Zwang zur BundID bei Einmalzahlung200 war unzulässig

Stop - PixabayStudierende und Fachschüler konnten 2023 eine Einmalzahlung von 200 Euro als Energiepreispauschale vom Bund bekommen. Dazu wurde aber eine Anmeldung per BundID verlangt, was manche Berechtigte vor Probleme stellte. Es gab Vorschläge, wie man dies einfacher hätte gestalten können. Wollte man nicht und hat 10 Millionen Euro für die gewählte Implementierung bezahlt. Nun stellt sich heraus, dass der Zwang zur Beantragung per BundID unzulässig war. Ich bereite es mal auf, bevor es dem digitalen Vergessen anheim fällt.


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Rückblick: Energiekostenpauschale

Von März bis Oktober 2023 konnten Studierende und Fachschüler eine Einmalzahlung von 200 Euro als Energiepreispauschale vom Bund erhalten. Dazu war ein Antrag auf der Bund-Seite www.einmalzahlung200.de erforderlich. Für die Beantragung wurde ein Zugangscode und eine BundID benötigt. Den Zugangscode erhielten Antragsberechtigte von der Ausbildungsstätte (Hochschule oder Berufsschule). Folgende Schritte mussten dann durchgeführt werden:

  • Zugangscode eingeben
  • Mit Bund-ID anmelden
  • Identität nachweisen
  • Online-Antrag ausfüllen

Wenn alle Voraussetzungen erfüllt waren, erhielt der Antragsteller abschließend per E-Mail einen Bescheid mit der Bewilligung. Auf dieser Informationsseite sind die Details nachlesbar.

Die BundID, ein besonderes Früchtchen

Die BundID soll ja, laut dieser Seite des Bundesinnenministeriums (BMI), das Benutzerkonto des Bundes sein, mit der Bürger sich für viele Online-Verwaltungsleistungen anmelden können. Diese BundID soll irgendwie sicherstellen, dass die Leute sich eindeutig gegenüber der Verwaltung identifizieren. Klingt irgendwie gut und war ja für die Einmalzahlung von 200 Euro als Energiepreispauschale zwingende Voraussetzung.

Ein Vater, der die oben erwähnte Einmalzahlung für den Sprössling beantragen wollte, stolperte über die Beantragung der BundID. Und weil sich der parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) freute, dass mehr BundID-Konten eröffnet wurden (siehe den heise-Artikel Zwangsregistrierung: Forschungsministerium feiert Steigerung der BundID-Zahlen), hatte ich das Thema BundID mal im Blog aufgegriffen.


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Im Beitrag BundID: Jubel über Zwangsregistrierung und wie ich als "Donald Duck" so ein Konto bekommen habe hatte ich dann gezeigt, wie man eine BundID konkret beantragen kann. Das heißt: "Ich habe eine BundID". "Ich", das war in diesem Fall:

Dagobert Duck
Alt-Moabit 140
10557 Bäerlin

geboren am 1.1.1920. Das größte Problem war, dass der Benutzername dagobert bereits vergeben war. Ich habe im Blog-Beitrag BundID: Jubel über Zwangsregistrierung und wie ich als "Donald Duck" so ein Konto bekommen habe einige Details aufgeführt.

Auch Lilith Wittmann hatte mal eine Seite Heizölförderung mit zwingender BundID aufgesetzt, um auf bestimmte Sicherheitsprobleme hinzuweisen. Ich hatte das im Blog-Beitrag BundID und Cyberbetrug: Die Heizölförderung – (kl)eine Lilith Wittman-Story aufgegriffen. Aber an dieser Stelle geht es mir darum, dass die BundID zur Beantragung so ihre Besonderheiten hat.

BundID für Einmalzahlung war unzulässig

Kommen wir nun "zum Beef" – denn die Verpflichtung zur Verwendung der BundID zur Beantragung der Einmalzahlung war unzulässig. Auf netzpolitik.org hatte man bereits darauf hingewiesen, dass der Zwang zur BundID auf Kosten des Datenschutzes ging. Nun hat der Landesdatenschutzbeauftragte aus Sachsen-Anhalt das Digitalministerium in Magdeburg verwarnt, weil es ohne Rechtsgrundlage personenbezogene Daten verarbeitet hat.

