Der ‘vergessene’ Erfinder des Telefons: Phillip Reis

Phillip Reis, der vergessene Erfinder des TelefonsAls Waisenkind hatte er nie die Möglichkeit, ein Studium zu absolvieren. Als Autodidakt war der hessische Tüftler Phillip Reis aber voller kreativer Ideen. Im Jahr 1861 hatte er etwas gebastelt, was er ‘Telefon’ nannte – der Vorläufer heutiger Fernsprecher. In Deutschland als Erfinder des Telefons bekannt, gilt in den USA Alexander Graham Bell als Erfinder. Ein Buch versucht nun den Erfinder Reis ins richtige Licht zu rücken.


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Das Buch zum vergessenen Erfinder des Telefons

Der Historiker Dr. Wolfram Weimer versucht im CH. Goetz Verlag die Geschichte des Telefons, bezogen auf Phillip Reis, aufzubereiten.

Phillip Reis, der vergessene Erfinder des Telefons

Der Titel lautet: Der vergessene Erfinder – wie Philipp Reis das Telefon erfand.

  • Gebundene Ausgabe: 144 Seiten
  • Verlag: GOETZ, CH. Verlag (8. November 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3947140045
  • ISBN-13: 978-3947140046

Es ist schon eine abenteuerliche Geschichte: Aus einer Geige, einer Stricknadel und der Blase eines Hasen bastelt das hessische Tüftler-Genie Philipp Reis 1861 das erste Fernsprechgerät der Welt. Er nennt seine Erfindung „Telefon“.

Aber wie kann der nicht-studierte Waisenjunge das schaffen und wie funktioniert seine Erfindung? Wer ist dieser Jahrhundert-Erfinder wirklich? Und wieso ist er in Vergessenheit geraten? Die spannende Lebens- und Erfindungsgeschichte des kreativen Kopfes Philipp Reis erzählt der Historiker Dr. Wolfram Weimer in „Der vergessene Erfinder – wie Philipp Reis das Telefon erfand“, aus dem CH. Goetz Verlag.

Die Geschichte und die damalige Zeit

Vorab muss ich einige Zähne ziehen und Mythen, die gerne nacherzählt werden – auch im aktuellen Fall, zerlegen. Für mich stand – auch vor Lektüre des Buchs – fest: Der Name Phillip Reis war schon immer mit der Person verbunden, die das erste Telefon erfunden hatte. Dem Amerikaner Alexander Graham Bell gebührt der Ruhm, diese ‘Erfindung’ als erster zur Marktreife geführt und dort patentiert zu haben. Die Geschichte lässt sich u.a. auf dieser Webseite nachlesen.

Und wer sich mit dem Thema Erfindungen beschäftigt, weiß, dass in vielen Fällen verschiedene Leute am gleichen Thema saßen. Einer gewinnt dann – nicht immer der Erste. War beim Automobil, beim Fliegen und vielen anderen Erfindungen so. Ich habe daher mal nachgeschaut.

So listet die Wikipedia mehrere Tüftler auf, die bereits vor Reis an der Idee des Telefons werkelten. Der Pariser Telegrafenbeamte Charles Bourseul beschrieb bereits 1854 mögliche Techniken der elektrischen Sprachübertragung, die Reis später umsetzte, was aber als Spinnerei abgetan wurde. Es gab den Theatermechaniker Antonio Meucci, der bereits 1860 in den USA ein Gerät zum ‘Fernsprechen’ vorstellte. Es wurde in einer italienischen Zeitung publiziert. Die Unterlagen von Meucci gelangten in die Hände von Alexander Graham Bell, der mit diesen Informationen das Gerät namens Telefon wohl produktionsreif entwickelte und patentieren ließ. Aus dieser Sicht ist die Frage, wer der Erfinder war, eigentlich klar: Die Technik lag in der Luft, da die Bestandteile (Elektrizität, Leiter, Spulen etc.), die gebraucht wurden, vorlagen und die Prinzipien, wie es gehen könnte, wohl bekannt waren. Alleine, es fehlte eine praktische Implementierung, wie man heute zu sagen pflegt. Und am Ende des Tages stand für mich als Ingenieur die Frage: Wer führt das zur Marktreife und verhilft der Erfindung zum Durchbruch. Hier ist meine Sicht der Dings wohl differenzierte als die von Geisteswissenschaftlern.

