Neues zum BSI-Fall Arne Schönbohm, Böhmermann-Bericht stört Geheimdienstoperation

Die Geschichte um die "Kaltstellung" des BSI-Präsidenten, Arne Schönbohm, durch das Bundesinnenministerium (BMI) ist um eine weitere Volte reicher. Neuesten Berichten zufolge störte die TV-Sendung von Jan Böhmermann über die Verwicklungen zwischen dem BSI-Chef Schönbohm, dem Lobby-Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. und der im russischen Besitz befindlichen Sicherheitsfirma Protelion GmbH  eine Geheimdienstoperation des Bundesnachrichtendiensts (BND).


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Was bisher bekannt war

Mit der ZDF Royale-Sendung Sicherheitsrisiko Cyberclown mit dem Titel "Wie eine russische Firma ungestört Deutschland hackt" scheint deren Moderator Jan Böhmermann in ein Wespennest gestochen zu haben. Der Kern der Aussage: Es gibt einen Lobby-Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., der 2012 vom BSI-Chef Arne Schönbohm mitbegründet wurde. Mit dem Antritt beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als deren Präsident schied Arne Schönbohm aus dem Vorstand des Vereins aus.

Mitglied des Vereins Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. war (bis Oktober 2022, als die Mitgliedschaft nach den Berichten ausgesetzt wurde) auch eine Sicherheitsfirma Protelion GmbH – die vormals wohl als Infotecs Internet Security Software GmbH firmierte, aber vor nicht so langer Zeit in Protelion umbenannt wurde. Die Infotecs Internet Security Software GmbH ist aber ein deutscher Ableger der russischen Firma infotecs, die von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Geheimdiensts KGB gegründet wurde. Die deutsche Protelion GmbH bot ihre Software ViPNet in Deutschland an – wobei auch Unternehmen für kritische Infrastruktur zu den Kunden zählen sollen.

Die Sachverhalte waren wohl seit 2019 bekannt und der Bundesnachrichtendienst warnte Firmen vor Produkten dieser Firma, nachdem ein US-Geheimdienst 2017 auf den Zusammenhang mit Russland hinwies. Es gab zudem Anweisungen des Bundesinnenministeriums und des BSI, dass die Mitarbeiter dieser Häuser Abstand vom Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. wahren sollten.

Zum 10 jährigen Bestehen des Vereins trat Arne Schönbohm bei diesem Verein noch als Redner auf, wobei sich der BSI-Mann diese Rede von einem Staatssekretär des Bundesinnenministeriums genehmigen ließ. Mit der Sendung Sicherheitsrisiko Cyberclown mit dem Titel "Wie eine russische Firma ungestört Deutschland hackt" von ZDF Royale mit Jan Böhmermann kochte die Sache hoch – obwohl die Sachverhalte seit 2019 bekannt waren.


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In Folge hieß es, dass das Vertrauen zwischen Arne Schönbohm und der Bundesinnenministerin, Nancy Faser, gestört sei und das BMI den BSI-Präsidenten freistellen werde. Unklar ist aber, auf welcher Sachgrundlage sich diese Freistellung begründet, zumal Vertreter des BMI keine konkreten Gründe vor dem kontrollierenden Innenausschuss des Bundestages offenlegten. Aktuell ist mein Informationsstand, dass der BSI-Präsident weiter auf seinem Posten ist, ihm aber die Amtsgeschäfte untersagt sind (siehe Affäre Arne Schönbohm (BSI), es wird grotesk).

Gestörte Geheimdienstoperation der Auslöser?

Das interessante an der gesamten Casa Arne Schönbohm ist, dass Informationen nur Bruchstück-weise an die Öffentlichkeit kommen. Das ließ Raum für Spekulationen und die Vermutung, dass da mehr als öffentlich bekannt dahinter steckt. Ich hatte es nicht gelesen, weil ein Spiegel Online-Artikel mit dem Tenor "Was wirklich hinter der Entlassung von BSI-Präsident Arne Schönbohm steckt" hinter einer Paywall steckt.

