Der Schuss ging für einen Abmahnanwalt ziemlich nach hinten los. Nachdem bereits die Strafverfolger gegen eine Abmahnanwalt und seinen Mandanten wegen mutmaßlich rechtsmissbräuchlicher Massenabmahnungen von Google Fonts gegen Webseiten-Betreiber einleiteten, wurde jetzt auch eine Anwaltskammer aktiv. Nach mir vorliegenden Informationen hat diese ein Verfahren gegen einen Abmahnanwalt eingeleitet.
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Rückblick: Google-Fonts Abmahnwelle
Auf manchen Webseiten kommen Google Fonts zum Einsatz. Diese lassen sich lokal auf dem Webserver bereitstellen oder über Google Server einbinden. Die Einbindung von Google Fonts von den Google Servern ist – laut aktueller Ansicht einiger Datenschützer – aus DSGVO-Gründen ohne Einwilligung des Webseitenbesuchers nicht statthaft. Argumentation ist, dass die IP-Adresse als persönliches Datum in die USA übertragen wird und dort theoretisch durch Google oder Strafverfolger auswertbar sei.
Diese Argumentationslinie ist zwar juristisch umstritten – und es gibt auch noch kein abschließendes Urteil, zum Beispiel des EuGH. Auch ist die Bewertung des technischen Zusammenhangs strittig, gibt Google doch an, die Fonts in Deutschland oder in der EU zu hosten und keine Auswertungen der IP-Adressen zu betreiben (siehe Neues zu Google Fonts-Abmahnungen: Googles veröffentlicht Erklärung).
Wer klug ist, verzichtet
Der kluge Webseitenbetreiber sorgt dafür, dass dieser Konflikt erst gar nicht auftritt und verzichtet auf Google Fontos oder stellt diese lokal auf seinem Webserver bereit. Das Thema ist spätestens seit Anfang 2018 bekannt, da im Mai 2018 die DGSVO verpflichtend wurde. Gelegentlich fallen Webseitenbetreiber aber herein und binden unwissentlich (z.B. über Templates oder Plugins des CMS) Google Fonts von den Google Servern ein. Ich hatte im Blog-Beitrag Wissen: Google Fonts auf Webseiten, Abmahnung, Prüfung-Fallen über das Thema berichtet und auch gezeigt, wie man Webseiten auf die Verwendung von Google Fonts prüfen kann.
Problematisches Urteil des LG München
Dummerweise hat das Landgericht München mit Urteil vom 20. Januar 2022 (Az. 3 O 17493/20) in der Sache Google Fonts entschieden, dass die automatische Weitergabe der IP‑Adresse (als personenbezogenes Datum) durch den Betreiber einer Website einen datenschutzrechtlichen Eingriff darstelle, in den der Besucher der Seite nicht eingewilligt habe. Der Webseitenbesucher habe einen Unterlassungsanspruch. Noch problematischer: Das Landgericht München hat dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 100 Euro wegen Verwendung von Google Fonts zugesprochen.
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Alles in allem ein aus diversen Gründen hochproblematisches Urteil. Im Artikel Neues zu Google Fonts-Abmahnungen: Googles veröffentlicht Erklärung hatte ich darauf hingewiesen, dass die Fonts inzwischen von Google innerhalb Deutschlands und der EU gehostet werden. Die Annahme des LG Münchens trifft in vielen Fällen also schon nicht zu. Zudem hatte ich erwähnt, dass dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verschiedene Anfragen von Gerichten im Hinblick auf "immateriellen Schadensersatz" bei DSGVO-Verletzungen vorliegen. Es wird damit gerechnet, dass der EuGH diesen Anspruch auf "immateriellen Schadensersatz" in einem 2023 erwarteten Urteil verneint.
Die Abmahnwelle
In Folge des Urteils des Landgerichts München vom 20. Januar 2022 kam es in Deutschland und Österreich zu regelrechten Abmahnwellen. Einige Privatpersonen, Anwälte und eine dubiose IG Datenschutz versuchten im Windschatten des Urteils Kasse zu machen.
Im August und später im Oktober 2022 kam es zu regelrechten Abmahnwellen in Sachen Google Fonts durch den Berliner Anwalt Kilian Lenard. Dieser handelte laut den jeweiligen Schreiben im Auftrag von Martin Ismail und der IG Datenschutz (siehe auch diesen Artikel der Rechtsanwälte Loschelder Leisenberg). Aber auch der in Meerbusch aktive Anwalt Nikolaos Kairis tat sich mit Abmahnung hinsichtlich der Verwendung von Google Fonts hervor. Ich hatte hier im Blog über diese Abmahnwellen berichtet und auch Einschätzungen von Juristen, wie damit zu verfahren sei, gegeben (siehe Links am Artikelende).
