Status elektronische Patientenakte (ePA 3.0): Weg ins Desaster?

Gesundheit (Pexels, frei verwendbar)Ab 15. Januar 2025 soll ja die elektronische Patientenakte (ePA) für gesetzlich Krankenversicherte eingeführt werden. Die Möglichkeit zum korrekten Opt-out wurde meinen Informationen nach "verstolpert". Auch herrscht Unklarheit, ob der Start im Januar 2025 klappt. In einer Konferenz der Freien Ärzteschaft in Berlin wurde der ePA-Ansatz Ende November 2024 von den Fachleuten regelrecht zerrissen. Zeit für eine weitere Bestandaufnahme.


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Die Elektronische Patientenakte (ePA)

Mit den im Dezember 2023 verabschiedeten Gesetzen, Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und das Digitalgesetz (DigiG), will Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranbringen – was ja nicht schlecht sein muss. Im Digitalgesetz sind die Voraussetzungen zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ab dem 15. Januar 2025 für gesetzlich Krankenversicherte geschaffen. Privat Krankenversicherte bleiben (erst einmal) außen vor.

Mein Problem bei dem gesamten Ansatz: Die elektronische Patientenakte (ePA) gibt es bereits seit 2021 als Anforderung durch Versicherte. Es haben sich aber nur um die 1% der Leute dafür entschieden. Mit dem "Neustart" der elektronischen Patientenakte, jetzt als ePA 3.0 bezeichnet, ab Januar 2025, sollen alle gesetzlich Versicherten (nicht aber Privatversicherte) "zwangsbeglückt" werden.

Wer das nicht möchte, muss per Opt-out gegenüber seiner Krankenkasse angeben, dass er das Anlegen der elektronischen Patientenakte nicht wünscht. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen alles, was von der DSGVO bei einer Speicherung persönlicher Daten gefordert wird – dort wird eine Einwilligung der betreffenden Person gefordert – wäre also Opt-in.

Was auch kneift: Die Sicherheit dieser gespeicherten Daten ist alles andere als gewährleistet. Ich verweise auf meinen Blog-Beitrag Sicherheitsgutachten zur elektronischen Patientenakte (ePA). Die gematik, als Verantwortliche für die Umsetzung, sieht die ePA als sicher, klammert aber alles aus, was nicht in ihrer Verantwortung liegt. Man kann das im Blog-Beitrag thematisierte Sicherheitsgutachten zur ePA auch als "Blaupause für Datenschutzvorfälle mit organisierter Verantwortungslosigkeit" interpretieren.


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Wo bei mir die Akzeptanz komplett bricht: Aktuell wird die ePA ja als Digitalisierung im Gesundheitswesen mit "Verbesserungen für Patienten" beworben. Wird von der Öffentlichkeit geglaubt bzw. die Masse interessiert sich nicht dafür und ist sich auch der Folgen von ePA 3.0 nicht im Klaren. Wird in manchen Kommentaren hier im Blog deutlich, wenn Leute glauben, dass die ePA "Leben im Notfall rettet und die Versorgung verbessert".

In den zahlreichen Blog-Beiträgen zur ePA hatte ich ja aufgezeichnet, welche (vermutlich wahren) Motive hinter der ePA stecken. Es geht um Daten, die dann unter dem Mäntelchen "für Forschung" breit an die Industrie gehen. Ich hatte dies, angefangen von ersten Gutachten der Bertelsmann-Stiftung bis zu aktuellen Entwicklungen nachgezeichnet. Die Spitze des "Eisbergs" an Begehrlichkeiten wurde die Tage sichtbar, als noch Gesundheitsminister Prof. Karl-Lauterbach das Interesse der US-Tech-Giganten Meta (Facebook), OpenAI (KI) und Google (Suchgigant) öffentlich machte. Mein Beitrag Elektronische Patientenakte (ePA): Hebt Lauterbach mit Meta, OpenAI und Google den "Datenschatz" umreißt, was Versicherten mit ePA droht.

Es kommt zu einer Entmündigung der Versicherten, was ihre Gesundheitsdaten in der ePA geht. Diese fließen beim Forschungsdatenzentrum (FDZ) zusammen und werden auch an den als European Health Data Space (EHDS) bezeichneten europäischen Datenpool weitergeleitet. Der Patient hat da keinen Einfluss mehr, was mit seinem Daten aus der ePA passiert. Es hilft auch nicht, dass die Protagonisten wiederholen, dass die Versicherten festlegen, wer ihre ePA-Daten sieht. Stecken der Gesundheitskarte beim Arzt oder in der Apotheke, schaltet die Akte für 90 Tage frei.

