[English]Es wurde ja bereits eine Woche hinter vorgehaltener Hand geflüstert: Die EU Wettbewerbskommission geht einer Kartellbeschwerde gegen Microsoft wegen der Teams-Bündelung mit Office 365 nach. Einerseits hatte sich der Konkurrent Slack bei der EU-Kommission über Microsoft beschwert. Andererseits soll sich der deutsche Anbieter Alfaview aus Karlsruhe gestern ebenfalls beschwert haben.
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Eine der Strategien Microsofts ist es ja, alles und jedes in seine Produkte wie Windows oder Office 365 (jetzt Microsoft 365 genannt) zu bündeln und damit den Wettbewerb platt zu machen. Das dürfte sich jetzt rächen, da die EU-Wettbewerbsbehörde eine Kartelluntersuchung gegen Microsoft startet.
Erstmals hatte die Nachrichtenagentur Reuters am 3. Juli 2023 hier berichtet, dass eine EU-Kartelluntersuchung gegen Microsoft begonnen habe, nachdem Gespräche über Abhilfemaßnahmen gescheitert seien. Es geht konkret um die Bündelung von Software – hier Microsoft Teams mit Microsoft Office 365. Microsoft liefert Teams seit 2017 kostenlos mit Office 365 mit.
Bereits im Jahr 2020 hatte der Konkurrent Slack eine Wettbewerbsbeschwerde gegen Microsoft wegen der Teams-Bündelung eingereicht (siehe Slack: EU-Wettbewerbsbeschwerde gegen Microsoft Teams). Später wurde Slack für einen Milliarden-Rekordpreis durch Salesforce aufgekauft (siehe Salesforce kauft Slack für 27,7 Milliarden Dollar). Aber es gab weitere Kartellbeschwerden gegen Microsoft, beispielsweise von Nextcloud (siehe Nextcloud legt Wettbewerbsbeschwerde gegen Microsoft wegen OneDrive und Teams in Windows 11 ein).
Die EU-Kommission stand daher bereits seit geraumer Zeit in Verhandlungen mit Microsoft, um ein wettbewerbswidriges Verhalten Microsofts durch Produktbündelung zu sanktionieren. Aber Microsoft ist in der Vergangenheit bereits aufgefallen, am Markt und mit Wettbewerbsbehörden die Grenzen auszuloten.
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Microsoft geriet ja bereits in den vergangenen zehn Jahren wegen Verstoßes gegen die EU-Wettbewerbsregeln in den Fokus der EU-Kartellbehörden. Es ging auch um die Kopplung oder Bündelung von zwei oder mehr Produkten. Dabei wurde eine Geldstrafe in Höhe von 2,2 Milliarden Euro ausgesprochen.
Im Fall der Bündelung von Teams mit Office 365 ist das für Microsoft scheinbar erneut ins Auge gegangen. Bereits im April 2023 schrieb ich im Beitrag Microsoft will Teams nicht mehr mit Office bündeln? über ein Angebot Microsofts, auf die Auslieferung von Teams mit Office 365 zu verzichten. Die Microsoftler haben inzwischen die den Wettbewerb weitgehend platt gemacht, die Unternehmen hängen Teams-mäßig an der Nadel.
Die Tage berichteten Medien wie das Handelsblatt, dass die EU-Kommission ein Kartellverfahren gegen Microsoft wegen der Bündelung von Teams mit Office 365 vorbereite. Die Untersuchung soll kommende Woche wohl offiziell starten, wie heise beispielsweise hier berichtet.
Nun schreibt Reuters in diesem Artikel vom 20. Juli 2023, dass am Donnerstag (21. Juli 2023) eine weitere EU-Kartellbeschwerde vom deutschen Konkurrenten alfaview gegen Microsoft erhoben wurde. Auch dort ging es um die Bündelung von Teams mit Office. "Die Verknüpfung von Teams mit den anderen Anwendungen der Microsoft 365-Suite verschafft dem US-Konzern einen multipolaren Vertriebsvorteil", sagte Geschäftsführer und Gründer Niko Fostiropoulos laut Reuters in einer Stellungnahme.