Juristisches Nachspiel für Abmahner
In Österreich sehen sich ein Anwalt und eine Privatperson nun Verfahren wegen Rechtsmissbrauch gegenüber – bezüglich des aktuellen Stands habe ich keine Informationen. Auch in Deutschland tut sich was in Sachen rechtsmissbräuchliche Abmahnungen durch Anwälte.
Die Justiz wird in Deutschland aktiv
Mir war bekannt, dass einzelne Rechtsanwälte Anzeige gegen den Berliner Anwalt Kilian Lenard erstattet und in einem Fall sogar ein Unterlassungsurteil erstritten hatten. Im Dezember 2022 wurde dann bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Durchsuchungen bei einem Berliner Anwalt sowie bei weiteren Beschuldigten vorgenommen habe. Es ging um Beweissicherung im Verfahren wegen Google Fonts-Abmahnungen. Ich hatte im Blog-Beitrag Neues zu Google Fonts-Abmahnungen: Razzia bei Berliner Abmahnanwalt darüber berichtet.
Auch eine Anwaltskammer wird aktiv
Freitag, den 27. Januar 2023, habe ich dann über nachfolgenden Tweet mitbekommen, dass auch die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf gegen den in Meerbusch aktiven Rechtsanwalt Dikigoros Nikolaos Kairis ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet hat. Das Verfahren wurde an die Generalstaatsanwaltschaft zur weiteren Prüfung weitergeleitet.
Auch der Rechtsanwalt Dikigoros Nikolaos Kairis (Dikigoros ist der griechische Name für Rechtsanwalt) war in Sachen Abmahnungen wegen Google Fonts recht aktiv, wie Rechtsanwalt Daniel Loschelder in diesem Artikel aufführt. Laut Rechtsanwaltsverzeichnis ist Dikigoros Nikolaos Kairis erst seit dem 11. Juni 2021 zugelassen, war aber eher auf dem Gebiet des Verkehrsrechts aktiv (die Webseite raag-kanzlei.de ist aktuell "under construction"). Die Rechtsanwälte Loschelder Leistenberg haben die Abmahnfälle von Dikigoros Nikolaos Kairis bezüglich Google Fonts in diesem Artikel näher aufbereitet.
Langer Rede kurzer Sinn, Dikigoros Nikolaos Kairis scheint es irgendwie arg übertrieben zu haben, mit seinen Google Fonts-Abmahnungen, worauf die zuständige Rechtsanwaltskammer aktiv wurde. Zum 24. Januar 2023 wurde ein anwaltsgerichtliches Verfahren eingeleitet. Die Generalstaatsanwaltschaft für Anwaltssachen zuständig, prüft nun, ob ein Rechtsmissbrauch oder ein Verstoß gegen anwaltliches Standesverhalten vorliegt.
Bis zum Abschluss dieses Prüfverfahrens gilt für Dikigoros Nikolaos Kairis erst einmal die Unschuldsvermutung. Aber ich formuliere es mal so: Bis eine Rechtsanwaltskammer juristische Schritte gegen ein Mitglied einleitet, muss einiges passiert sein. Es bleibt abzuwarten, wie es in dieser Sache weiter geht – ich bleibe dran.
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Dummerweise hat das Landgericht München mit Urteil vom 20. Januar 2022 (Az. 3 O 17493/20) in der Sache Google Fonts entschieden, dass die automatische Weitergabe der IP‑Adresse (als personenbezogenes Datum) durch den Betreiber einer Website einen datenschutzrechtlichen Eingriff darstelle, in den der Besucher der Seite nicht eingewilligt habe.
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Ich halte die automatische Weitergabe der IP-Adresse durch den Betreiber einer Website tatsächlich datenschutzrechtlich problematisch.
Gibt der Betreiber einer Website wirklich die IP-Adresse weiter? Angeblich soll der Betreiber einer Website dem User – genau genommen dem aufrufenden Internet-Browser – einen HTML Code übermitteln, der dann vom Internet-Browser des Users abgearbeitet wird. Hätte der User zB NOSCRIPT (Addon) aktiviert, dann wäre eine Weitergabe der IP-Adresse nicht möglich.
Für diese art der Abmahnungen sind die IP Adressen und deren weitergabe ja eigentlich Unwichtig.
Die IP Adresse des Servers und die vorhandene Internet Seite werden sich "Vermutlich" nicht Ändern.
Da ja der Betreiber der Seite Abgemahnt wird sind solche IP Daten mehr oder weniger Irrelevant.