Das Gesundheitsministerium hat Anfang November 2024 eine Kampagne zur elektronischen Patientenakte gestartet, um keine "Fake-News" aufkommen zu lassen. Die Redaktion von heise hatte das in diesem Artikel – samt Datenschutzbedenken – und weitere Insights veröffentlicht.

Zum "aber im Notfall rettet die ePA dein Leben", was auch vom Gesundheitsministerium in die Debatte geworfen wurde, noch ein Link auf diesen Kommentar, bei heise eingestellt. Dort räumt jemand mit den Mythen auf – die Notfall-Informationen können auf der eKG (Krankenkassenkarte) gespeichert werden – macht nur kaum jemand.

Und zur Frage: Wer soll das ausbaden? verlinke ich an dieser Stelle mal auf diesen Kommentar von Ende 2023 bei heise, wo es um die Frage geht, ob Praxen ePA-ready seien. Das wird technisch bestätigt – aber der Poster schildert deutlich die Situation bei den Ärzten, die in eine massive Überforderung im Hinblick auf den Aufwand getrieben werden.

Was die Landesdatenschutzbeauftragte sagt

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, Bettina Gayk, hat Anfang November 2024 in einer Presseinformation darauf hingewiesen, dass die neue elektronische Patientenakte (ePA) Anfang 2025 für gesetzlich Krankenversicherte an den Start geht. Da die Krankenkassen Briefe im November Briefe an die Versicherten schickten, in denen sie über die konkreten Neuerungen der ePA informieren, gab es einen Ratschlag von Bettina Gayk: "Die Versicherten sollten sich besonders intensiv mit den Informationen zu ihren Widerspruchsmöglichkeiten beschäftigen", denn diese seien kompliziert geraten – und beträfen auch besonders sensible Behandlungsdaten.

Gayk: "Versicherte sollten sich rechtzeitig mit der neuen ePA vertraut machen und dann sorgfältig entscheiden, ob und in welchem Umfang sie von ihren komplexen Widerspruchsmöglichkeiten Gebrauch machen. Andernfalls wird die ePA automatisch eingerichtet und mit Informationen befüllt, die Patienten womöglich nicht offenlegen wollen."

Das neue Digital-Gesetz (DigiG) sieht vor, dass die Krankenkassen Anfang 2025 für alle gesetzlich Versicherten auch ohne deren ausdrückliches Einverständnis eine elektronische Patientenakte (ePA) anlegen. Ärzt und Ärztinnen sowie Krankenhäuser etwa seien künftig verpflichtet, dort bestimmte Daten zu speichern, wenn diese bei einer Behandlung erhoben wurden. Hierzu gehören Befunde, Arztbriefe, Berichte im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung sowie Informationen, um die Verschreibung von Medikamenten digital zu überwachen und zu steuern. Auch Abrechnungsdaten der Krankenkassen werden automatisch in die ePA übertragen. Außerdem können Versicherte ihre ePA selbst mit Dokumenten, Arztbriefen und Befunden befüllen.

Die behandelnden Mediziner erhalten zugleich standardmäßig Zugriff auf alle Inhalte der ePA ihrer gesetzlich Versicherten. Einer Einwilligung der oder des Betroffenen bedarf es nicht, schrieb auch Gayk. Sobald die elektronische Gesundheitskarte vor Ort in der Praxis als Nachweis der Behandlung eingelesen wird, steht die ePA den behandelnden Ärzten grundsätzlich für 90 Tage zur Verfügung. Also genau das, was ich mehrfach in Blog-Beiträgen angesprochen hatte.

"Neu ist auch, dass die in der ePA gespeicherten Daten ab Mitte 2025 ohne Einwilligung der Versicherten an das sogenannte Forschungsdatenzentrum übertragen werden können. Von dort aus können sie pseudonymisiert für die Forschung abgerufen werden", erläutert die Landesdatenschutzbeauftragte.

