Ich stelle mal eine Geschichte hier online, auf die ich die Tage gestoßen bin. Ein Privatmann hat versucht, ein Patent beim deutschen Patentamt anzumelden. Er bekam Post, dass das Patent zum Staatsgeheimnis erklärt wurde, weil es die nukleare Abschreckung der NATO gefährden könne. Nach Recherchen des WDR und Nachfragen, bei dem klar wurde, dass eine KI bei der Formulierung des Patentantrags im Spiel war, hieß es "eine Geheimhaltung sei nicht mehr gewährleistet". Der Fall zeigt einerseits die Possen des deutschen Rechts und andererseits die Implikationen der Verwendung von großen Sprachmodelle wie ChatGPT, Gemini etc.
Der Sachverhalt ist mir die Tage über nachfolgenden Tweet untergekommen und exklusiv im WDR-Beitrag Patentanmeldung: Plötzlich Staatsgeheimnis veröffentlicht worden.
Der Sachverhalt ist schnell skizziert. Wenn jemand glaubt, dass er etwas erfunden hat, kann er diese Erfindung per Patentanmeldung beim Deutschen Marken- und Patentamt in München einreichen und Patentschutz beantragen. Kostet ein wenig, dauert etwas und am Ende des Tages bekommt der Patentanmelder einen Bescheid, dass das Patent und damit der Schutz erteilt wird, oder die Mitteilung, dass die Erfindung nicht patentfähig ist. Aber es gibt noch eine weitere Variante …
Patent eingereicht und eine Schweigeverpflichtung kassiert
Der Privatmann Baran D. aus Ostwestfalen hatte eine Idee, die er in einen Patentantrag kleidete und im Frühjahr 2025 beim Patentamt einreichte. Die mehrere Monate dauernde Prüfung durch das Patentamt endete mit einem einfachen Brief (kein Einschreiben, keine Zustellung per Bote). Der Inhalt des als einfacher Brief zugegangenen Schreibens hatte es aber in sich, wie der WDR berichtet.
- Dem Einreicher wurde bestätigt, dass sein Patentantrag eine neue Erfindung im Sinne des Patentgesetzes darstellt, es kann also ein Patent erteilt werden.
- Dem Einreicher wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass die Einreichung nun als Staatsgeheimnis eingestuft sei.
Beantragt wurde diese Einstufung vom Verteidigungsministerium. Begründet wurde dies im Schreiben des Patentamts damit, dass dieses Patent "In fremden Händen die Ertüchtigung gegnerischer Kampffähigkeit, damit die Überwindung der deutschen Verteidigung, unter Umständen sogar die Gefährdung der nuklearen Abschreckung der NATO erlaube, woraus ein schwerer Nachteil für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik entstehe. Die Erfindung müsse daher vor fremden Mächten geheim gehalten werden."
Ab diesem Moment war für den Einreicher das Patent praktisch verbrannt – er durfte nicht mehr darüber sprechen und es nicht mehr verwerten. Das Patent verschwindet in den Panzerschränken "der Bundesrepublik Deutschland", bleibt unter Verschluss, und mit Glück bekommt der Patenteinreicher einen Vorteil, wenn die Erfindung durch die Bundeswehr oder eine der auftragnehmenden Firmen verwertet wird.
Bei einem Drehbuchschreiber wäre die Geschichte alleine wegen des obigen Sachverhalts als "überdreht" abgelehnt werden. Eine Mitteilung zu einem Staatsgeheimnis per normalem Brief verschickt, den der Postbote einfach so in der nächsten Mülltonne entsorgen könnte, zu verschicken, das lässt man einem Drehbuchschreiber niemals durchgehen. Etwas Seriosität muss schließlich auch in einem Drehbuch sein. Ich habe auch geschaut, mein Kalender zeigt nicht den 1. April an, und die WDR-Meldung ist vom 15.12.2025.
WDR recherchiert – Wendung wegen KI-Beteiligung
Aber die Story nahm eine noch irrere Wendung. Als der WDR beim Deutschen Marken- und Patentamt, und dessen "Büro 99", welches für Patente im militärischen Bereich zuständig ist, nachfragte, wurde erwartungsgemäß eine Stellungnahme abgelehnt. Aber im Nachgang zur Anfrage bzw. im Verlaufe der WDR-Recherche erreichte den Patentanmelder die Aufforderung mitzuteilen, ob und falls ja, welche Künstliche Intelligenz (KI) für die Patentanmeldung verwendet worden sei. Und ob die Unterlagen in eine Cloud hochgeladen worden seien.
