BSI-Präsident Arne Schönbohm zum 18.10.2022 freigestellt

Am Ende des Tages war das Ganze doch wohl zu viel: Gerade läuft in den Medien der Ticker, dass der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vom Bundesinnenministerium zum 18. Oktober 2022 freigestellt worden sei. Zudem werden ein Disziplinarverfahren gegen Arne Schönbohm eingeleitet. Es geht dabei um die Verbindung zum Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. sowie deren Rolle der Russenfirma Protelion, die deutschen Kritis-Unternehmen Sicherheitslösungen anbieten durfte. Ergänzung: Arne Schönbohm hat vor Gericht Klage gegen seine Freistellung eingereicht, um die Vorwürfe klären zu lassen.


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Blog-Leser Martin W. hat mich eben per Mail auf das Thema hingewiesen und ich habe es gerade hier gelesen. Unter Bezug auf Informationen aus dem Bundesinnenministerium (BMI) wurde Arne Schönbohm, der bisherige Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit sofortiger Wirkung freigestellt, schreibt Spiegel Online. Zudem werde ein Disziplinarverfahren gegen Schönbohm eingeleitet. Bei nt-tv gibt es hier eine ähnliche Meldung, wobei man sich auf einem "Sprecher des Innenministeriums" von SPD-Frau Nancy Faser bezieht.

Eine Begründung für diesen Schritt wurde bisher nicht genannt. Dienstrechtlich ist diese Freistellung ja möglich, da der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ein Beamter und die Innenministerin der "Dienstherr" ist.

Der Schritt zeichnete sich ab

Es ist zwar ohne Begründung des BMI etwas spekulativ, aber der Schritt zur Abberufung zeichnete sich ab. Im Blog-Beitrag Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., Russenfirma Protelion und der BSI-Chef Arne Schönbohm hatte ich über einen veritablen Fail berichtet. Hintergrund war die Sendung Sicherheitsrisiko Cyberclown mit dem Titel "Wie eine russische Firma ungestört Deutschland hackt" von ZDF Royale mit Jan Böhmermann.


(Quelle: YouTube)


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Dort wurde aufgezeigt, dass die "deutsche" Sicherheitsfirma Protelion GmbH in Wahrheit eine Ausgründung der russischen Firma infotecs ist. Zur Firma infotecs heißt es: "Die Firma wurde 1991 von Andrey Chapchev gegründet, […] der ein Jahrzehnt in der Forschungsabteilung des KGB verbracht hat". Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sollten russische Anbieter im IT-Bereich mit Vorsicht betrachtet werden. Aber die vormals unter Infotecs in Deutschland operierende Firma konnte sich im Frühjahr 2022 problemlos in Protelion GmbH umfirmieren.

Aber es geht noch einen Tick weiter: Seit 2012 gibt es den von Arne Schönbohm mit gegründeten Version Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., der als Lobby-Organisation betrachtet wird. Arne Schönbohm legte den Vorsitz bei diesem Verein zwar mit Antritt als BSI-Präsident nieder, pflegte aber weiterhin Kontakte. Und dies, obwohl er Mitarbeiter angewiesen hatte, Distanz zum Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. zu halten. Zum 10 jährigen Bestehen des Vereins trat Arne Schönbohm bei diesem Verein noch als Redner auf, wobei sich der BSI-Mann diese Rede von einem Staatssekretär des Bundesinnenministeriums genehmigen ließ.

Zum Skandal entwickelte sich das Ganze, als durch das Recherchenetzwerke "Policy Networks Analytics" in der oben erwähnten Sendung von Jan Böhmermann bekannt wurde, dass die in russischem Besitz befindliche Sicherheitsfirma Protelion GmbH Mitglied im Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. war. So richtig neu waren diese Erkenntnisse nicht, da frühere Beiträge in politischen Magazinen die Verflechtungen der Firma infotecs mit Russland bereits offen legten. Das ARD-Magazin Kontraste berichtete im Juni 2019 über Verbindungen des u. a. von Schönbohm gegründeten Vereins zu staatlichen Vereinigungen und Organisationen Russlands. Neu war im Kontext der Böhmermann Sendung aber die Mitgliedschaft der Firma Protelion GmbH in der Lobby-Organisation Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.  Und die politische Bewertung solcher Verflechtungen hat sich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wohl geändert.

Diese Mitgliedschaft von Protelion im Verein wurde zwar nach Bekanntwerden des Sachverhalts am 10. Oktober 2022 beendet. Aber die Geschichte hatte da schon Fahrt aufgenommen. Die Tage wurde zudem bekannt, dass der Bundesverfassungsschutz Kunden von infotecs / Protelion explizit vor dem Einsatz von deren Sicherheitssoftware ViPNet gewarnt hatten. Basis waren Erkenntnisse von US-Geheimdiensten. Ich hatte im Blog-Beitrag Stunk zwischen BSI und BMI: Schönbohm, der Verfassungsschutz und der Cyber-Sicherheitsrat auf diverse Entwicklungen und Erkenntnisse hingewiesen.

Verfolgt man die Entwicklung und schaut man sich den Sachverhalt an, scheint eine Kombination aus "Blauäugigkeit" und "nichts hören, nichts sehen, nichts sagen" zu diesen Verstrickungen geführt zu haben. Der TV-Beitrag von ZDF-Royale war dann der Funke, der das "Fass zur Explosion" brachte. Bleibt jetzt spannend, was mit Arne Schönbohm, gerade mal 53 Jahre alt, jetzt passiert. Laut diesem Spiegel Online-Bericht hat der BSI-Chef Schönbohm selbst die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich beantragt. Zitat von Schönbohm:

Da es keine Rückmeldung gab zu den Vorwürfen, habe ich am Montag selbst gebeten, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um den Sachverhalt zu klären. Mir ist bislang nicht bekannt, was das Ministerium geprüft hat und wie die konkreten Vorwürfe gegen mich aussehen

Dort sollen dann die Vorwürfe im Rahmen des Disziplinarverfahrens geklärt werden, Ausgang offen.