Den Versicherten steht zwar das Recht zu, der Einrichtung der Akte zu widersprechen. In bestimmtem Umfang können sie auch noch später die Aufnahme von Informationen in eine bereits eingerichtete ePA stoppen. Auch können Sie Zugriffs- bzw. Einsichtnahmerechte der behandelnden Ärzte einschränken und der wissenschaftlichen Nutzung ihrer Daten widersprechen. Allerdings seien hier die Möglichkeiten sehr differenziert und komplex schreibt die Landesdatenschutzbeauftragte.

So kann manchen Funktionen nur grundsätzlich widersprochen werden. Das gilt etwa im Falle von e-Rezept-Daten oder Abrechnungsdaten. Bei anderen Informationen funktioniert der Widerspruch dagegen auch im konkreten Einzelfall. Die Beauftragte empfiehlt daher, sich mit diesen Themen zu beschäftigen – insbesondere auch mit Blick darauf, an welche Stelle der jeweilige konkrete Widerspruch zu richten ist. "Das variiert – je nachdem, worauf sich der Widerspruch richtet", so Gayk. "Der Widerspruch gegen die Anlage einer ePA ist etwa direkt an die jeweilige Krankenkasse zu richten. Andere Widersprüche können nach Einrichtung der ePA unmittelbar über die zugehörige App wahrgenommen werden."

Alternativ können sich Versicherte, die keine App nutzen wollen, in vielen Fällen an speziell von den Krankenkassen einzurichtende Ombudsstellen wenden. Dem Einstellen von Behandlungsdaten müssen Versicherte wiederum gegenüber den behandelnden Ärzt*innen oder anderen Gesundheitsdienstleistern widersprechen. E-Rezept-Daten finden nur dann keinen Eingang in die ePA, wenn ihrer Übertragung generell über die ePA-App oder gegenüber der Ombudsstelle der Krankenkasse widersprochen wird.

Gayk ist deshalb wichtig hervorzuheben: "Obwohl der Gesetzgeber bei der Regelung der neuen ePA auf die bisher notwendige Einwilligung der Versicherten verzichtet hat, können diese weiterhin Einfluss auf die Verarbeitung ihrer Gesundheits- und Behandlungsdaten nehmen. Wenn sie sich frühzeitig über ihre Widerspruchsmöglichkeiten informieren, können sie ihr Selbstbestimmungsrecht weiterhin wirksam und eigenverantwortlich wahrnehmen." Abschließend kam noch der Verweis auf diese Informationsseite zum Widerspruch.

ePA-Opt-Out verstolpert?

Seit einigen Wochen werden gesetzlich Versicherte über ihre Krankenkasse über die ePA informiert und bekommen die Möglichkeit, dem Anlegen der elektronischen Patientenakte (ePA) durch sogenanntes Opt-out zu widersprechen. Ich hatte einige Einblicke im Beitrag Elektronische Patientenakte (ePA) und das (zwingende) Opt-out gegeben. Dann habe ich im Beitrag Elektronische Patientenakte (ePA): Opt-out jetzt! Erste Pläne für Begehrlichkeiten noch praktische Hinweise gegeben – und einen Fall von ersten Begehrlichkeiten eines Herstellers eines Praxis-Verwaltungssystems (PVS) zum Zugriff auf die Patientendaten geschildert. Also noch ein "Sündenfall" in diesem Bereich.

ePA Opt-out-Schreiben der TK

Obiger Scan ist das Schreiben meiner Krankenkasse. Ich habe das Opt-out auf der Webseite global für die ePA vornehmen können. Was mir in diesem Kontext aber unklar war: Eigentlich hätte ich ein granulares Opt-out vornehmen können müssen. Ein Leser hatte mich darauf hingewiesen (danke) und ich thematisierte es hier jetzt mal.

Granulares Opt-out bei der ePA
(Bild: Diakonie BKK)

Die Kollegen von heise hatten es Anfang November 2024 im Artikel Opt-out: Widerspruchsmöglichkeiten bei der elektronischen Patientenakte aufgeschlüsselt – den Artikel sollte man auf jeden Fall aufmerksam durchlesen, da er viele Informationen enthält. Manche Krankenkassen bieten die oben erwähnt granulare Möglichkeit des Widerspruchs bzw. Opt-outs. Die TK ermöglicht nur ein globales Opt-out, welches ich genutzt habe. Die Diakonie BKK bietet dagegen die in obigem Bild aufgelisteten Widerspruchsmöglichkeiten.