Diese Aufforderung beantwortete der Patentanmelder damit, dass er eine KI zur Formulierung des Patentantrags verwendet habe. Es folgte die Antwort des Patentamts, dass wegen der Verwendung einer KI eine Geheimhaltung nicht mehr sicherzustellen sei. Begründung: Daten, die in eine KI eingegeben werden, würden zur Schulung und zur Verbesserung der KI verwendet.
Die neue Bewertung des Patentamts lautet nun: "Eine Geheimhaltung der Anmeldung ist nicht erforderlich." Und es folgt der Hinweis, dass nicht erwiesen sei, dass die beschriebene Erfindung tatsächlich funktioniere. Es handele sich bislang nur um Behauptungen, für die kein wissenschaftlicher Nachweis vorliege.
Dieser Vorgang, den der WDR Reporter Florian Flade hier nachzeichnet, zeigt einmal die Possen der deutschen Verwaltung auf. Er belegt aber auch sehr eindrücklich die Risiken, die die Verwendung von künstlicher Intelligenz mit sich bringt, wenn es um sensitive Informationen geht. Und der Vorgang macht deutlich, welche Fallen im Patentrecht lauern.
Abschließend deutet der WDR-Bericht an, dass der Patenteinreicher nun seine Erfindung in den USA und Kanada zum Patent anmelden will. Kannst Du dir nicht ausdenken, so etwas.




MVP: 2013 – 2016




Wenn das keine erfundene Geschichte ist, dann wäre das der Beweis: alle bekloppt und die Oberbekloppten sitzen an den Schaltstellen der Macht.
Ich habe den Beitrag jetzt bestimmt 5x gelesen und verstehe nicht was jetzt passiert ist bzw. wo das Problem liegt. Erst war das Patent ein Staatsgeheimnis, aber weil er KI verwendet hat ist es eh schon öffentlich und nicht mehr geheim, ist das hier der Clou?
Warum berichtet überhaupt der WDR darüber, dass irgendwer ein Patent einreicht und das als Staatsgeheimnis eingestuft wird. Ist dort der absolute crazy Part, dass es nur als Brief kam? Ist das soooo irre (weil es kein Einschreiben ist), dass der WDR hier eine Story draus macht?
Vor allem der Teil:
Die neue Bewertung des Patentamts lautet nun: "Eine Geheimhaltung der Anmeldung ist nicht erforderlich." Und es folgt der Hinweis, dass nicht erwiesen sei, dass die beschriebene Erfindung tatsächlich funktioniere. Es handele sich bislang nur um Behauptungen, für die kein wissenschaftlicher Nachweis vorliege.
Ja und was soll das jetzt heißen? Dann ist die Geheimhaltung halt nicht erforderlich, was folgt daraus? Patentantrag abgelehnt?
Es sei nicht bewiesen, dass es funktioniert. Aha ok, muss es das für ein Patent?
> Abschließend deutet der WDR-Bericht an, dass der Patenteinreicher nun seine Erfindung in den USA und Kanada zum Patent anmelden will.
Was hat das mit seiner Anmeldung in Deutschland zu tun? Wie hatte er es denn vorher angemeldet, als internationales Patent? Als rein Deutsches? Was ist da der Unterschied?
Sehr verwirrend alles.
Nun, erst ist es ein Patent, aber Staatsgeheimnis.
Kaum ist KI im Spiel, ist es plötzlich kein Staatsgeheimnis mehr.
Kaum ist es kein Staatsgeheimnis mehr, ist es angeblich plötzlich auch kein Patent mehr, sondern nur noch Behauptung.
Also ein Patent, dass keines ist. Mit Segen vom Patentamt.
Richtig. Schon sehr verwirrend. Und genau das sollten Äusserungen eines Patentamts eher nicht sein, oder?
Patentanmeldung im aussereuropäischen Ausland ist dann das Sahnehäubchen. Immerhin ein ehemaliges Staatsgeheimnis. Wenn sich dann an einer wichtigen Stelle dann doch nochmal eine andere Erkenntnis durchsetzt, wird er am Ende noch angeklagt, weil er dann doch ein Staatsgeheimnis verraten hat.
Nein! Doch! Oh!
| Es sei nicht bewiesen, dass es funktioniert. Aha ok, muss es das für ein Patent?
https://www.dpma.de/patente/patentschutz/schutzvoraussetzungen/index.html
Ich zitiere das DPMA:
Nach § 1 Abs. 1 PatG gibt es drei Kriterien für die Patentfähigkeit von Erfindungen:
Neuheit
Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit
gewerbliche Anwendbarkeit
Etwas, das nicht funktioniert, ist wohl nur schwerlich irgendwie sinnvoll gewerblich anwendbar. Es muss anfänglich aber noch nicht perfekt funktionieren.
Verwirrend ist das in der Tat. Aber ich fürchte, die Geschichte ist tatsächlich so bekloppt, wie sie klingt…