Das Portal "Mein Justizpostfach" steht unter einem ungünstigen Stern. Ein Leser informierte mich, dass er seit dem 19. August 2024 Mails, die er vor sechs Tagen verschickt hat, nicht mehr abrufen kann, also im Blindflug agiert. Zudem las ich gerade, dass das Portal seit Tagen mehr oder nicht mehr nutzbar ist. Diese Störung sollte seit dem 22.8.2024 aber behoben sein.
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Mein Justizpostfach
Die Plattform "Mein Justizpostfach" soll Bürgern ermöglichen, elektronisch mit der Justiz (z.B. Anwälten) zu kommunizieren. Zum 16. Oktober 2023 wurde die Plattform durch das Bundesministerium der Justiz vorgestellt – siehe nachfolgender Tweet und diese diese Webseite.
Um Mein Justizpostfach einzurichten, wird ein Nutzerkonto mit einer BundID benötigt. Versprochen wird, dass über Mein Justizpostfach die verschlüsselte Kommunikation zwischen Nutzern und der Justiz sowie Behörden, Anwälten, Notaren und Steuerberatern auf "höchstem Sicherheitsniveau" erfolgen können soll.
Der Dienst ist kostenlos, hier und auf dieser Seite gibt es einige Informationen. Hier im Blog ist Mein Justizpostfach im Zusammenhang mit einem Datenabfluss thematisiert worden (siehe Neuer Vorfall: Datenabfluss bei "Mein Justizpostfach" möglich).
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Kommunikation im "Blindflug"?
Tobias hat mich zum 19. August 2024 per Mail kontaktiert, weil er auf meinen oben verlinkten Blog-Beitrag gestoßen ist. Er hat wohl ein Konto bei Mein Justizpostfach, welches er über die Bund ID anspricht. Dazu schrieb Tobias, dass er am Dienstag, den 13. August 204, ein Konto bei Mein Justizpostfach inklusive Passwort erfolgreich eingerichtet habe.
Danach habe er an 3 Gerichte jeweils eine Nachricht geschickt (ist auch Sinn und Zweck dieses Postfachs). Bis mindestens Freitag, den 16. August 2024 konnte er die Nachrichten unter Gesendete Nachrichten im Mein Justizpostfach sehen. Las er sich Montag, den 19. August 2024 wieder einloggen wollte, wurde er erneut zur Einrichtung eines Mein Justizpostfach umgeleitet.
Dort hat er dann nochmals ein Passwort angelegt und erneut ein Zertifikat erhalten. Seine in der Vorwoche verschickten Nachrichten sind jedoch nicht mehr einsehbar (möglicherweise wegen des Zertifikatswechsels). Es gibt keinen Beleg, dass der Leser diese Schriftsätze überhaupt an die jeweiligen Gerichte verschickt habe. Er hat dann unter id.bund.de/de/contact eine Nachricht an den Support verschickt. Unter ervjustiz.de gibt es keine Kategorie Mein Justizpostfach.
Es gibt seit Tagen Probleme
Die Woche bin ich dann bei heise auf den Beitrag Massive Störungen im elektronischen Rechtsverkehr gestoßen. Dort heißt es, dass das Portal Mein Justizpostfach (MJP) der Bundesregierung "seit Tagen" nicht mehr "zugänglich sei". Auf der Seite werde eine Meldung über Wartung angezeigt. heise zitiert aus der Wartungsmeldung, dass es seit dem 19. August 2024 nachmittags technische Störungen bei der Nutzung des Mein Justizpostfach gebe. Derzeit werde die Problematik analysiert und das MJP könne nicht genutzt werden, heißt es. Es werde voraussichtlich wieder am späten Nachmittag des heutigen 22. August zur Verfügung stehen. Der heise-Beitrag geht ausführlich auf das Thema ein. Mit der Störung vom 16. August 2024 (siehe Justiz IT in Nordrhein-Westfalen war am 16. August 2024 komplett tot) sollte das nicht zusammen hängen.
Ich habe gerade die Seite ebo.bund.de aufgerufen – die Startseite funktioniert und informiert mich, dass Mein Justizpostfach für den Pilotbetrieb Grundfunktionen bietet, aber voll funktionsfähig zur Verfügung steht. Es ist naheliegend, dass die oben geschilderten Probleme mit dem Mein Justizpostfach mit der Wartung zusammen hängen. Der heise-Beitrag mutmaßt, dass die Probleme mit einem Update zusammen hängen. Aber so richtig Vertrauen hätte ich zu diesem Portal nicht, wenn ich nachweisbar Schriftstücke für Gerichte darüber einreichen muss. Ist jemand unter der Leserschaft, der diese Plattform nutzt und etwas dazu sagen kann?
