Zoom lanciert eine eigenständige KI-Plattform und bietet erstmals einen kostenlosen Zugang an. Damit will das Unternehmen zum täglichen Arbeits-Tool werden und Microsoft sowie Google herausfordern.
Der Schritt markiert eine strategische Neuausrichtung für das kalifornische Unternehmen. Es wandelt sich von einer reinen Videokonferenz-Lösung zu einer umfassenden KI-gesteuerten Arbeitsplattform. Kern der Ankündigung ist eine neue, eigenständige Web-Oberfläche unter ai.zoom.us. Nutzer können so direkt mit den KI-Assistenten interagieren, ohne die Desktop-App zu öffnen oder in einer Besprechung zu sein.
Kostenlose KI für alle: Zoom setzt auf „Freemium“-Modell
Erstmals öffnet Zoom seine KI-Funktionen auch für Nutzer des kostenlosen Basic-Tarifs. Bislang waren diese Features zahlenden Kunden vorbehalten. Die Gratis-Version kommt allerdings mit Nutzungslimits:
* Besprechungs-Unterstützung: KI-Hilfe für bis zu drei Meetings pro Monat, inklusive automatischer Zusammenfassungen und Aufgabenlisten.
* Abfrage-Limit: Bis zu 20 KI-Abfragen monatlich über die Seitenleiste oder die neue Web-Oberfläche.
* Funktionsumfang: Der Zugang beinhaltet Echtzeit-Mitschriften, Fragen während des Meetings und die Erstellung täglicher Reflexionsberichte.
„Unser Kernanliegen ist es, den Zugang zu KI zu demokratisieren“, erklärte Velchamy Sankarlingam, Zoom’s President of Product and Engineering, in einer Pressemitteilung. Die Strategie ist klar: Gelegenheitsnutzer an das Zoom-Ökosystem binden, um sie später in kostenpflichtige Tarife zu überführen.
Eigenes Abo-Modell und „agentische“ KI-Fähigkeiten
Für Nutzer, die mehr brauchen als die Gratis-Version, aber keine Voll-Lizenz für „Zoom Workplace“ benötigen, führt das Unternehmen ein eigenständiges Abonnement ein. Es kostet 10 US-Dollar pro Monat und positioniert sich so als günstige Alternative zu Microsoft Copilot oder Google Gemini für Freiberufler und kleine Unternehmen.
Die Version 3.0 bringt sogenannte „agentische“ Fähigkeiten mit. Die KI soll nicht nur antworten, sondern aktiv Aufgaben erledigen. Zu den neuen Features gehören:
* Intelligente Recherche: Die KI durchsucht und verdichtet Informationen aus Zoom-Meetings, Chat-Protokollen und verbundenen Diensten wie Google Drive und Microsoft OneDrive. Die Integration von Gmail und Outlook ist für „bald“ angekündigt.
* Persönliche Workflows (Beta): Automatisierte Abläufe, die E-Mails entwerfen, Folgeaufgaben generieren und Tagesprioritäten basierend auf Meeting-Inhalten organisieren.
* Föderierte KI-Architektur: Zoom setzt weiter auf einen Mix aus KI-Modellen. Das System kombiniert eigene Modelle mit Top-Modellen von OpenAI, Anthropic und dem Open-Source-Modell NVIDIA Nemotron. Ziel ist eine höhere Genauigkeit bei Transkription und komplexen Aufgaben.
Strategischer Schachzug: Vom Meeting-Tool zur täglichen Gewohnheit
Branchenbeobachter sehen in dem Update einen entscheidenden strategischen Zug. Indem Zoom die KI-Erfahrung ins Web verlagert, will es zur dauerhaften „täglichen Gewohnheit“ für Arbeitnehmer werden – und nicht nur eine App für geplante Anrufe bleiben.
„Dieses Update geht über das Aufholen im KI-Wettlauf hinaus“, heißt es in einer Analyse. „Zoom positioniert sich jetzt als zentraler Knotenpunkt im Arbeitsablauf.“ Die Entscheidung für ein eigenständiges, günstiges Abo ist bemerkenswert. Sie unterbietet die Preise vieler Unternehmens-KIs und ermöglicht es Zoom, seine riesige Basis kostenloser Accounts zu monetarisieren.
Die Reaktion der Märkte blieb jedoch verhalten. Nach der Ankündigung am 15. Dezember fiel die Zoom-Aktie (NASDAQ: ZM) um etwa 3,3 Prozent. Investoren scheinen abzuwarten, ob das „Freemium“-Modell tatsächlich Abonnenten gewinnt oder lediglich die Betriebskosten in die Höhe treibt.
Datenschutz als Verkaufsargument und Ausblick
Zoom betont, dass seine „föderierte KI“ Kosten, Geschwindigkeit und Datenschutz in Einklang bringe. In internen Benchmarks soll das System bei spezifischen Denkaufgaben leicht besser abgeschnitten haben als Google Gemini 3 Pro.
Der Datenschutz bleibt ein zentrales Verkaufsargument. Das Unternehmen wiederholt, dass es Kundendaten nicht ohne Zustimmung zum Training seiner KI-Modelle nutzt – eine Haltung, die seit der Kontroverse um die Nutzungsbedingungen 2023 beibehalten wird. Die neue Web-Oberfläche unterliege denselben strengen Datenschutzrichtlinien.
Der nächste große Test steht bevor: die angekündigte Integration von E-Mail-Plattformen. Gelingt sie, könnte ein Nutzer den Zoom-Assistenten bitten, „das verpasste Meeting zusammenzufassen und eine E-Mail-Antwort an den Kunden basierend auf dem Transkript zu entwerfen“ – ohne den E-Mail-Client zu öffnen. Die Web-Oberfläche ist seit dem 24. Dezember für alle Nutzer weltweit verfügbar. Zoom hat die Latte für 2026 höher gelegt und zwingt die Konkurrenz, über die Einstiegshürden für KI-Tools neu nachzudenken.




