Google hat damit begonnen, seine umstrittene FLoC-Funktion auch in den USA im Google Chrome zu testen. Was als neuer Ansatz gilt, dürfte für Google auf einen Zusammenprall mit der EU und den Datenschutzbeauftragten der Länder hinauslaufen, die FLoC in der gleichen Ebene wie Cookies sehen.
Anzeige
Ich hatte ja kürzlich im Blog-Beitrag Gegenwind für Googles FLoC-Ansatz über das von Google 2019 erstmals vorgestellte FLoC (steht für Federated Learning of Cohorts) und die daraus entstehenden Kontroversen berichtet. Der von Google vorgeschlagene FLoC-Ansatz, um das Cookie-Tracking durch anonyme Benutzergruppenbildung (als privacy-freundlich bezeichnet) für den Werbemarkt zu retten, erhält aktuell mächtig Gegenwind. Neben Browser-Entwicklern, die FLoC in Chromium-Clones ausbauen, sperren sich auch die WordPress-Entwickler gegen diesen Ansatz. Im betreffenden Artikel finden sich auch Hinweise, was FLoC eigentlich ist. Und scheinbar haben die Strategen bei Google die Rechnung ohne den Wirt Europa gemacht.
Die EU-Datenschützer sind gegen FLoC
Bisher hatte Google die FLoC-Funktion für europäische Nutzer wegen der bei uns geltenden DSGVO-Problematik nicht aktiviert, sondern testet nur mit US-Nutzern. Aber die Google Ideen lesen sich so, als ob FLoC die Lösung für das Cookie-Problem in der EU sei. Dem MSPU-Artikel hier entnehme ich aber, dass Google mächtig Ärger in Europa mit FLoC bekommt. Denn die europäischen Datenschutzbehörden behandeln FLoC so wie die bisher gebräuchlichen Cookies, für deren Setzen es eine Benutzerzustimmung über einen Banner erfordert.
Johannes Caspar, der Hamburger Datenschutzbeauftragte, sagt laut MSPSU, dass FLoC-Kohorten "Rückschlüsse" auf das Surfverhalten von Menschen zulassen könnten. "Die FLoC-Technologie wirft einige Fragen bezüglich der rechtlichen Anforderungen der GDPR auf", so Caspar. "Das Einbinden von Nutzern in die FLoCs könnte als ein Akt der Verarbeitung personenbezogener Daten angesehen werden. Und das erfordert eine freie Zustimmung und klare und transparente Informationen über diese Vorgänge." Mit dieser Position hätte Google mit FLoC nichts gewonnen.
Diese Zustimmung fehlt aber bei Googles aktuell laufendem Versuch, bei dem zig Millionen Nutzer ohne ihr Wissen oder eine einfache Möglichkeit zum Opt-out, einen FLoC-Test unterzogen werden. Daher hat Google die Technologie in Europa nicht für Test aktiviert. Ich gehe auch davon aus, dass FLoC für die EU nicht kommt. Denn auch die französischen Regulierungsbehörden sind ebenfalls besorgt.
Anzeige
Ein Sprecher der Commission nationale de l'informatique et des libertés (CNIL), Frankreichs Datenaufsichtsbehörde, sagt, sie sei "besonders aufmerksam" gegenüber Technologien, die Cookies ersetzen könnten, da sie Zugriff auf Informationen erfordern könnten, die bereits auf den Geräten der Nutzer gespeichert sind. Die CNIL vertritt die Position, dass ein solches System eine "spezifische, informierte und eindeutige Zustimmung" erfordern würde.
Google ist sich übrigens der Bedenken der EU bewusst, wie Marshall Vale, ein Chrome-Produktmanager bei Google, sagte: "Das EU-Datenschutzrecht setzt hohe Standards für die Transparenz und Kontrolle der Nutzer, und das ist es, was wir uns für FLoC vorstellen. Wir wissen, dass der Beitrag der Datenschutzbehörden entscheidend ist, um dies richtig zu machen, weshalb wir bereits in einem frühen Stadium Gespräche über die Technologie und unsere Pläne geführt haben."