An dieser Stelle stellt sich mir die Frage: Wieso gibt es diese unterschiedlichen Varianten des Opt-out? Für mich sieht es so aus, dass das Opt-out von den gesetzlichen Krankenkassen "verstolpert wurde". Jeder hat irgend etwas gemacht, aber eine saubere und einheitliche Vorgabe für ein granulares Opt-out hat es offenbar nicht gegeben. Die TK schildert das Ganze in einem sehr positiven Licht – ist wohl der Position ihres Chefs, Jens Baas, geschuldet, dem der Ex-Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber "unethisches Verhalten" vorwirft (siehe Text weiter unten).

Persönlicher Gedanke: Wenn ich sehe, wie die gesamte Geschichte "verstolpert" wird, bin ich ganz froh, dass die meisten Krankenkassen nur ein generelle Opt-out anbieten. Da habe ich wenigstens Hoffnung, dass die Anbieter das Opt-out gehandhabt bekommen. Bei einem granularen Opt-out wäre immer die Frage: "Wird mein Widerspruch gegen eine Forschungsdatenspende beachtet". Kontrolle hast Du ja keine, es könnte höchstens eine DSGVO-Auskunft mit der Frage, welche Daten an wen gegangen sind, gestellt werden.

Wird der Termin gerissen?

Der Masterplan sieht vor, dass die ePA 3.0 zum 15. Januar 2025 in zwei Modellregionen startet und ab März 2025 flächendeckend in den Regelbetrieb geht. Dass der Plan "sehr ambitioniert ist", wurde mir klar, als ich mitbekommen habe, wann das Sicherheitskonzept der ePA einem Audit unterzogen wurde und wann die Ergebnisse in die Implementierung eingeflossen sind.

Bereits im November 2024 drückte heise im Artikel Entwickler zu E-Patientenakte: Ab Januar "dunkelgrüne Schrumpelbananensoftware" die Erwartungen der Fachleute aus. Das Bild, was gespiegelt wird: Das Bundesgesundheitsministerium sagt "alles klar geregelt". Entwickler merken an, dass es nicht mal Testszenarien für die Software geben. Liest sich ein bisschen: "Ab März 2025 beobachten wir, wie das Ganze mit Karacho voll gegen die Wand gefahren wird und dann zerschellt".

Ärzte und Kliniken schlagen schon länger Alarm (siehe), dass der Aufwand in der gegebenen Zeit nicht zu stemmen sei – die betreffende Software ist wohl noch nicht fertig und die Daten müssen eingepflegt werden.

Im November 2024 gab es Gerüchte, dass die Einführung der ePA verschoben werden könnte. Laut Bundesgesundheitsministerium bleibt es bei den Terminen – ab 15. Januar 2025 geht es in Modellregionen los, ab Mitte Februar 2025 soll es bundesweit richtig losgehen (heise hatte hier berichtet). "Die Software-Hersteller für die Leistungserbringer sind nicht mehr verpflichtet, schon zum 15. Januar bundesweit das Modul für die technische Anbindung der Ärzte/Apotheker/Krankenhäuser an die ePA auszurollen, sondern erst zu dem Zeitpunkt der erfolgreichen Erprobung in den Modellregionen", schrieb Susanne Ozegowski vom Bundesgesundheitsministerium auf LinkedIn.

Eine Entschärfung gibt es dennoch, wie ich hier gelesen habe: Es gibt keinen Stichtag mehr, zu dem die Praxissoftware für die neue elektronische Patientenakte (ePA) einsatzbereit sein muss. Daher sind Ärzte jetzt auch nicht mehr verpflichtet, die ePA mit Daten zu befüllen. Es wird vorerst keine Kürzungen der TI-Pauschale oder der Honorare für Ärzte und Psychotherapeuten geben, wenn diese keine Daten einstellen. Mir geht da ein abgewandelter Spruch durch den Kopf "Stell dir vor, es gibt ePA und keiner macht mit".

Und es gibt noch eine Karotte, ich zitiere mal aus dem verlinkten heise-Beitrag: "Für alle Primärsysteme und damit für Praxen und Krankenhäuser in ganz Deutschland startet die ePA erst nach 'positiven Erfahrungen' aus den Modellregionen." Jetzt bin ich gespannt, wann diese "positiven Erfahrungen" öffentlich werden.

