Na endlich, könnte man meinen – so langsam scheint sich im Microsoft Management Vernunft breit zu machen. Worum geht es? Um das unsägliche Ranking-System (Stacked Ranking oder Forced Ranking), welches bei Microsoft bisher zur Personalbeurteilung genutzt wurde – und welches Yahoo wohl gerade in einer ähnlichen Form einführt.
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Yahoo-Chefin jagt die "Minderleister"
Die Meldung rauscht gerade durch dieses Internetz: Die Chefin von Yahoo, Marissa Mayer, beordert nicht nur ihre Mitarbeiter vom Homeoffice an Präsenzarbeitsplätze, sondern hat wohl auch ein neues Mitarbeiterbeurteilungssystem eingeführt. Bei diesem System kommt eine Bewertungsmethode zur Anwendung, bei der ein Teamleiter seine Mitarbeiter in Kategorien einteilt und Leistungsbewertungen abgibt. Dabei muss es einen Durchschnitt geben, damit Outperformer hervorstechen. Und es gibt den Zwang, in der Gruppe Mitarbeiter als "Minderleister" einzustufen. Es gibt wohl fünf Kategorien, nach denen die Mitarbeiter eingestuft werden. Wer als "Ausfall" (Misses) klassifiziert wird, fliegt raus (traf bereits für 600 Mitarbeiter zu). Die Details lassen sich z.B. in diesem Spiegel Online-Artikel nachlesen.
Schweinebewertungssystem "Forced Rankings" bei den Amis beliebt …
Dieses hirnrissige Mitarbeiterbewertungssystem scheint in vielen amerikanischen Firmen beliebt zu sein, wo alles "gebenchmarkt" wird, was nicht niet- und nagelfest ist. Jack Welch hat das System meines Wissens bei General Electric eingesetzt. Allerdings wird "Forced Ranking" sehr kontrovers diskutiert. Es kann die Leistung der Mitarbeiter in einem Unternehmen erhöhen, hat aber einen extrem hohen Preis und kann das Unternehmen in's Abseits führen. Das Problem: Diese Einstufung besagt nichts über die Qualifikation der betreffenden Mitarbeiter und deren Arbeitsleistung – der Teamleiter kann sogar hoch zufrieden mit dem Mitarbeiter sein. Und der Mitarbeiter kann absolut, über das Unternehmen gesehen, ein guter Mitarbeiter sein. Aber der Zwang, quasi eine Gaußche Glockenkurve über die Einstufung der Mitarbeiter zu legen, führt dazu, dass einzelne Personen in der Gruppe schlechter dargestellt werden, als dies objektiv der Fall ist.
Das führt in den meisten Firmen zu einer massiven Unzufriedenheit der Mitarbeiter, da die Bewertungen willkürlich und ungerecht empfunden werden (und dies oft objektiv auch sind). Auch bei Microsoft hat man dieses System (als "Stack Ranking" bezeichnet) über ein Jahrzehnt "gepflegt".
Ergebnis: Bei Microsoft haben viele Entscheider – die selbst dieser Bewertung unterzogen werden – jegliches Risiko vermieden und ängstlich versucht, im Mittelfeld zu landen. Mitarbeiter haben gegeneinander agiert, statt innovativ zusammen zu arbeiten. Wer sich im unteren Feld als "Minderleister" wiederfand, konnte nur noch demotiviert auf seinen Abflug warten. Dass dies die Motivation killt und zu massivem Stress bei den Betroffenen führt, ist wohl selbstredend. Innovationsklima entsteht da eher wohl nicht. Wer eine schlaue Suchmaschine nach "Forced Ranking" befragt oder einfach mal diese Trefferliste ansieht erkennt sehr schnell, wo die Knackpunkte dieser Methode liegen.
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Microsoft schafft "Stack Ranking" ab …
Die Meldungen könnten also nicht unterschiedlicher sein. Marissa Mayer stolpert in die gleiche Falle, die vor ihr bereits andere Manager gemacht haben und führt das "Forced Ranking" ein. Bei Microsoft scheint man erkannt zu haben, dass man mit diesem (als "Stacked Ranking" bezeichneten) Instrument krachend gegen die Wand gefahren ist – und das nun schon ein Jahrzehnt.
Jetzt berichtet Tom Warren bei The Verge im Artikel Microsoft axes its controversial employee-ranking system, dass man genau dieses Ranking-System heute beerdigt habe. Ein Memo von Microsoft HR Managerin Lisa Brummel ist bei The Verge nachzulesen. Das ist sozusagen eine "Kultur-Revolution" in den Hallen von Microsoft – war das bisherige System doch darauf ausgerichtet, dass die Mitarbeiter gegeneinander statt miteinander agierten. Nerds ist die Organisationsstruktur des "Gegeneinander" bei Microsoft als "Gun Org Chart" bekannt (die Grafik könnt ihr hier finden).
Es gibt Tage, da komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da köchelt noch mehr bei Microsoft, denn die befinden sich stark im Umbau. Ob der neue Cheffe nun die XBox oder Bing abstößt, wie hier gemunkelt wird (noch kennt man Cheffe ja nicht), sei dahin gestellt. Sollte sich bei Microsoft wieder eine Innovationskultur einstellen, können wir uns möglicherweise auf spannende, neue Produkte freuen. Aber warten wir es ab – für die Microsoft-Mitarbeiter ist das (in meinen Augen) aber auf jeden Fall eine gute Nachricht.
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Nachtrag: Bei Spiegel Online gibt es hier ein Interview des Managment-Fachmanns Reinhard K. Sprenger zum Thema, was ganz lesenswert ist. Und noch ein Nachtrag – mit einem Tag Verspätung hat Spiegel Online nun diesen Artikel zum Thema Microsoft gebracht.