, menschlich… die Spirale sich nur abwärts dreht.
    Vom menschlichen Leid… Oh Mann der zweite Weltkrieg ist sehr weit aus dem Bewusstsein der zivilisierten, westlichen Länder gerückt. Konsum- und Ich-Gesellschaft eben… Mein Haus, mein Auto, mein Boot, meine Frau…
    Die Russen werden die Server von den LKW's holen. Eine andere Wahl haben sie gar nicht. Unter Hitler nannte sich das, glaube ich, Kriegswirtschaft…

    Sorry, musste das mal loswerden.

    • Jens sagt:

      "(…) der zweite Weltkrieg ist sehr weit aus dem Bewusstsein der zivilisierten, westlichen Länder gerückt (…)"

      Ich habe eher den Eindruck, der zweite Weltkrieg ist aus dem Bewusstsein eines offenbar nicht ganz so zivilisierten östlichen Landes gerückt …

      • Tyramizou sagt:

        Naja, in Deutschland sollte man nicht so nach vorne preschen, wenn es um das Bewusstsein bzgl. dem WWII geht… immerhin hat Deutschland wieder Nazis in der Politik. Und nicht nur in Deutschland haben Rechtsradikale wieder sehr viel Zulauf.
        Das scheint aus vielen Köpfen verschwunden zu sein.

        aber zurück zum Thema…

        • Martin sagt:

          > immerhin hat Deutschland wieder Nazis in der Politik. Und nicht nur in Deutschland haben Rechtsradikale wieder sehr viel Zulauf.

          In Russland gibt es davon viel mehr und einer davon ist dort Präsident und ist für das Problem mit verantwortlich, denn er will das so und tut schon lange alles dafür. Paradoxerweise hat er gegen die Ukraine einen Krieg angefangen, weil er sie von angeblichen "Nazis" befreien will. Er führt also Krieg gegen seine eigene Ideologie.

  3. Günter Born sagt:

    Eine Bitte an die Kommentatoren: Bitte unterlasst Texte in Richtung politische Würdigung des aktuellen Russland-Ukraine-Konflikts mit Verweis auf WK II etc. – ist ja bereits bei anderen Blog-Beiträgen thematisiert worden.

    In obigem Beitrag ging es mir darum, aufzuzeigen, welche Folgen der Konflikt für die IT-Kollegen in Russland hat. Und es sollte – habe es nicht explizit thematisiert – auch ein Fingerzeig in Sachen "Cloud ist unsere neue Hoffnung" werden. Mancher mag sich noch an die Präsidentschaft Donald Trumps erinnern – wenn da ein "Cloud Act" käme, der US-Unternehmen verbietet, in der EU ihre Leistungen anzubieten, weil die Europäer nicht wie erwartete spuren (nichts ist undenkbar), gingen hier genau so die Lichter aus. Gaia scheint ja als Papiertiger zu landen. Ich gebe keine Prognosen für den Ausgang der US-Wahl 2024 ab.

    Bezüglich der Schweiz ein Hinweis an meine Leserschaft aus dieser Ecke: Da sieht es auch nicht besser aus – siehe meinen Artikel Die Schweiz lässt ihre staatlichen Daten in China und den USA speichern.

    Ich bin ja scheinbar aus der Zeit gefallen – und vor über 28 Jahren aus der Industrie ausgestiegen. Aber seinerzeit ging es bei allen Entscheidungen immer noch darum, nicht abhängig von einem Hersteller zu werden. Scheinbar ist das verloren gegangen und die MBAs haben das Zepter im Management übernommen. Fällt uns jetzt (auch) IT-mäßig auf die Füße.