Ein sehr Strittiges Thema.
Der Inhaber der Seite sollte im Impressum stehen…und wenn nicht gibt es gleich die Nächste Abmahnung.
Nö.
Verfolgt die Webseite keinerlei finanziellen Interessen (z.B. Privatseite ohne Werbung), dann ist ein Impressum keine Pflicht.
Lt. §5 TMG ist ein Impressum für "geschäftsmäßige Onlinedienste" Pflicht und nur dafür.
Durch weglassen passagen §5 TMG wird die Aussage nicht besser.
"Grundsätzlich kann man sagen, dass die Pflicht für alle Anbieter einer Internetseite gilt, wenn die Plattform geschäftlichen Zwecken dient. Damit fallen ausschließlich privat genutzte Seiten, die sich nur an Familie und Freunde richten, nicht unter die Impressumspflicht. Auch Vereine und Bürgerinitiativen brauchen beispielsweise ein Impressum."
Internetseiten die sich nur an Familie und Freunde richten.
Solche Seiten wird man im Internet wohl an einer Hand Abzählen können.
Selbst seiten über die eigenen Hobbies oder Blogs fallen schon aus der Kategorie und müssen ein Impressum haben.
Was auch wirklich unglaublich ist: Ein Gericht hat den Webseitenbetreiber ermahnt, aber der Schuldige, der IP-Adressen speichert hat keine Probleme. wieso kann Google dafür nicht angezeigt werden, dass es IP-Adressen aus Deutschland speichert in genau diesem Fall wenn man ein Google-Font abruft. Kann leicht abgefragt werden bei Google aus welchem Land es aufgerufen wird.
Ausserdem kommen die meisten User über die Google-Suche auf eine Webseite, also wird schon in dem Augenblick getrackt wo man auf den Link bei Google klickt. Man sollte sich dann nicht mehr beschweren dürfen, wenn man auf der angeklickten Seite landet und noch etwas bei Google aufgerufen wird.
Und zusätzlich finde ich es sowieso krass, wie natürlich es ist im Internet vieles kostenlos zu finden. Eine kleine Sache darf man so einem Font-Designer schon zugestehen, um zu erkennen wie oft sein Font genutzt wird bei Google.
> Hätte der User zB NOSCRIPT (Addon) aktiviert, dann wäre eine Weitergabe der IP-Adresse nicht möglich.
Google Webfonts werden iim HTML Code n der Regel über einen einfachen HTML link Tag mit href zu einem Google Servrr eingebunden, ganz ohne scripts.
https://www.w3schools.com/tags/tag_link.asp
> Google Webfonts werden iim HTML Code n der Regel über einen einfachen HTML link Tag mit href zu einem Google Servrr eingebunden, ganz ohne scripts.
Das NoScript Addon blockt mehr als nur script tags.
Man macht mit einem Aufruf an einen Webserver mit ZielIpadresse automatisch seine IP bekannt da die Response mit angefordertem Inhalt ja zurück an die Anfrage IP gesendet werden muss. Ist halt Aufruf von Client zu Server. Irgendwann ist es einfach genug mit dem falschen Datenschutz Quatsch. Nachdem man z.B. einen CookieBanner mit nur notwendige Cookies angenommen hat, sind trotzdem 100 Cookies gesetzt pro Seite. Testet das mal bei Online-Zeitungen. Meist mit irgendwelchen Key Value Paaren die nichts mit einfachen Funktion zu tun haben, sondern mit Special Firmennamen. Ja und. Es ist wirklich egal. Stellt den Browser richtig ein oder nutzt VPN wenn es so schlimm ist.
Das Problem: So funktioniert halt Internet – wenn ein http-Request eine externe Ressource anfordert, muss halt angegeben werden, an welche IP-Adresse die Antwort gehen soll.
Die Argumentation des Gerichts: "Die Verwendung des Google Fonts samt Übermittlung der IP-Adresse ist nicht erforderlich, weil man auch lokal hosten könnte. Da die IP-Adresse ein persönliches Datum ist, gibt es einen Unterlassungsanspruch und einen immateriellen Schadensersatzanspruch." war insofern in meinen Augen problematisch, weil
– Der immaterialle Schadenersatzanspruch nach meinem Gefühl vom EuGH gekippt werden dürfte.
– Das Argument "lokal hosten" in höchst problematische Niederungen führt, die die Axt ans Internet legt.