Ursache der Leserbeobachtung
Ergänzung: Der Blog-Leser hat sich nach Veröffentlichung meines Beitrags nochmals gemeldet und meinte
Ich kann noch die "Lösungs-"Nachricht des MJP-Support nachmelden. Ich habe eine Idee zur Ursache.
Ich glaube ich war neulich auf einer Seite mein-justizpostfach.bund.de , das lenkt aber zumindest am Handy gerade um zu ebo.bund.de. Mich hatten die Domains schon vor Monaten gestört, aber kann sein, dass damals auch umgeleitet wurde. Wenn bei der Störung nicht umgeleitet wurde, war es aus BundID-Sicht vielleicht ein neuer Dienst, es gab eine andere ID zum Einloggen und infolge ein neues MJP.
Die neuen MJP wurden jetzt alle gelöscht, man hat keinen Beleg für von dort Verschicktes, Beleg wäre sowieso nur ein Screenshot. Zum Glück war ich vorsichtig genug von dort nicht zu verschicken.
Wer Pech hat, hat das Schlüsselzertifikat des alten mit dem des neuen MJP überschrieben, kann es nicht wieder herstellen und hat beide MJP verloren.
Dem Betroffenen ging eine Rückmeldung des Supports von Mein Justizpostfach in meinem BundID-Postfach ein. Die Rückmeldung enthielt aber keine persönlichen Daten, hätte also auch auf einer öffentlichen Störungsseite stehen können. Hier der Text der Rückmeldung des Supports von Mein Justizpostfach.
Wichtige Information zu MJP-Störung
Sehr geehrte/Sehr geehrter MJP-Anwender:In,
im Zeitraum vom 19.08.2024 bis 22.08.2024 kam es zu einem technischen Fehler bei der Nutzung des MJPs (Mein Justizpostfach), der dazu führte, dass Sie ein weiteres Postfach angelegt haben.
Dieses Postfach wurde im Rahmen der Fehlerbehebung gelöscht.
Nachrichten, die Sie mit diesem neuen Postfach versandt haben, sind zugestellt worden.
Die technische Störung ist inzwischen behoben worden.
Sie können sich nun wieder an Ihrem ursprünglich eingerichteten Postfach, welches vor dem 19.08.2024 angelegt wurde, anmelden. Für die Entschlüsselung der Nachrichten benötigen Sie die Schlüsseldatei, die Sie ursprünglich bei der Anlage des Postfaches gespeichert haben.
Wenn diese Schlüsseldatei nicht mehr vorliegt, da sie z.B. mit der Schlüsseldatei für das neu angelegte Postfach überschrieben wurde, können Sie versuchen, die Datei über die Funktionen Ihres Betriebssystems wiederherzustellen. Sie erkennen die ursprüngliche Schlüsseldatei am Datum in den Dateieigenschaften (älter als 19.08.2024). Der Dateiname lautet standardmäßig „Mein-Justizpostfach_Persoenlicher-Schluessel.p12".
Sollte eine Wiederherstellung der ursprünglichen Schlüsseldatei nicht möglich sein, muss das Postfach gelöscht werden. Dies können Sie entweder selbst durchführen oder Sie wenden sich zur Veranlassung der Löschung an uns. Die Unannehmlichkeiten, die für Sie entstehen, bitten
wir zu entschuldigen.Bitte beachten Sie auch, dass Sie die persönliche Schlüsseldatei, die für das gelöschte Postfach erzeugt wurde, nicht mehr verwenden können.
Wir empfehlen Ihnen, diese Schlüsseldatei zu löschen, damit es
zukünftig nicht zu Verwechslungen kommt.
Wie schrieb der Betroffene: "Zum Glück versehe ich die Namen von Schlüsselzertifikatsdateien immer mit Datum". Sagt jemand "kompliziert"? Sich mal eben mit diversen Schlüsseln befassen, lernen wir seit 50 Jahren in der Grundschule, oder? Ist wie die Wasserspülung beim Klo: Funktioniert einfach. Und was weg ist, ist weg.
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>>>… dass das Portal seit Tagen mehr oder weniger kaputt und nicht mehr nutzbar ist. <<<
Das macht den Kohl auch nicht mehr fett. Die Justiz kämpft mit ganz anderen Dysfunktionalitäten, exemplarisch (1).
(1) https://www.sueddeutsche.de/panorama/justiz-seit-corona-explodiert-es-staatsanwaltschaften-ueberlastet-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-240526-99-166614
Ich nutze das JPF nicht, aber ein Blogger beklagte sich, dass es dort nicht einmal Zustell- und/oder Lesebestätigungen gäbe.
Soweit das wahr ist wäre bereits das ein Killerkriterium, man hätte keinerlei Kontrolle oder gar Nachweis über den Zugang der Einlassung/Willenserklärung/… . Dann wäre ein Fax mit qualifiziertem Sendereport (Sendereport + erste Seite angedruckt oder ganz (verkleinert) – Nachweis, was versandt wurde) um Welten sicherer.