Einzelne Anbieter sind schon weiter
Ich hatte es bereits in diesem Kommentar angedeutet: In Europa ist die Werbewirtschaft möglicherweise weiter. Cookie-lose Werbung, die sich daran orientiert, was man über Besucher einer Webseite zu wissen glaubt, ist das Ziel. Wenn jemand hier im Blog einen Artikel zu Windows 10-Problemen abruft, weiß ich a priori, dass er sich für IT, genauer für Windows-Themen, interessiert und eher weniger Interesse an Windeln, Schmerzmitteln oder was auch immer hat, auch ohne dass ich dessen Surfhistorie über viele Webseiten kenne. Es gibt jedenfalls Anbieter, die genau in diese Richtung nachdenken und Werbenetzwerken Informationen über einen Besucher liefern, ohne dessen Surfhistorie wie auch immer zu tracken. Die leiten diese Informationen über den Inhalt der besuchten Webseite ab. Wie gut das funktioniert und wie das umgesetzt wird, versuche ich die kommenden Monate herauszufinden.
Ähnliche Artikel:
Gegenwind für Googles FLoC-Ansatz
Apple nutzt längst "FLoC"-Techniken …
Anzeige
Also dass jemand, der sich für Blog-Artikel rund um Windows-10-Probleme interessiert, auch Bedarf an Schmerzmitteln haben könnte, ist doch jetzt gar nicht mal sooo abwegig, oder? ;-)
Aber mal ernsthaft: Wie hat die Werbewirtschaft denn früher überlebt, als "Werbung" noch kein Synonym für "Stalking" war? Haben die Leute weniger gekauft, nur weil die Werbung auf Littfasssäulen und Plakaten zu lesen war statt im Browser? Was ist soviel besser daran, dass das Werbenetzwerk heutzutage weiß, dass ich kürzlich eine Waschmaschine gekauft habe: Glauben die ernsthaft, ich würde in den nächsten 14 Tagen eine weitere kaufen, oder weswegen werde ich unmittelbar nach dem Kauf für die folgenden Tage und Wochen mit Waschmaschinenwerbung zugebombt? Meinen die wirklich, eine Marke würde sympathischer und eher gekauft, wenn sie nur penetrant genug nervt?
Wie wäre es damit, einfach mal gute Produkte zu fairen Preisen anzubieten? Die finden auch ohne FLoC und Cookies ihre Käufer*innen. "Fairer Preis" muss dabei noch nicht mal unbedingt "Niedriger Preis" heißen, sondern meint eher "Ein Preis, der zur Qualität des Produkts passt." Wenn man dann noch für eine akzeptable Lieferbarkeit sorgt und möglichst komplett auf Paperlaunches verzichtet, dann hat man schon mal die Basis für eine loyale Stammkundschaft gelegt. Wenn dann noch der Aftersales Service stimmt, Garantieansprüche problemlos abgewickelt werden und Ersatzteile länger verfügbar sind als die gesetzliche Gewährleistungspflicht dauert, dann kann man sich die Ausgaben für Werbung eh fast ganz sparen: Das machen die zufriedenen Kund*innen dann von ganz alleine per Mund-zu-Mund-Propaganda.
Hat man das verlernt, als immer mehr langfristig denkende Unternehmer ausstarben und durch quartalszahlfixierte Manager ersetzt wurden?
Natürlich kann Google (und Facebook und Twitter und so weiter) daran kein Interesse haben, die leben ja schließlich von den "Eyeballs". Aber für alle anderen wäre es vermutlich besser, wenn Google und die restliche Werbewirtschaft an eine deutlich kürzere Leine gelegt werden könnten.
Allein dass Big Tech sich so darüber aufregt und Millionensummen in Lobbying dagegen investiert, zeigt doch, dass die DSGVO Wirkung zeigt. Trotz irischer Datenschutzaufsicht… — Jetzt müsste man nur noch bei der Besteuerung solcher Konzerne ähnlich konsequent werden…
Zitat: „Ich weiß, dass die Hälfte meiner Werbung hinausgeworfenes Geld ist. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte." Zitatende
https://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Ford
Cookielose Werbung: Seltsamerweise hat das in Printmedien jahrzehntelang funktioniert.