Verheerende Kritik an ePA-Umsetzung

Ich möchte meinen Überblick über den Stand der ePA mit einem kleinen Schwenk abschließen. Im Hinblick auf Leute, die auch hier im Blog "lasst es doch anlaufen, die ePA kann was Gutes werden", ein Blick dahin, wo die Fachleute, sprich Datenschützer und Mediziner sitzen, werfen.

Am 30. November 2024 fand der Kongress der Freien Ärzteschaft in Berlin statt (siehe auch). Dort ging es auch zur ePA 3.0 kräftig zur Sache. Mit dabei der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragt Ulrich Kelber. Die Redaktion von heise hatte wohl einen Vertreter zur Beobachtung geschickt und berichtet im Artikel Elektronische Patientenakte 3.0: Versicherte wissen nicht, was auf sie zukommt die dort gesammelten Eindrücke. Ich zähle mal die Bruchstücke der Fundamentalkritik auf:

  • Die ePA ist nicht funktionsfähig, wird aber ein zwei Monaten auf die gesetzlich Versicherten losgelassen.
  • Für Ärzte hingegen kommen weitere haftungsrelevante Fragen auf. Muss ein Arzt die Daten der ePA lesen? Hier werden Gerichte sicherlich urteilen, lese ich aus den Aussagen der Kassenärztliche Bundesvereinigung.
  • Es gibt übrigens kein Beschlagnahmeverbot und das Zeugnisverweigerungsrecht für Gesundheitsdaten im Gesundheitsdatennutzungsgesetz – ein Unding.
  • Die neuen Regelungen mit der ePA 3.0 bedrohen laut dem Vorsitzenden der Freien Ärzteschaft, Wieland Dietrich, und Silke Lüder aus dem Vorstand der Freien Ärzteschaft, die ärztliche Schweigepflicht.
  • Der suggerierte Vorteil der ePA ist laut Wieland Dietrich ein "fataler Irrweg" und setzt Fehlanreize. Silke Lüder räumt mit dem Mythos "ePA verhindert Doppeluntersuchungen" auf, und benennt verschiedene Gründe für eine vom Arzt angeforderte weitere Untersuchung.
  • Christian Messer, Chef von MEDI Berlin-Brandenburg, meint "Ärzte wollen zwar Digitalisierung, aber nicht so". Man warte auf eine "vernünftige Digitalisierung im Gesundheitswesen". Aber die ePA bringt zu Beginn keinen Nutzen, schafft "aber erhebliche Risiken". Messer wird mit der Aussage "Schweigen wird zur Zustimmung. Das ist neu. Schlimmer noch, die Debatte darüber wird tabuisiert. Zu groß ist die Gier nach Daten und Geld" zitiert. Im Bundesgesundheitsministerium rede man sich bezüglich der zu hebenden Datenschätze in Rauschzustände.
  • Die neue ePA kommt zudem mit einem beschränkten Berechtigungsmanagement kommen – die bisherigen drei Vertraulichkeitsstufen wird es nicht mehr geben (das ist mir auch neu).

Vernichtend auch die Kritik des ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber an der elektronischen Patientenakte. Viele ethische Fragen (z.B. Arztgeheimnis oder Mechanismen im Forschungsdatenzentrum), die vor Diskriminierung schützen, seien ungeklärt. Laut Kelber verlaufe die "Digitalisierung zu langsam und nun zu überhastet" – was einer Katastrophe gleichkomme.

Kelber moniert, dass elektronische Identitäten im Gesundheitswesen seit Jahren nicht weiterentwickelt würden und würden unterfinanziert seien. Weil die Basis fehle, würden "Bastellösungen" geschaffen, um Dinge zu umgehen. Die analogen Prozesse würden 1:1 digital umgesetzt, was nicht hin haut.

Kritik gibt es auch daran, das Sicherheitsniveau der ePA herabzusetzen. Aktuell müssen Patienten selbst einschätzen, welches Sicherheitsniveau sie nutzen möchten – geht gar nicht. Kelber kritisiert, dass Ärzte und Apotheken nach dem Stecken der Gesundheitskarte für 90 Tage Zugriff auf die ePA-Daten haben.

Bestimmte Medikations- und Abrechnungsdaten können nicht aus der ePA gelöscht werden, was zu Diskriminierung führen kann. Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, der die Pläne von Lauterbach zur Digitalisierung in der gegenwärtigen Form begrüßt, wird von Kelber "unethisches Verhalten bezüglich der geäußerten Positionen" vorgeworfen.