Zudem soll man keine Benachrichtigung über eingehende Post erhalten, man müsste also mindestens aller paar Tage dort nachsehen, um keine Frist zu versäumen (krankte daran nicht auch schon DE-Mail?).
Ich nutze das MJP seit der Einführung. Bis dahin hatte ich die kostenlose Version des Governikus Communicators genutzt, die wurde aber leider abgekündigt und durch eine (kostenpflichtige neue) ersetzt.
Ich würde mutmaßen, dass ein fetter Softwarefehler, gern auch als Update bezeichnet, das Postfach lahmgelegt hat. Aktuell funktioniert es jedenfalls wieder wie vor dem 13.8.2024. (ich wollte eigentlich schreiben: … wieder wie gewünscht, aber das träfe es nicht so ganz)
Übringens: niemand MUSS darüber Schriftstücke einreichen. Das MJP ist grundsätzlich nur (das MdJ spricht hier von "zur Zeit") für natürliche Personen, also Bürgerinnen und Bürger in allen Ausprägungen zugelassen und das auch nur für "Gelegenheitsnutzer", was immer das auch heißen mag. Für alle anderen gibt es Alternativen, etwa das eBO (Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationspostfach), dann aber eben über kostenflichtige Software. Das MJP ist kostenlos.
Bürgerinnen und Bürger können das MJP nutzen, wenn sie auf exotische und anachronistische Übermittlungswege wie Fax, Pergament oder Tontafeln verzichten wollen oder müssen. Eine Übermittlung wird quittiert, d.h. der Emfang beim Empfänger ist eindeutig nachweisbar. Die Quittung kann mit allen IDs, Datum und Uhrzeit angezeigt werden und dürfte Beweiskraft entfalten. Allerdings kann man die Quittungen nicht laden, daher mache ich davon Screenshots.
Eingehende Nachrichten können in der aktuellen Ausbaustufe tatsächlich nicht durch eine E-Mail-Benachrichtigung angezeigt werden. Allerdings ist die Verpflichtung des Empfangs via MJP auch noch nicht gesetzlich geregelt, die Papierform und der Zugang über den Postzusteller ist hier das einzige Mittel der Justiz, welches einen rechtlich bindenden Zugang auslöst. Ich habe bisher auch nur ein einziges Mal eine Nachricht von Gericht erhalten und das war auch ein höflicher Hinweis auf eine fehlerhafte Einreichung, da die Zeit knapp war.
Muss noch was nachtragen, der Leser hat mir noch einige Ergänzung geschickt – hatte aber noch keine Zeit.
Danke für die Einblicke, insb. auch (1), (2)!
Die deutsche Justiz und Informationstechnik, das wird wohl nichts mehr. Umso schlimmer, dass Juristen allerorten in Sachen Informationstechnik rechtswissenschaftlich publizieren, Gesetzesentwürfe formulieren, Rechtsberatung betreiben, Urteile sprechen etc., ohne von der Materie an sich den Schimmer einer Ahnung zu haben. Schlimm auch die Ausfälle und erfolgreichen Angriffe auf prekär betriebene Informationssysteme im Bereich von Rechtsprechung und Rechtspflege, die doch eigentlich kritische Infrastrukturen sind.
Ein Stück weit kann ich muslimische Paraellelgesellschaften, die sich ihre eigenen Richter leisten, schon verstehen. Es muss nicht alles am deutschen Wesen genesen.
(1) "… für natürliche Personen, also Bürgerinnen und Bürger in allen Ausprägungen zugelassen und das auch nur für "Gelegenheitsnutzer", was immer das auch heißen mag. "
(2) "Allerdings kann man die Quittungen nicht laden, daher mache ich davon Screenshots."
Deine Ausführungen zu "Parallelgesellschaften" solltest Du künftig unterlassen, sonst sperre ich – da habe ich Null Verständnis! Wer in diesem Land leben möchte, wird sich dem deutschen Rechtssystem fügen müssen.
Den Folgekommentar, der mir Born'ches Nazisprech und Forderungen nach Remigration unterstellt, habe ich schlicht gelöscht. Ich halte es für selbstverständlich, wenn jemand in Deutschland lebt, dass er akzeptiert, dass hier deutsches und europäischen Recht gilt.
Ich weiss nicht wie zielführend es wäre, "Anonym"e Kommentare abzuschalten, aber gefühlt kommen von da in letzter Zeit immer häufiger 'weniger konstruktive' Kommentare.
Auch von mir vielen Dank für den 'Sachstandsbericht' und die Korrekturen ggüber meinem 'Hörensagen'! 👍
Bei allem, was personenzuordenbare Datenspuren hinterlässt, bin ich eher sehr zurückhaltend und so fehlt dann eben die persönliche Erfahrung, die ich auf anderen Gebieten als Nutzer oder gar early adopter sammeln kann.