Man könnte die Argumentation bei Google Fonts ja noch irgendwo verstehen. Aber das Gericht macht da ein Fass auf, dass "das Internet ausgießt". Beispiels: Wenn ich statt eines Google Fotos ein Bild oder ein iframe mit Inhalten einer anderen Seite (oder eine andere Ressource) einbinde, habe ich die gleiche Problematik. Manche Bilder oder Inhalte darf ich als Website-Betreiber aber schlicht nicht lokal hosten.
Geht man einen Schritt weiter: Hier im Blog werden Zählmarken der VGWort eingebunden – auch da muss die IP-Adresse übermittelt werden. Das ist von den zuständigen Datenschützern als nicht DSGVO-Zustimmungsrelevant eingestuft worden.
Es gibt zeitweise eine cookie-less Werbeanzeige zu windowspro.de. Auch da muss die IP-Adresse übertragen werden. Ist mit der bayrischen Datenschutzaufsicht abgestimmt worden, dass das ohne Zustimmung eingebunden werden darf.
Da gab es einige Telefonate mit den entsprechenden Datenschutzstellen, um das abzuklären.
Ganz skurril wird das Ganze, wenn ich mir anschaue, was technisch passiert: Der Browser des Internet-Nutzers wertet den HTML-Code der besuchten Webseite aus und entscheidet dann, welche Ressourcen er anfordert. Wird eine IP zum Anfordern einer Ressource übertragen, ist das per Definition "pöse" – dass ein Browser (z.B. Google Chrome) da noch auf ganz anderer Ebene flüstert, interessiert keinen.
Die Ablehnung der IP-Adressweitergabe durch den Datenschutz basiert ja auf dem Hintergrund, dass diese IP-Adressen bei Werbeanzeigen a) aus dem europäischen Raum, z.B. in die USA übertragen werden, und b) von den Werbetreibenden (neben den Cookies) für eine Profilbildung genutzt werden könnten. Dieser Sichtweise kann ich ja zustimmen. Und dies war auch Sinn des Ganzen. Wenn Google jetzt die Fonts in Deutschland oder auf europäischen Servern hostet und zusichert, keine Profilbildung zu betreiben, fällt die Intension der Datenschützer imho in sich zusammen. Das Urteil berücksichtigt diese Überlegungen nach meinem Verständnis in keinster weise.
Das Urteil stellt auf einen Einzelfall ab, der juristisch nie ausdiskutiert wurde (war ja ein Urteil eines Landgerichts in erster Instanz). Problem der "Abmahnungen" war dann: Dass diese klar erkennbar rechtsmissbräuchlich und mutmaßlich auf Betrug und Abkassieren unberechtigter Forderungen ausgerichtet waren. Das wird nun juristisch in den jeweiligen Fällen geklärt.
In der Sache "Verbesserung des Datenschutzes" erweist sich in meinen Augen sowohl das Urteil des LG München als auch die Abmahnwelle als "Bärendienst" – bringt uns schlicht nicht weiter, hat aber einiges an Ressourcen verschlungen und zu großer Unsicherheit geführt.
Auf der anderen Seite herrscht die große Sorglosigkeit, Stichwort "Opt-out aus der Erfassung und weitergabe der Gesundheitsdaten bei der Patientenakte ePA in Deutschland", Stichwort "Einsatz von Betriebssystemen und Software, die heftig mit Telemetrie arbeiten, das aber nicht im Details offen legen", Stichwort "Verwendung von Social Media oder WhatsApp durch Firmen, Behörden, Institutionen", ließe sich beliebig fortsetzen.
Ich habe hier den Fall, wo die Patientenkartei meines Physiotherapeuten im Rahmen einer privatrechtlichen Auseinadersetzung über Anwälte in ungefugte Hände weitergeleitet wurden (meine Daten waren da auch dabei). Hat die Datenschutzaufsicht nicht wirklich interessiert (solche Fälle passieren halt, hieß es).
Nun ja, man findet Seite x über Google und Seite x gibt dann wissentlich oder unwissentlich die IP an Google weiter…
Man muss da mal darüber nachdenken… ich denke, die Grenze zwischen Datenschutz und Paranoia oder Aufregen aus Prinzip sind da schon fließend.
Und jetzt zurück zum Smartphone und mal den Google Assistenten fragen, wo das nächste gute Restaurant in meiner Umgebung ist.
Die Anwaltskammer wird sicherlich erst jetzt aktiv, da die Angelegenheit genügend negative Schlagzeilen zu Anwälten erzeugt hat und bereits von anderen Seiten diverse Verfahren erfolgversprechend initiiert wurden … ;-)
In der Vergangenheit haben ja diverse Abmahngrößen relativ unbehelligt agieren können (von Gravenreuth, Uhrmann etc.)
Krähen und Augen aushacken