Klage vor Gericht eingereicht

Ergänzung: Der gesamte Fall entwickelt sich zu einer verzwickten Sache. Einerseits scheint der BSI-Präsident ungeschickt in Sachen Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. agiert zu haben. Andererseits wurde das von Schönbohm beim Dienstherrn beantragte Disziplinarverfahren wohl nicht eingeleitet. Vielmehr hängt der BSI-Präsident zwischen den Stühlen. Er ist weiter BSI-Präsident, ihm sind aber von der Innenministerin die Dienstgeschäfte untersagt worden (ich hatte im Beitrag Affäre Arne Schönbohm (BSI), es wird grotesk berichtet).

Arne Schönbohm hat inzwischen vor Gericht Klage gegen seine Freistellung eingereicht, um die Vorwürfe klären zu lassen. Das Gericht bestätigte am Freitag, den 4. November 2022, den Eingang der Klage und dem Innenministerium zwei Wochen Zeit für eine Stellungnahme gegeben. Details lassen sich in diesem heise-Artikel nachlesen.

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11 Antworten zu BSI-Präsident Arne Schönbohm zum 18.10.2022 freigestellt

  1. A. Nonym sagt:

    Es ist ein sehr grundsätzliches Problem: Eigentlich müsste alle an der Software-Entwicklung und -Einsatz Beteilgten sicherheits-überprüft werden. Auch wenn Teile der Entwicklung z.B. nach Indien etc ausgelagert werden, könnte das kritisch sein. Gegen gut gemachte Hintertüren hilft ein Analyse nur bedingt.

    Aber diesem Anspruch werden auch die Amerikaner nicht gerecht.

  2. McAlex777 sagt:

    Der Nachfolger wird möglicherweise auf Trojanereinsatz und Vorratsdatenspeicherung stehen.

  3. Herr IngoW sagt:

    Schönbohm wird leider nur freigestellt also bekommt weiter Geld fürs Nichtstun.
    Hatte ich heute Nachmittag schon hier geschrieben.

    • Günter Born sagt:

      Zum "leider": Da mache ich ein Fragezeichen dran. Ich schrieb ja, dass er ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst ins Spiel gebracht hat. Dort wird geklärt, ob er so gravierend gegen das Beamtenrecht verstoßen hat, dass der Dienstherr den Status als Beamter aufheben kann. Bis dahin muss auch für Schönbohm die "Unschuldsvermutung" gelten. Ist in der Wirtschaft auch bei Freistellungen so – und bei Kündigungsschutzprozessen, wo der Kündigungsgrund unwirksam war, wird es dann auch teuer.

    • Luzifer sagt:

      der ist doch nur ein Bauernopfer! Unsere Innenministerin wusste ja schließlich Bescheid, warum nimmt sie nicht ihren Hut?

      Da wird auf dem Mann rumgehackt (sicher er ist nicht unschuldig)während der eigentliche Skandal untergeht, kennen wir aber ja auch vom Wirecard Skandal der eine wird von Interpol gesucht während die anderen sehr hohe Ämter bekleiden oder in Ehren verabschiedet wurden… Justizia ist da tatsächlich blind, leider nicht im guten Sinne!

  4. Gert sagt:

    Das ist alle so undurchsichtig was nicht nur da abgeht

  5. Markus sagt:

    Müsste dann nicht auch das BSI vor dem Einsatz der Protelion Software warnen, wenn es dies auch mit der Software von Kaspersky getan hat ? Das wäre doch konsequent, oder ?

    • Luzifer sagt:

      nicht nur konsequent sondern korrekt! Im Gegensatz zu Kaspersky gibt es da schließlich eindeutige Verbindungen und nicht nur Vermutungen und hätte könnte!

  6. dekre sagt:

    Das ist alles sehr sehr merkwürdig und da erscheinen mal wieder die Ereigniss in der Vergangenheit heute aus einer anderen Sicht.

    In MV mit Nordstrem (Regierung von MV- Bundesland der BRD); das BSI beim Ministerum der BRD). Das ist das was gegenwärtig offziell ist. Es geht aber noch tiefer. Man muss mal im Bundesland Sachsen mal richtig recherchieren. Die die schon als Politiker von SPD, CDU etc in anderen Fällen zurückgetreten sind, sind ja nur "zurückgetreten". Man darf sich nicht wundern, wenn nun Verfassungschutz (war ja bei Schönbohm auch mit dabei) und BND von Russen verseucht sind.

    Es ist keinem zu trauen! Wie haben Krieg und die Politik und keiner will es tatsächlich wahr haben. Es ist so. Es gibt Egenen und Gegner strickt zu trennen. Die Wattebällchen hat schon die Bundesregierung und die Ministerien alle aufgekauft.

  7. Alexander Majer-Wendelstein sagt:

    Schönbohm wurde wegen informeller Kontakte nach Russland freigestellt und wird mit Sicherheit auch noch gefeuert werden. Im derzeit russophoben Deutschland sind Kontakte nach Russland ein Kapitalverbrechen.

    • Mirco Buck sagt:

      Wenn der Chef vom BSI informelle Kontakte zu Russland hat und Russland Deutschland somit unterwandert, dann ist das tatsächlich ein Kapitalverbrechen.

      Wenn du deinem Kumpel in Russland eine Nachricht schickst, dann ist das kein Verbrechen.

      Differenzieren, Reflektieren und dann nachdenken.

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