    • Jens sagt:

      Die Schweiz hat ja immerhin noch mount10.ch bzw. mount10.com ;-)

    • T Sommer sagt:

      Naja, soweit ich mich erinnern kann begann auch in den 90er Jahren gesteuert durch "Controlling" der Boom, alles was man im Ausland billiger bekommen kann zu verlagern. Neben Lohnkosten konnte man die Lieferanten vertraglich dazu bringen "Just-In-Time" nach Deutschland ans Fließband zu liefern.
      Einige Firmen (Siemens, Infineon) verlagerten damals gleich alles in den Fernen Osten. Und unsere Politik hat das dann gleichgezogen und sind mit Erdgas und Öl gut Abgesichert. Der Ansatz mit Strategischen Partnerschaften funktioniert aber nur, wenn alle gleich "Ticken".
      Seit Corona jammert man dann bezüglich Teilemangel und/oder Produziert nur noch hochpreisige Güter für den Verkauf. Alleine Drucker (!) sind teilweise bei den Distributionen schon auf 2023 (!) verschoben und die EK Preise (HP) haben teilweise hier um 30 Euro angezogen.
      Und so fällt auch bei uns das eine oder adere früher oder später wieder auf die Füße. Da wird auch "krampfhaft" Versucht alternative Rückzug- bzw. Liefermöglichkeiten zu finden – die am Ende die Brühe teuer manchen als die Suppe bei vorausschauender Planung eigentlich wert ist.

      Auch die Cloud ist nicht unendlich – und wenn der Speicher nicht reicht, kann man ja auch noch löschen was man nicht braucht … Musik Streamen – das passt nicht so ganz in das Weltbild des Zaren – da wird getanzt und musiziert – nix streaming! ….(Ironie Modus oFF)

  4. deoroller sagt:

    China kann Russland locker mit versorgen, aber solange die privaten Unternehmen nicht vom Staat dazu gezwungen werden, schränken sie auch ein, weil es ein Verlustgeschäft ist. Noch größer ist die Angst vor Export von Technik, die auf der Sanktionsliste steht. Sonst kriegen plötzlich alle chinesischen Firmen Ärger auf dem Weltmarkt. Den Weltmarkt werden sie nicht für Russland aufgeben.

    • 1ST1 sagt:

      Wenn China Russland mit allem "lebensnotwendigen" versogen wollte, würde das sicher zu Sanktionen gegen jene chinischen Unternehmen führen, die da Handel betreiben. Huawei hat ja schon entsprechend reagiert, wie man oben lesen kann, und den Handel mit Russland vorerst ausgesetzt, Huawei weiß ja schon genau, was Sanktionen bedeuten. Wie du schon geschrieben hast: Den Weltmarkt werden sie nicht für Russland aufgeben.

      Putin wird sicher gerade wegen dieser für ihn unerwarteten Probleme toben. Heutzutage in der globalisierten Welt einen Krieg zu führen, ist wohl nicht mehr so einfach, als wie einfach ein paar (unmotivierte) Soldaten über die Grenze zu schicken. Auch – und gerade China – muss sich das auch verdeutlichen.

  5. Свобода для України sagt:

    Das Thema, was zum einen diese Situation begünstigt hat, ist enorm komplex
    und fängt im Grunde mit einem Gesetz von Bill Clinton an!
    In Stichpunkten der Ablauf!
    Freigabe der Begrenzung zur Eindämmung von Spekulationen von Rohstoffen!
    Explodierende Preise von Rohstoffen und
    der darauf folgende "Arabische Frühling"
    welcher dann wiederum zu Preissteigerungen von unter anderem Öl verursachte.
    Dies spülte wiederum Unmengen von Devisen in die Kriegskassen so mancher Wahnsinniger!
    Jemen versus arabische Welt.
    Als dann hätten wir noch den verhinderten Sturz eines Despoten in Syrien.
    Und als es dann hieß, im Osten der Ukraine seien Erdgas und Erdölvorkommen gefunden worden,
    sah der Irre in Moskau seine Felle davon schwimmen.
    Er dachte ja, mithilfe von "Energie" den Westen erpressen zu können.
    Wäre die Ukraine der NATO beigetreten, wäre dieses Kartenhaus sofort zusammen gestützt!
    Aber auch wenn dem nicht so ist, zeichnet sich ab, dass der Depp sich verkalkuliert hat!

    Und anstatt dass der Elon Musk Putin zu einem Zweikampf herausfordert, sollte der lieben ein Milliardenkopfgeld auf der Irren aussetzen!

  6. Ferdi Bogner sagt:

    4,5 Monate nach diesen ominösen 2 Monate tut sich da wohl noch immer nichts?

    Speichern die ihre Daten jetzt auf die alten Schallplatten? Oder wurden 2 Monate mit 2 Jahre verwechselt?

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