Das Buch quer gelesen

Ich habe den Titel vom Verlag als Rezensionsexemplar bekommen und vor einiger Zeit, auch aus dem Blickwinkel, dass mir die technischen Umstände bewusst waren, gelesen. Es ist schon eine spannende Lektüre, die der Historiker Dr. Wolfram Weimer da in Buchform aufbereitet. Er beschreibt die Lebensumstände des jungen Phillip Reis, der als Sohn eines Bäckers, bald Waise, es trotz widriger Umstände als 27 Jähriger zum Physiklehrer geschafft hat und nebenbei an diversen Erfindungen bastelt.

Eine davon ist das Telefon, welches von ihm in zahlreichen Varianten gebaut wird. Denn ein Problem plagte Reis: Die elektrische Übertragung von Tönen funktionierte zwar prinzipiell. Aber die Verständlichkeit war doch bescheiden. Musik konnte gut verständlich übertragen werden, bei der Sprache haperte es aber. Das wusste ich erst nach Lektüre des Buches – also noch was gelernt. Ich hatte zum Beispiel immer geglaubt, der erste über Telefon übertragene Satz sei ‘Das Pferd frisst keinen Gurkensalat’ gewesen sei. Es stimmt, dieser Satz wurde in das Mikrofon des Telefons gesprochen. Auf der Gegenseite mit dem Lautsprecher (in Form eines Grammophone-Trichters) verstand man aber nur ‘Das Pferd frisst …’. Also noch was gelernt – und ich muss nun nicht dumm sterben.

Dr. Wolfram Weimer versteht es, diese und andere Anekdoten in seinem Werk mit der Geschichte des Telefons zu verknüpfen. Das macht das Buch zur spannenden Lektüre, so dass ich es – trotz Hintergrundwissen – quer gelesen habe. Aus Sicht des Historikers wohl logisch, habe ich persönlich dann doch gestutzt, als nach der ausführlichen Schilderung der Entwicklung des Telefons, eingebettet in die Lebensumstände des Phillip Reis, plötzlich im zweiten Teil die gleichen Informationen in Form eines ‘Lebenslaufs und der von Reis verfassten Beschreibungen’ auftauchten. Die Informationen hatte ich ja bereits gelesen, so dass ich mir diesen Teil der Lektüre gespart habe. Wie bereits angedeutet, der Historiker hat sicher Recht, das so darzustellen – ich, als Autor von ca. 300 technischen Büchern aus dem IT-Bereich, hätte das womöglich eher anders gelöst und die Autobiographie mit im Stoff eingewoben. Aber das ist eine persönliche Sichtweise meinerseits und letztendlich Geschmacksache.

Das Buch ist reich illustriert und gibt einen guten Einblick in die damalige Zeit mit preußischen Hofbeamten, dem Physikalischen Verein zu Frankfurt am Main (in dessen Räumen habe ich als Physik-Ingenieur in den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts selbst als Hörer teilgenommen) und seinen ‘Wissenschaftlern. Und es zeigt auf, wie sich Reis abmühte, seine Idee zu einem brauchbaren Gerät weiter zu entwickeln, letztendlich aber an der praktischen Umsetzung scheiterte. Diesen Part übernahm der pragmatischere Amerikaner Alexander Graham Bell, der damit die Basis für ein Großunternehmen legte. Auch das gehört zur Geschichte des Telefons dazu.

Mein Fazit: Spannendes Buch, gut illustriert und nett geschrieben. Allerdings etwas unglücklich unter der Rubrik ‘vergessener Erfinder’ aufgehängt. Unter diesem Aspekt finde ich Artikel wie hier eher fehlt am Platz. Als Blogger und Buchautor weiß ich zwar, dass man die ‘Message’ irgendwie verkaufen muss. Aber einen Historikerstreit vermag ich nicht zu erkennen – und mir waren, ohne mich mit der Angelegenheit vor der Lektüre des Buchs beschäftigt zu haben, die Sachverhalte irgendwie klar (mag aber mit meinem beruflichen Werdegang zusammen hängen). Wer eine vergnügliche und kurzweilige Lektüre zu deutscher Zeit- und Technikgeschichte, gerne auch als ein Geschenk für einen technisch interessierten Menschen, sucht, findet in diesem Buch sicherlich einen geeigneten Kandidaten.


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