Microsoft lehnte es ab, sich gegenüber Reuters zu der Beschwerde von alfaview zu äußern. Die Kommission bestätigte den Eingang der Beschwerde und teilte mit, dass sie diese auf der Grundlage ihrer Standardverfahren prüfen werde. Bisher wurde noch keine formellen Ermittlungen eingeleitet, aber es ist täglich damit zu rechnen.
CISPE sieht Spitze des Eisbergs
CISPE ist eine Vereinigung von 27 Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa, und wirft Microsoft ebenfalls vor, unfair zu spielen. In einer Stellungnahme, die mir vorliegt, schreibt CISPE, dass erwartet wird, dass die Untersuchung der EU-Kommission bereits nächste Woche offiziell eingeleitet wird. Der US-Tech-Riese habe zuvor Zugeständnisse gemacht, die von der Europäischen Kommission aber als unzureichend betrachtet wurden.
Diese Untersuchung markiert die erste formelle Untersuchung der Europäischen Union gegen Microsoft seit mehr als einem Jahrzehnt, heißt es. Francisco Mingorance, Generalsekretär von CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers in Europe) sagt zur EU-Kartelluntersuchung:
Das "Wirtschaftsmodell" von Microsoft bündelt seine Produkte mit der unverzichtbaren Office-Suite und bevorzugt so die hauseigene Azure-Cloud gegenüber konkurrierenden Cloud-Infrastrukturen. OneDrive und Defender werden ebenfalls mit Microsoft Office gebündelt, um Wettbewerber auszuschließen. ChatGPT ist als nächstes an der Reihe. Die Geschäftsstrategie von Microsoft besteht darin, überhöhte Preise zu verlangen und die Kunden davon abzuhalten, Softwareprodukte außerhalb von Azure zu nutzen.
Sich auf den guten Willen, freiwillige oder geheime Vereinbarungen und nicht einklagbare Zugeständnisse eines marktbeherrschenden Gatekeepers zu verlassen, wird diese unlauteren Praktiken nicht beenden. CISPE ist der Ansicht, dass dies nur geschehen wird, wenn die Kommission zusätzlich zur Slack-Untersuchung eine förmliche Untersuchung der CISPE-Beschwerde über das breitere Spektrum von Bündelungs- und Kopplungsfallen einleitet, die europäische Cloud-Kunden benachteiligen.
Die Vereinigung sieht in der Verknüpfung von Teams mit Microsoft Office-Software nur Spitze des Eisbergs und begrüßt die Einleitung des EU-Verfahrens.
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"unverzichtbaren Office-Suite"? das muß doch mal ganz deutlich in Frage gestellt werden. Die Office Suite von Microsoft ist so ziemlich das unproduktivste, was mir in den letzen 40 Jahren untergekommen ist. Da gibt es ganz viele und viel bessere Produkte.
Trotzdem hat MS Office die besseren Konkurrenten vor über 25 Jahren vom Markt verdrängt. Zum Beispiel weil Microsoft sein Office besser mit seinem(!) Windows verzahnen konnte: damals wurde das 32bit-Betriebssystem eingeführt, MS rückte die technischen Daten nur verzögert raus, so dass die Konkurrenz ausgebremst wurde.
Und wenn man erst mal die Mehrheit errungen hat, gilt der Spruch „… Millionen Fliegen können nicht irren."
Aber was gibt es aktuell noch besseres, wenn man eine eierlegende Wollmilchsau will? Die – wenigen – Office-Pakete anderer Anbieter können mit Details punkten, sind aber in anderen Bereichen schwach. MS Office bietet durchgehende Mittelmäßigkeit.
Soweit ich mich erinnere begann die Verzahnung andersherum – Windows 1.0/1.1 wurde nur als Starter für Excel und Word ausgeliefert, erst ab Version 2.1(?) konnte man es als eigenständiges Produkt kaufen.
Autsch! Word erschien zuerst 1983 für Xenix und wurde dann als rein Textmodus-Oberfläche basiert auch für MS-DOS umgesetzt. Windows 1.0 wurde im Jahr 1985 vorgestellt und die erste Word-Version für Windows erschien 1989, nicht mehr lauffähig auf Windows 1.0 und 2.0, sondern es brauchte schon die 3.x Version.