Arne Schönbohm: Böhmermann-Bericht stört Geheimdienstoperation

Aber Medien wie heise oder Golem (siehe obiger Tweet) berichten, dass der TV-Bericht von Jan Böhmermann über die Verflechtungen zwischen Protelion, dem Cybersicherheitsrat Deutschland e.V. und dem BSI-Chef Arne Schönbohm eine Geheimdienstoperation des Bundesnachrichtendiestes (BND) gestört habe. Der BND wirft den Berichten zufolge dem heutigen Vorstand des Vereins  Cybersicherheitsrat Deutschland e.V., Hans-Wilhelm Dünn, "eine unkritische Nähe zu Russland und eltsame Kooperationen mit russischen Ex-Geheimdienstlern vor".

In den Presseberichten heißt es, dass der Vereinsvorsitzenden Dünn des Cybersicherheitsrat Deutschland e.V. eine weitere Person "aus dem Vereinsumfeld" in den Fokus von BND und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gerieten. Der Verfassungsschutz soll den Vereinsvorsitzenden Dünn und eine zweite Person überwacht haben. Es wird auch berichtet, dass Telefonate zwischen Dünn und Schönbohm, die wohl private Kontakte pflegten, abgehört wurden (siehe auch Stunk zwischen BSI und BMI: Schönbohm, der Verfassungsschutz und der Cyber-Sicherheitsrat). Arne Schönbohm wurde über diese Überwachung nicht informiert.

heise schreibt hier, dass die Überwachungsoperation des Umfelds des Vereins Cybersicherheitsrat Deutschland e.V. und der Protelion GmbH durch die deutschen Geheimdienste unter dem Codenamen "Operation Steinbeis" geführt wurde. Diese Operation sei so ergiebig gewesen, dass sie drei Mal verlängert wurde. Erst die TV-Sendung von Böhmermann brachte das Ganze medial so in die Öffentlichkeit, dass die Geheimdienste "alles andere als glücklich gewesen seien". Das Bundesinnenministerium sah sich wohl veranlasst, die Reißleine in Sachen "BSI-Präsident Arne Schönbohm" zu ziehen. Aus dieser Sicht irgendwie nachvollziehbar.

Zum Problem wird dies, weil dem BSI-Präsidenten Schönbohm nichts von diesen Sachverhalten mitgeteilt wurde. Das führt zur Situation, dass der BSI-Präsident nicht freigestellt werden konnte, ihm aber die Amtsgeschäfte untersagt wurden (siehe Affäre Arne Schönbohm (BSI), es wird grotesk). Nun sucht das Innenministerium eine Anschlussverwendung für Herrn Schönbohm, und die Geheimdienste stehen nun vor dem Dilemma, dass die Aufklärung im Umfeld Umfelds des Vereins Cybersicherheitsrat Deutschland e.V. und der Protelion GmbH wohl geplatzt ist.

Würde mich nicht wundern, wenn der Verein irgendwann aufgelöst wird – denn die Mitglieder (Bundesministerium für Gesundheit, der Deutsche Feuerwerkverband, die Gewerkschaft der Polizei, oder Firmen wie die Commerzbank, die Deutsche Vermögensberatung, e-on, oder auch Bayer etc.) müssten mit dem Klammerbeutel gepudert sein, sich weiter in diesem Dunstkreis bewegen zu wollen.

Unter dem Strich sieht es so aus, als ob da einige Protagonisten jahrelang sehr unkritisch und blauäugig unterwegs waren (kennt man auch aus anderen Politik-Feldern), und den Beteiligten die Geschichte jetzt um die Ohren fliegt. Der BSI-Präsident Arne Schönbohm ist dabei unfreiwillig, möglicherweise blauäugig oder sehenden Auges zwischen alle Stühle geraten. Mal schauen, wie die Geschichte weiter geht – wie hatte ich den ersten Artikel zur Causa Schönbohm (Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V., Russenfirma Protelion und der BSI-Chef Arne Schönbohm) eingeleitet:

Wie schreibt Fefe: "Wer schöne Verschwörungslinks für mich hat: …" – der Fall "Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V." und der Fall des BSI-Chefs, Arne Schönbohm, würde wunderbar in diese Kiste "Verschwörungslinks" passen.