Konkret stellt der LfDI fest: "Die Auszahlung der 200 € Energiepreispauschale zwangsweise von der Dateneingabe beim Nutzerkonto Bund abhängig zu machen, war unzulässig." Das geht aus dieser Pressemitteilung des LfDI vom 27. Juni 2024 hervor. Hier die Begründung:

Eine Antragstellung auf anderem Weg als über das Portal und den Antragsassistenten war durch § 6 S. 2 der EPPSG-​Durchführungsverordnung (EPPSG-​DVO LSA) des Landes ausgeschlossen. Ein Verfahren ohne Eingabe von Daten beim Nutzerkonto Bund wurde im Portal nicht angezeigt, sondern stets auf die Notwendigkeit der Einbindung von BundID in den FAQ's hingewiesen. Wer also seine Daten nicht bei BundID eingab, bekam kein Geld, obwohl es ihm nach dem Gesetz zustand. Die Antragsteller hatten also keine freie Wahl, die Eingabe der Daten bei BundID war nicht freiwillig.

Dies war ein Verstoß gegen Bundesrecht, da § 2 Abs. 5 S. 5 Onlinezugangsgesetz vorgibt, dass die Verwendung von Nutzerkonten für die Nutzer freiwillig ist. Der Bundesgesetzgeber hatte zudem in der Gesetzesbegründung zum EPPSG deutlich gemacht, dass auf besondere Anforderungen für das Verfahren bewusst verzichtet werde. Auch die Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 1 S. 2 EPPSG zum Erlass einer Durchführungsverordnung durch das Land gestattete lediglich, die für die Bewilligung zuständigen Stellen zu bestimmen.

Wäre an mir vorbeigegangen, auch wenn MDR hier darauf hingewiesen hat. Ich bin aber durch einen Tweet von Lilith Widmann auf das Thema gestoßen.

Digitalzwang bei BundID unzulässig

Wittmann deckt auf: Geldverschwendung ohne Ende

Die Geschichte geht aber noch weiter, denn Lilith Wittmann hatte beim Start der Einmalzahlung binnen Minuten eine Webseite gebaut, auf der sie zeigte, wie diese Energiekostenpauschale ohne BundID beantragt werden könne – hier dieser Tweet.

Einmalzahlung200-Antrag ohne BundID

Der individuelle Zugangscode der Ausbildungsstelle sowie eine IBAN reichten. Einfach köstlich, wie Wittman in einer Folge von Tweets bereits im März 2023 die HighTech-Lösung der Staatsekretäre zerlegt. Hier noch der Text von Wittman mit einem Vereinfachungsvorschlag.

Wittmann-Vorschlag zu Einmalzahlung200

Jens Brandenburg, parlamentärischer Staatssekretär im Bundesministeriums für Bildung und FDP-Mitglied belehrte Wittmann, dass sie keine Ahnung habe:

Nette Idee, so ganz ohne Kassenrecht, Datenschutz, Betrugsprävention, Rücksicht auf Aufwand in Ausbildungsstätten, Kontaktmöglichkeit bei Rücküberweisungen, Widerspruchsrecht, etc. Für den echten Antrag braucht man 2-3 Minuten länger. Der funktioniert dafür auch ganz real.

Brandenburg ist derjenige, der weiter oben im Text die "BundID-Zunahme" als Digitalisierungserfolg abfeiert (man erinnere den FDP-Slogan: Digitalisierung first, Bedenken second). Ist in deren DNA verankert – mit dem Rüffel des LfDI von Sachsen-Anhalt wurde der FDP-Slogan unfreiwillig bestätigt. Wie merkt Wittmann dazu an:

Das BMBF hat mir damals ausgerichtet, dass ich ja leider keine Ahnung hätte und die Lösung z.B. Datenschutz nicht berücksichtigen würde. Ist jetzt nicht soo gut gealtert @JBrandenburgFDP

Könnte man achselzuckend zur Kenntnis nehmen, gibt überall "Plitschen", manche landen als Staatssekretäre in Ministerien. Und es mag auch Gründe für den Ansatz geben, die BundID-Pflicht gehörte als Datenschutzgründen jedenfalls nicht dazu. Aber die Angelegenheit hat noch einen (Andi Scheuer)Nebeneffekt:

Kosten Einmalzahlung200

Die Umsetzung der jetzt als unzulässig befundenen Lösung hat den Steuerzahler 10 Millionen Euro gekostet. Irgendwie hatte ich mir mal gemerkt, dass wir in Deutschland ein "Ausgabenproblem der Politik" haben – hier also mal wieder ein Beispiel. Digitalisierung in Deutschland, aber die Luca-App war und ja auch lieb und teuer, aber nutzlos (siehe Bye, bye, Luca-App spielt für die COVID-19-Nachverfolgung keine Rolle mehr).

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BundID: Jubel über Zwangsregistrierung und wie ich als "Donald Duck" so ein Konto bekommen habe
BundID und Cyberbetrug: Die Heizölförderung – (kl)eine Lilith Wittman-Story


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8 Antworten zu Zwang zur BundID bei Einmalzahlung200 war unzulässig

  1. Luzifer sagt:

    Naja Steuerverschwendung gibt es seit es die Bundesrepublik gibt! Also auch schon zu Analogzeiten. Wir haben hier auch noch eine Autobrücke mitten in der Pampas stehen, ohne Straßenanschluss von irgendwo. Der Steuerzahler macht es möglich.