Es geht darum, dass überforderte Versicherte "zu jeder Zeit wissen und bedenken sollen, welche besonders sensible Daten über sie automatisch im Hintergrund in die ePA geladen werden und dann für sehr viele Personen, von der Ärztin über den Apotheker bis zur Physiotherapeutin und dem Heilmittel-Versorger (und all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) jeweils und jedes Mal bis zu 90 Tage nach dem Einlesen einer Gesundheitskarte dort sichtbar sind".

Kelber sieht "Digitalisierung mit der Brechstange, die Vertrauen verspielt" und geht davon aus, dass diese Hau-Ruck-Methode letztendlich vor Gerichten scheitern wird. Zudem stellt Kelber grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des ePA-Ansatzes in Frage. Einerseits sollen Versicherte Daten in die ePA hochladen aber auch löschen können. Andererseits soll die ePA die Grundlage für die ärztliche Behandlung sein – das funktioniere nicht, so Kelber.

Kelber sieht allerdings politisch keine Bereitschaft, die Pläne rund um die ePA grundlegend zu ändern. Als er beim elektronischen Rezept Datenschutzverstöße anprangerte und Änderungen durchsetzte, endet dies damit, dass dem Bundesdatenschutzbeauftragten das Vetorecht in diesem Bereich entzogen wurde.

Allen Befürwortern der ePA kann ich nur die Lektüre dieses heise-Beitrags empfehlen. Es sieht so aus, dass die ePA kommendes Jahr mit der Brechstange eingeführt  wird und Deutschland "kraftvoll Digitalisierung im Medizinwesen" versucht. Was kann schon schief gehen.

Ich habe vor zwei Monaten noch geschwankt, ob ich die ePA granular für mich freischalten lassen soll. Es hätte ja (widererwarten) etwas sinnvolles entstehen können – wie Kommentatoren hier im Blog es sich erhofften. Aktuell werde ich aber beobachten, wie das Vorhaben mit Karacho gegen die Wand gefahren wird. Sollte es in zwei, drei Jahren alles funktionieren, lässt sich immer noch entscheiden "ich will jetzt auch eine ePA".

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21 Antworten zu Status elektronische Patientenakte (ePA 3.0): Weg ins Desaster?

  1. Luzifer sagt:

    Ich seh das so: Die Masse bejubelt es also sollen sie auch gehörig auf die Schnauze fallen damit! Nur wenn der Schaden groß genug werden es die Leute lernen.
    Ich hab da schon lange kein Mitleid mehr, wer nicht hören will muss eben fühlen.

    Die ePA wird jedenfalls ein voller Erfolg… für die ganzen Datenschnorchler ;-P
    Das ist das Schlaraffenland auf dem Gold Tablet. Die Diamantklasse der Begehrlichkeiten.

    Egal die Seelen gehören mir ;-P

    • Mira Bellenbaum sagt:

      Du siehst das FALSCH!
      Nicht jeder hat die Zeit, sich mit einem solchen komplexen Thema auseinander zu setzen!
      Und selbst wenn, es überfordert auch viele und sie verstehen ES nicht!
      Was soll den so schlimm daran sein, wenn das medizinische Personal alles über Dich weiß?
      Dass es eben nicht nur das medizinische Personal ist, ist denen gar nicht bewusst!
      Und was einmal in dieser ePA abgelegt wurde, lässt sich nicht mehr "einfangen" oder gar löschen!
      Ich hatte gerade eine Diskussion mit meiner Tochter, 20!
      Ein Leben lang wäre sie stigmatisiert, wenn sie warum auch immer abgetrieben hätte,
      oder mal in physischer Behandlung gewesen wäre!
      Da der Datenschutz ja nicht gewährleistet wäre, könnte es sein, dass ein zukünftiger AG sie
      auf solche Dinge anspricht!
      Sie versteht das nicht!!!!
      Der Widerspruch ging dennoch raus. Sie kann ja nächstes Jahr diesen widersprechen, bzw.
      ihn aufheben.

      Das soll nur als Beispiel dienen! Menschen werden durch dieses Vorgehen überrumpelt,
      belogen und betrogen.
      NUR, weil andere sich mit diesen Daten eine goldene Nase verdienen wollen.