Ergänzung: Die Kollegen von heise haben einen (imho) ganz lesens- und bedenkenswerten Artikel Affäre um Infotecs und das BSI: Faesers fehlende Antworten zu diesem Fall veröffentlicht.

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8 Antworten zu Neues zum BSI-Fall Arne Schönbohm, Böhmermann-Bericht stört Geheimdienstoperation

  1. Mario N. sagt:

    "Unter dem Strich sieht es so aus, als ob da einige Protagonisten jahrelang sehr unkritisch und blauäugig unterwegs waren"

    unter dem Strich sieht es so aus, als ob die Behörden doch nicht so blauäugig waren wie vermutet und Böhmermann die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden sabotiert hat mit seinem Bericht.

    • Markus Schwarz sagt:

      da sind wir doch mal froh, dass es der geheimdienst schafft, auch wirklich so geheim zu arbeiten, dass es journalisten nicht gleich rausbekommen und wir gleichzeitig merken, dass die systemmedien irgendwie doch ohne direkte kontrolle der bundesregierung senden können!

    • Andy sagt:

      Zu "Böhmermann die Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden sabotiert" möchte ich anmerken, dass Sabotage eine planmäßige Störung wäre. Das wäre also ein sehr weitreichender Vorwurf. Die Einlassung klingt auch ziemlich aggressiv.

      • 1ST1 sagt:

        Man kann auch was versehentlich oder unwissentlich sabotieren.

        • Andy sagt:

          "Man kann auch was versehentlich oder unwissentlich sabotieren."
          Nein, Sabotage setzt Absicht voraus. Es ist der dedizierte Zweck des Begriffs, eine absichtliche Störung zu bezeichnen. Sonst ist es eine Störung, man ist z.B. Störer, nicht aber Saboteur.
          Die Begriffsbedeutung habe ich mal sehr genau abklopfen lassen, weil ich mich diesem Vorwurf auch schon mal ausgesetzt sah. Das waren noch ein paar Begriffe mehr, halt ein wütender Vorgesetzter, im Sinne von "er wütete". Aber, das ist eine andere Geschichte.

  2. Paul sagt:

    Wenn er das saboriert haben soll, muß er ja gewußt haben in welches Wespennest er und sein Team da stochert.
    Woher sollte er das wissen?
    Es war doch einer Geheimdienst-Operation.
    Ging es vielleicht um Doppel-Agenten?
    So konnte der BND/BKA ihm ja nicht nahelegen das nicht weiter zu verfolgen?
    Oder haben die das erst bemerkt als es gesendet wurde? Wäre wohl peinlich..

    Total unprofessionell war ja der Aufkleber auf der Klingel. Den konnte ja jeder angebracht haben.
    Aber das oben auch noch eine Klingel mit Bundeswehr beschriftet war war schon seltsam..
    Und das man nach der Sendung das Klingelschild abgeschliffen hatte aber den Verweis Aufkleber nicht?

  3. Paul sagt:

    Die letzte Sendung war eine reine lala-Sendung.
    Böhmermann hat nur die Interpreten angesagt und es war nicht klar, ob das getrennt aufgezeichnete Gigs waren…

  4. Mirco Buck sagt:

    …seit 2019 bekannt und dennoch nicht gehandelt…das ist typisch deutsch.

    In Deutschland kann ja auch jahrelang der Chef vom Verfassungsschutz Berichte über die verfassungsfeindliche Partei NSAfD beschönigen, damit ja nichts auffällt – und NICHTS passiert.
    In Deutschland wird man ja dann nur wegversetzt.

    Dieses Land ist nicht nur korrupt bis in die Haarspitzen, es ist auch komplett inkompetent und kann nicht zu den eigenen Fehlern stehen.

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