    Tja solange Politiker tun können was sie wollen ohne Konsequenzen zu fürchten. wird sich da auch nix ändern. Wir haben ja sogar Politiker in Amt und Würden die Gesetze erlassen haben welche vom Bundesverfassungsgericht als Staats und Demokratiefeindlich einkassiert wurden. Also faktisch Staats und Demokratiefeinde direkt in der Regierung sitzend… nix AFD wo man da ja eher vermuten würde.

    Da würde nur noch nen "Kahlschlag" á la Französische Revolution helfen.

    • Luzifer sagt:

      /edit/

      Es gibt eigentlich kein Verbrechen, welches in der Politik nicht vertreten ist, Korruption und Urkundenfälschung sind da noch das Harmloseste.
      Tja so nen Doktortitel ist halt schon verlockend.

      Also immer schön als Vorbild nehmen unsere Herren und Damen Politiker!

    • Bernd B. sagt:

      Es war keine Steuergeldverschwendung, sondern zielgerichtete* Verwendung. Wir werden dergleichen noch öfter sehen, der Bürger soll gefälligst keine Sperenzchen machen, sondern gläsern werden und dazu ist eben eine digitalID der Start.

      * das Ziel: Bund-ID zu pushen

  2. Tomas Jakobs sagt:

    "Ausgabenproblem der Politik" ist ein schöner Euphemismus für nichts anderes als Korruption. Einfache, funktionierende und wie man nun sieht legale Lösungen sind halt unsexy. Da lassen sich keine Förderungen, lukrative Beratungskosten, Projekte und After-Sale Support oder gleich besser monatliche Abos verkaufen.

  3. Anonymous sagt:

    Nur zum ersten Ausrollen bzw. in die Masse drücken von BundID wurde diese Einmalzahlung überhaupt erfunden. Das wird sich in mittelfristiger Zukunft mit der Auszahlung eines "Klimageldes" wiederholen, das gibt es dann auch nur mit BundID.

  4. DerStudent sagt:

    Ich habe die Konten nach Zahlungseingang gelöscht. Diese Scherzbolde dachten wohl ich behalte den Käse aus Faulheit.

  5. Wolf789 sagt:

    Danke Günter für den Beitrag gegen das "Vergessen". Obgleich es soo traurig ist – mal wieder herzhaft gelacht.
    "Da würde nur noch nen "Kahlschlag" á la Französische Revolution helfen." Stimmt vollumfänglich – aber leider leben wir in ..* (Bananenrepublik durfte man schon vor ca. 40 Jahren nicht unbedingt straflos sagen – also vielleicht was anderes für das *).
    Seit jetzt 70 Jahren muß ich das alles ertragen (aber Gott sei Dank war Frieden). Auch gut: In fast 40jähriger Tätigkeit nie einen Prozeß verloren – hätte mich in dieser Zeit aber gerne sinnvolleren Dingen zugewandt (Unter Anwälten gilt: "Wer gegen den Staat verliert, hat was falsch gemacht".)
    Ergebnis: Hoffnung auf Besserung keine – macht was draus.

  6. Rolf sagt:

    Versteht hier sonst noch jemand nicht, wovon Herr Brandenburg da redet?
    > Rücksicht auf Aufwand in Ausbildungsstätten
    Inwiefern wäre der Aufwand höher im Vergleich zur gewählten Lösung, wo für jede:n Berechtigte:n ein Code generiert und ausgegeben werden musste?
    > Kontaktmöglichkeit bei Rücküberweisungen
    Die Bankverbindung kann man bei Eingabe schon auf grundsätzliche Richtigkeit (Tippfehler) prüfen. Und wer dann trotzdem eine ungültige eingibt und damit den Code wegschmeißt … hat halt Pech gehabt?
    > Widerspruchsrecht
    Widerspruch wogegen? Oh, ich möchte das beantragte Geld jetzt doch nicht?

    Und ansonsten hätte man ja noch die Hochschul-Mailadresse fordern und mit Herkunft des Codes abgleichen können. Wenn dann z.B. eine RWTH-Adresse mit einem Code der FU Berlin Geld beantragt, ist irgendwas fishy. Verhindert gleichzeitig auch, dass jemand die Codes einfach bruteforcen kann (ich wäre nicht überrascht, wenn das nur ein autoinkrementierender Zähler war).
    Funktioniert immer noch sauber ohne BundID.

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