      Ich hoffe das Vorhaben der ePA 3.0 fährt voll vor die Wand!
      Angelegte Daten schon am 30.01.2025 offen im Netz und die Infrastruktur gehackt
      und kompromittiert, dass sie nicht mehr genutzt werden kann!
      Sollen die Kartenleser kaputt geflasht sein, wäre das richtig gut!

      • Günter Born sagt:

        Zu deiner Tochter und "Dinge nie wieder aus ePA 3.0": Ich hatte es ja in diversen Beiträgen angedeutet – ich betreue zwei Familienangehörige in Punkto medizinischer Versorgung. Gespräch beim Arzt wegen Abklärung, ob eine physischer Behandlung erforderlich wäre. O-Ton: "Das, was wir gerade in den letzten Sätzen besprochen haben, schreibe ich nicht in den Arztbrief, das kriegen Sie nie wieder aus der Krankenakte, auf die auch Behörden Zugriff haben". O-Ton vom Ärztekongress aus obigem Artikel: "Man kann dann sehen, ob jemand einen Schwangerschaftsabbruch hatte – was in Polen strafbar ist." Oder "Versandapotheken fordern Zugriff auf die ePA".

        Muss die Fraktion "Ich habe doch nichts zu verbergen" eigentlich noch mehr wissen?

        • Mira Bellenbaum sagt:

          So weit wird aber leider nicht gedacht!
          Zumal, was Polen angeht, die Gesetzeslage ja eigentlich nicht geklährt ist!
          Kommt sie vor Gericht? Deutscher Staatsbürgen mit Wohnort in De und
          nur zu Urlaub. Spannende Frage.
          Versandapotheke, bzw Apotheken im allgemeinen, zählte sie irgendwie zu medizinisches Personal, und selbst als ich Einspruch erhob, kam sie mit "Datenschutz und Schweigepflicht"! Da wusste ich nicht mehr weiter!
          Ach, und Behörden zugriff habe ich ganz vergessen, das war mir auch nicht bewusst.
          Ist das dann bei der ePA so, dass Behörden darauf zugreifen können,
          oder noch schlimmer ist es denn jetzt auch schon so?

  2. M sagt:

    Kino – Popcorn an der Kasse nicht vergessen – Film wird länger ;)

  3. R.S. sagt:

    Was mich an der Opt-Out Geschichte wundert:
    Warum hat dagegen noch niemand geklagt?
    Es ist ja ein offensichtlicher Verstoß gegen die DSGVO, die ein Opt-In vorschreibt.
    Und wenn die deutschen Gerichte sich nicht damit befassen wollen, dann aber sicherlich der EUGH.

  4. Detti sagt:

    Ich habe bei Krankenkasse alles widersprochen. Habe auch Bescheid bekommen. Ich nicht will das jeder .Am aller wenigstens ,diese Regierung oder sonst wer in aller Welt Zugriff auf meine Daten haben. Soll sich doch der Gesundheitsminister jetzt wieder gegen Coranavirus impfen lassen. Werbung wird ja schon wieder in ZDF gemacht. Angst schüren ist die Hauptsache, was die können^^

  5. Steter Tropfen sagt:

    Meine unsägliche Krankenkasse hat für den Opt-Out hohe Hürden errichtet: Auf der dafür angegebenen Website wird man mit IT-Fachchinesisch erschlagen, soll diverse Berechtigungen erteilen, aber nur, wenn man dem unbekannten Anbieter vertraut… klare Strategie, Leute, die eben dem ganzen Digitalkram misstrauisch gegenüberstehen, wegzuscheuchen, damit sie ihren Widerstand aufgeben und die ePA doch über sich ergehen lassen. Dass man auch ganz klassisch per Brief widersprechen darf, wurde wohlweislich gar nicht erwähnt.
    Die Bestätigung des Widerrufs ließ fast 3 Monate auf sich warten, besteht hauptsächlich aus „Sollten Sie doch von den Vorteilen der neuen, sicheren ePA für Ihre Versorgung profitieren wollen, können Sie jederzeit Ihren Widerspruch rückgängig machen." und wird begleitet von einer großen Werbebroschüre „App statt Aktenordner", in der einem ein Model mit Ohrfeigengrinsen die Vorzüge der Audi BKK ePA-App schmackhaft machen will: „Bequem downloaden! Einfach registrieren! Sicher einloggen! Vorteile nutzen! Worauf Sie sich freuen dürfen…" – Wer sich davon übertölpeln lässt, dem ist eigentlich nicht mehr zu helfen.
    Schlimm, wenn eine Krankenkasse sich so kritiklos als Jubelkasper instrumentalisieren lässt, anstatt das Ganze wenigstens mit sachlicher Distanz und dem nötigen Maß an Verantwortung durchzuführen.

