Am Abend, während des Fluges führte ich einige Gespräche mit meinem Sitznachbarn, einem “älteren Herrn”. Wenn ich jetzt die Charakterisierung “älterer Herr” lese, muss ich schmunzeln, denn dieser war geschätzt zwischen 45 bis 55 – während ich deutlich in den Dreißigern war. Heute stecke ich selbst in der Mitte zwischen 50 und 60, bin also auch zum “älteren Herrn” mutiert.
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Jedenfalls stellt sich heraus, dass der nette Herr, nennen wir ihn Herr Watanabe, Verwaltungsdirektor einer größeren Klinik in Osaka war. Er hatte einen medizinischen Kongress in Deutschland besucht und war nun auf der Rückreise. Er erkundigte sich nach meinen Plänen. Nachdem er sich das alles angehört hatte, wog er bedächtig den Kopf und meinte “in der japanischen Provinz werden Sie wohl auch japanisch essen und leben müssen”, denn dort sei es nicht ‘so westlich’ wie in Tokyo. Viele Ausländer hätten damit wohl ein Problem.
Nachdem der größte Teil des Fluges absolviert war und der Flieger in 11 km Höhe bereits über das japanische Meer in Richtung des Flughafens Narita unterwegs war, begann die Crew mit der Austeilung des Frühstücks. Mein Sitznachbar meinte, ich könne mich nun ‘entscheiden’, ob ich ein letztes Mal “westlich” frühstücken oder bereits jetzt mit japanischem Essen anfangen wolle. “Wenn schon, denn schon” war meine Entgegnung, und so bestellte ich ein japanisches Frühstück. Wer die in Flugzeugen servierten Mahlzeiten kennt, weiß zwar, dass diese nicht im entferntesten den Menüs gleichen, die man in den jeweiligen Ländern in Gaststätten oder Restaurants serviert bekommt. Aber das wusste ich ja nicht. Im Rückblick erinnerte mich das Frühstückspack daher auch eher an ein schlecht zusammengestelltes Obento als an ein japanisches Frühstück. Bento (弁当) ist eine spezielle Darreichungsform für Speisen, die in kleinen Kästchen mit abgeteilten Fächern untergebracht sind. Obento ist ein aus einer Box bestehendes Esspaket, welches in Japan gerne auf Reisen gekauft wird – Fotos gibt es hier).
Aber zum Zeitpunkt als das Frühstück serviert wurde, war alles neu – auch der Becher grüner Tee, den es dazu gab. Hach, war das aufregend, keine Löffel, Messer oder Gabeln, sondern nur eine Papiertüte mit einem Holzstöckchen drin. Ich beobachtete, wie mein Nachbar dieses “Holzstöckchen aus der Papiertüte nahm und es auseinander riss. Dadurch hatte er plötzlich zwei japanische Essstäbchen aus Holz. Er zeigte mir, wie man diese Essstäbchen in die Hand nahm und damit die Speisen zum Mund bekäme.
War im nachhinein gar nicht so schwierig, denn das Obento bestand aus einigen Shushi (in Noriblätter, d.h. Seetang, eingewickelte Reisbällchen mit Fisch), einem Stückchen geräucherten Fisch (erinnerte mich an geräuchertes Makrelenfilet) und einer in Salzlake eingelegten grünen Pflaume (Ume). Und dann wurde noch so etwas in einem Becher gereicht, was für mich wie klare Brühe mit Eierstich und irgend etwas “wolkigem” drin aussah, aber ganz lecker schmeckte – nur die grünen Fäden in der Brühe waren etwas ungewohnt. Später lernte ich, dass ich gerade das japanische Nationalgericht, Miso Suppe (味噌汁), gekostet hatte. Der “Eierstich” war Tofu, die grünen Fäden waren Algen (Wakame). Und das “wolkige” war Tofu-Paste.
Ich scheine mich jedenfalls nicht ganz blöd angestellt zu haben, denn das Frühstück landete im Mund und mein Nachbar nickte anerkennend. Dann fragte er, wie es mir geschmeckt habe. Als ich ihm entgegnete, dass ich mich an die Suppe gerne gewöhnen könne, der grüne Tee ganz gut schmecke und auch das Reis-Fisch-Zeug gar nicht so schlecht zum Frühstück sei, grinste er nur. Dann meinte er, dass ich wohl keine wirklichen Schwierigkeiten in Japan haben würde, denn die meisten Westler würden schon am Essen scheitern.
Nach dem Essen bereitete ich mich auf die Landung vor und schaute mir die Landschaft an. Obwohl ich krampfhaft nach Ginko-Bäumen Ausschau hielt (komischerweise hatte ich dieses Bild vor Augen, dass Japan nur so von Ginkos bewachsen sei), unterschied sich die aus dem Flugzeugfenster sichtbare Landschaft nicht so sehr von den Landschaften anderer Länder. Erst beim Endanflug erkannte ich einzelne Reisfelder und sah, dass die Häuser etwas anders als in Deutschland aussahen.
Angekommen! Narita International Airport. Aussteigen, Gepäck abgreifen und durch die Zoll- und Passkontrolle.
Wie es dann mit dem Abenteuer weiter ging, lesen Sie in den nächsten Beiträgen.