Ein israelisches Start-up verspricht, die maritimen Lieferketten mit einer cleveren Software-Lösung grundlegend zu optimieren. Conbo.ai hat heute Leistungsdaten veröffentlicht, die Kosteneinsparungen von bis zu 50 Prozent in Häfen möglich machen sollen. Zeitgleich kündigte das Unternehmen seine Expansion nach Europa und Asien an.
Die Technologie des Unternehmens setzt nicht auf teure neue Hardware, sondern nutzt vorhandene Sicherheitskameras. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Computer Vision verwandelt die Plattform diese Kameras in intelligente Sensoren. So entsteht ein digitaler Zwilling des Terminalbetriebs in Echtzeit – ohne dass ein einziger neuer Meter Kabel verlegt werden muss.
Der Durchbruch: „Künstliche Intuition“ ohne Hardware
„Die Branche steckt in einem Teufelskreis teurer Hardware-Investitionen, die innerhalb weniger Jahre veralten“, sagt Eran Pereg, CEO von Conbo.ai. Sein Ansatz ändere die Wirtschaftlichkeit der Digitalisierung grundlegend. Die KI-Plattform verfolgt jede Bewegung auf dem Terminal – Container, Lkws oder Gabelstapler – mit Pixelgenauigkeit.
Das System erkennt Engpässe, Sicherheitsrisiken und Ineffizienzen, die dem menschlichen Auge entgehen. Es integriert sich nahtlos in bestehende Terminal-Betriebssysteme und verarbeitet Daten lokal oder in der Cloud unter Einhaltung von DSGVO-Richtlinien. Diese „Plug-and-Play“-Lösung überwindet die typischen bürokratischen Hürden für Hafenmodernisierungen.
Konkrete Wirkung: Halbierte Kosten, deutlich mehr Produktivität
Die heute veröffentlichten Daten sind beeindruckend: Neben den 50 Prozent geringeren Betriebskosten verzeichnet Conbo.ai eine Steigerung der Produktivität um 35 Prozent. Diese Zahlen basieren auf einjährigen Tests in nordamerikanischen Häfen.
Die Einsparungen entstehen vor allem durch optimierte Auslastung der Geräte und weniger Leerlauf. Die KI sagt beispielsweise Ankunftszeiten von Lkws und Staus an den Toren voraus. So können Kräne und Yard-Jockeys dynamisch zugewiesen werden. „Wir analysieren die gesamte Choreographie des Terminals“, erklärt CTO Reuven Sabi. „Wir wissen, ob ein Container im falschen Stapel liegt, bevor ein Kranführer zwanzig Minuten danach sucht.“
Der positive Nebeneffekt: Glattere Abläufe und weniger Fahrbewegungen senken auch den CO2-Ausstoß. Ein integriertes Modul überwacht die Emissionen des Terminalbetriebs in Echtzeit – ein immer wichtigerer Faktor angesichts verschärfter EU-Vorschriften.
Expansion nach Europa: Pilotprojekte in Hamburg und Rotterdam starten
Nach einer erfolgreichen Finanzierungsrunde im Mai 2025 geht Conbo.ai nun in die Offensive. Ab dem ersten Quartal 2026 starten Pilotprogramme in großen Logistikzentren, darunter die Häfen von Rotterdam, Hamburg und Singapur.
Der Zeitpunkt ist günstig. Der Markt für „Smart Ports“ wächst rasant, doch viele Betreiber scheuen die hohen Investitionskosten klassischer Projekte. Das SaaS-Modell von Conbo.ai senkt diese Hürde deutlich, da keine Vorab-Investition in Hardware nötig ist. Die kürzliche Aufnahme in das Terminal Industry Committee 4.0 (TIC4.0) hat die Glaubwürdigkeit der Technologie bei traditionellen Hafenbehörden zusätzlich gestärkt.
„Der maritime Sektor modernisiert sich nur langsam, weil Ausfallzeiten ein enormes Risiko sind“, kommentiert ein Branchenanalyst. „Conbo.ai umgeht diesen Widerstand, indem es eine Lösung anbietet, die auf bestehende Systeme aufsetzt, statt sie zu ersetzen.“
Die Lösung für das Datensilo-Problem
Ein Dauerthema in der Logistik sind abgeschottete Datensysteme. Tor-Management, Yard-Management und Videoüberwachung laufen oft isoliert voneinander. Conbo.ai fungiert als vereinende Schicht, die visuelle Daten mit den Informationen aus diesen verschiedenen Quellen verschmilzt.
Dieser „Deep Tech“-Ansatz geht damit weit über reine GPS-Ortung oder das einfache Auslesen von Containernummern hinaus. Die KI erkennt auch Beschädigungen, einen platten Reifen am Chassis oder einen Fahrer, der Probleme beim Einparken hat. Sie schließt diese blinden Flecken mit handlungsrelevantem Kontext.
Der Markt reagiert positiv auf die Ankündigungen. Beobachter erwarten, dass der Erfolg von Conbo.ai eine Welle der „softwaredefinierten Infrastruktur“ in der gesamten Logistikbranche auslösen könnte – von Güterbahnhöfen bis zu Luftfrachtzentren.
Der nächste Schritt sind prädiktive Fähigkeiten. Durch historische Daten aus seinem wachsenden Netzwerk will Conbo.ai „vorausschauendes Flussmanagement“ ermöglichen. Terminalbetreiber könnten so Engpässe Stunden vor ihrem Eintreten antizipieren. „Wir bauen das zentrale Nervensystem für die Lieferkette“, so CEO Pereg. Die Branche wird genau beobachten, ob die beeindruckenden US-Erfolge auch in den komplexen Regulierungsumgebungen Europas und Asiens gelingen.