  6. janil sagt:

    Danke für die sehr umfassende Jahresendaufbereitung zur ePA.
    Die meisten Blog-Leser werden widersprochen haben und die, die es wollen, sollen es halt haben. Gucken wir mal im Januar, wie sich das weiter entwickelt.

  7. T Sommer sagt:

    Auch von mir keine ePA!
    Mal sehen wer der nächste Gesundheitsminister wird und was der für Ideen hat.

    • harfes sagt:

      Egal wer es wird – es wurden bereits zig Milliarden Euronen verballert und das ganze müsste aber sauber neu aufgesetzt werden…was wiederum weitere zig Millarden kosten würde. Das wird sicherlich nicht passieren, da kein Geld! Daher befürchte ich, dass der Murks weitergeht. Bleibt nur zu hoffen, dass die ePA wirklich wegen Datenschutz (oder anderer Probleme) hart gegen die Wand fährt – was aber trotzdem wieder uns Steuerzahlern Geld kosten…

  8. Rudi Rüssel sagt:

    Getreu dem Motto: wer nichts weiß, muss alles glauben.

    Amen!

    Die meisten Menschen haben aktuell andere Sorgen und verstehen das sowieso nicht bzw. wollen es nicht verstehen.

  9. Klaus451f sagt:

    Ich bin nicht sicher, ob nicht doch Daten ans Forschungsdatenzentrum und damit an die EU gehen. Z.B. Daten, die die KK automatisch ergänzen oder die erwähnten 400 Registern. Was dann? Das erfährt man gar nicht und opt-out gibt's auf EU -Ebene auch nicht.

  10. Schwarzes_Einhorn sagt:

    Wir haben einfach schriftlich per Einschreiben ohne den ganzen Online-Kram widersprochen (DAK schon länger, AOK vor kurzem). Von beiden Kassen kamen in vertretbarer Zeit die Bestätigungen. Natürlich mit dem Satz, daß man jederzeit blablabla… die ePA noch machen kann.

  11. michael sagt:

    Der Widerspruch wird nicht viel nutzen, da super-sicher und BRD-IT werden die Daten trotzdem ihren Weg in die Wolke und zur US-Pharmamafia finden. Viele kotzen per Smartwatch / Fitnessarmbänder / Gesundheitsäpps ihre Daten zu US/China-Firmen raus. Demokratisch sieht es da wie so oft schlecht aus. Im nächsten Schritt wird der ePA dann schlicht verbindlich gemacht, ansonsten eine extra teure Monatsgebühr extra, wegen Verwaltungsaufwand versteht sich.

    • Mira Bellenbaum sagt:

      Äh, doch!
      Denn es wird dann erst einmal gar keine ePA angelegt!
      Was "viele" so privat machen ist erst einmal egal!
      Und hat mit dieser "Zwangsbegückung" auch absolut nichts zu tun.
      Ob die ePA irgendwann einmal zur Pflicht wird, werden wir noch sehen.
      Auf jeden Fall nicht so, wie der Zeit geplant.

  12. Charlie sagt:

    Wenn die ePA so hilfreich und sinnvoll ist, wie behauptet, warum werden die Privatversicherten dann benachteiligt? ;)

  13. mw sagt:

    Ich habe der ePA schon widersprochen, als das Gesetz noch gar nicht beschlossen war. Die TK wollte das nicht zur kenntnis nehmen. Auch mein Hinweis, daß ich bereits widersprochen hatte nach Erhalt des Schreibens wurde lapidar mit der Bemerkung "das gilt nicht" abgetan. Aber Willenserklärung bleibt Willenerklärung. Und für den wirksamen Widerspruch ist keine Form vorgeschrieben. Die Krankenkassen tun alles, um ihre versicherten in die ePA zu "zwingen". Von wem werden die gleich bezahlt?
    Wehret den Anfängen! Daten die nicht vorhanden sind, können nicht mißbraucht werden. Und wo Tröge sind, kommen die Säue.
    Noch eine letzte Frage: was machen die Gematik Verantwortlichen eigentlich so beruflich?

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