Hätte man alles in Wikipedia nachsehen können!
*** Zum Beispiel weil Microsoft sein Office besser mit seinem(!) Windows verzahnen konnte: damals wurde das 32bit-Betriebssystem eingeführt, MS rückte die technischen Daten nur verzögert raus, so dass die Konkurrenz ausgebremst wurde. ***
Klar hat sich Microsoft entscheidene Marktvorteile durch Zeitvorteile und unfähre Methoden gesichert. Sie haben sogar bessere Konkurrenz teils aktiv behindert (zb OS2). So haben sie sich ihre Marktdominanz erworben, von der sie seither zehren
Das sich Microsoft-Produkte aber letztlich durchgesetzt haben, lag aber auch oft ein gutes Stück daran das diese MS-Produkte im Vergleich zur damaligen Konkurrenz am Desktop komfortabler waren, schneller starteten, schneller in der Verarbeitung reagierten, intuitiver waren, oder nach außen hin optisch professioneller wirkten.
z.B. Microsoft-Office 95/97 vs. Lotus Smartsuite 96:
Aus sicht eines PC-Erstnutzers:
MS Office startete schneller (auch das Windows), war intuitiver benutzbar und optisch deutlich ansprechender.
z.B. IEv4 vs Netscape v4
IEv4 startete schneller, Windows sah mit der Shell-Ergänzung deutlich moderner aus, IEv4 renderte die Webseiten sichtbar schneller.
Netscape v6 wurde so lahm das mans nicht mehr nutzen konnte/wollte.
Dann habe ich einen anderen Geschmack. Ich finde die Lotus Smartsuite heute noch optisch eleganter als das popelige MS Office 95-2003 mit seinen grobkörnigen Symbolen, etwa die Zeigehand mit den grauen Wurstfingern oder das hutzelige Klemmbrett (die aber leider allgemein übernommen wurden). Das 16-Farben-Limit der Icons war beim blaugrauen Office überall zu merken, beim farbkräftigen Lotus fiel es gar nicht auf.
Die Startzeit der Smartsuite-Programme war (mit 16 MB RAM jedenfalls) tadellos …ich konnte mir den Splashscreen nie so lange anschauen, wie ich gern wollte.
Und die Eigenschaften-Box in Lotus mit direkter Anwendung der Einstellungen ist entschieden komfortabler als die auf mehrere Dialogfelder verteilten Formateinstellungen von MS Office, wo man das Ergebnis erst sieht, wenn man den Dialog zugemacht hat.
Aber wahrscheinlich prägt der Erstkontakt die Vorlieben, nach denen man eine Software bewertet.
Soweit ich weiß kann man auch "Teams-only" Lizenzen kaufen, früher ging das jedenfalls.
Sicher hat man da die Ablage von Anhängen und Aufzeichnungen im Sharepoint/OneDrive, aber keine Abhängigkeit zur Office-Suite.
Du findest tatsächlich Wordstar besser?
"Die Office Suite von Microsoft ist so ziemlich das unproduktivste…"
Hach, ich liebe diese sachlichen Anmerkungen.
Ich erinnere mich immer wieder gern an Die Geschichte mit VHS, BetaMax und Video 2000. Damals hat auch das schlechteste System gewonnen. Die Parallelen zu den Produkten von Microsoft kann man auch nicht wegreden.
Mein Problem, und ich bin da sehr glücklich, dass Fiona Scott Morton zurückgetreten ist, ist, dass immer wieder solche Dinge immer erst dann untersucht und geahndet werden, wenn es schon längst zu spät ist. Das Ding ist um, die Unternehmen haben spätestens zu Corona angefangen, alles mit Teams zu verzahnen, was ging. Bis hin zur Kaffeemaschine. Und über Strafen in egal welcher Höhe lacht sich M$ kaputt. Da zahlt der Abonnent doch. Der an dieser Stelle ebenfalls mittlerweile abhängige Abonnent, dem dann durch plötzliche "Preisanpassungen" in frecher Höhe zwar die Galle hoch kommt, der aber weiter bei dem Produkt bleibt, weil die Cloud ja vollständig alternativlos ist, glaubt man den Marketing-Schlipsen und Microsoft-Jüngern.