Verjus: altes 'Würzmittel' aus dem Weinberg, neu entdeckt

Für Feinschmecker habe ich heute noch was: Verjus, grüner Saft, oder auch Agrest genannt, hergestellt aus unreifen Trauben. Wird wie Essig oder Zitrone verwendet, ergibt aber den Speisen einen unvergleichlichen Geschmack.


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Manche Dinge muss man einfach wiederentdecken. Es war im Frühsommer dieses Jahres, als wir uns den einzigen Urlaub dieses Jahres genehmigten und einen Abstecher ins Frankenland unternahmen. Bei einer ausgedehnten Wanderung saß ich in Sommerach im Schwan in einem schattigen Innenhof und wartete auf einen gebackenen Saibling. Mental hatte ich noch gut 10 km Fußmarsch im Sinn – aber nun genoss ich die Atmosphäre eines schönen Sommertags, das leise Plätschern eines Brunnens und die Vorfreude auf das Essen. Da die Speisekarte noch greifbar war, begann ich nochmals zu blättern, um mir die vorher bereits gesehene Seite mit diesem Verjus (französisch verre jus) nochmals durchzulesen – und war ganz fasziniert.

Verjus: Im Mittelalter durchgängig genutzt

Im Mittelalter war Zitrone als Säuerungsmittel in Deutschland und Österreich unbekannt bzw. man konnte sich diese Südfrüchte nicht leisten. Aber es gab Agrest (heute als Verjus bezeichnet) als Ersatz. Dieser wird aus unreifen, grünen Trauben (in nördlicheren Regionen aus Äpfeln, Stachelbeeren oder Sauerampfer) hergestellt. Konkret: Die Trauben werden vor der Reife ausgepresst und der saure Saft ergibt den Verjus. Dieser wird erhitzt und dann in Flaschen abgefüllt.

Agrest geriet aber, vermutlich wegen der begrenzten Haltbarkeit, Ende des Mittelalters in Vergessenheit. Vor 400 Jahren war Pasteurisieren noch unbekannt. Essig und später Zitrusfrüchte traten ihren Siegeszug in der Küche an. Das wäre es eigentlich gewesen …

… wenn nicht Feinschmecker, experimentierfreudige Winzer und ökologisch orientierte Menschen das Ganze nicht als Verjus "wiederentdeckt" hätten. Aus Gründen der Ertragsregulierung wird ja ein Teil der Trauben im Sommer von den Reben entfernt und landet ungenutzt im Weinberg. Findige Winzer fanden dann die alten Rezepte mit Agrest und begannen zu experimentieren.

Und wie es im Leben so geht, wo der gute Winzer wohnt, ist meist ein guter und experimentierfreudiger Koch nicht weit. Dann braucht es nur noch einen Feinschmecker – und schon hat man die Kombination, um Experimente zu starten.

So weit, die Theorie. Die Infos hatte ich wohl aufgenommen, aber Verjus gibt's, wohl auch wegen der Haltbarkeit, nicht an jeder Ecke. Im Schwan hatte ich die Gelegenheit verstreichen lassen, mich über Verjus zu erkundigen und ggf. nach einer Flasche von diesem Saft zu fragen. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, denn der Verjus ging mir nicht mehr aus dem Sinn. Als Salat-Freak hatte ich natürlich mein 10 qm Gärtchen entsprechend bepflanzt, und wollte abseits diverser Balsamicos mal was anderes probieren.

Die Gelegenheit kam zwei Tage später, bei einer Wanderung nach Volkach, wo wir, auf Grund eines Tipps (Nachbarin ist Frankenmädel), im Hinterhöfle landeten. Mein erster Blick galt natürlich der Speisekarte, wobei unwillkürlich die Angebot auf Verjus gescannt wurden. Und es gab den Hinweis auf einer getrennten Seite. Bei der Bestellung stellte sich heraus, dass Verjus auch im Verkauf war. Also wanderte eine Flasche mit in den Rucksack, um in den kommenden Wochen die Vinaigrette mit einer neuen Note aufzupeppen.

Und was gibt's sonst noch dazu zusagen? Der Verjus Shop beschreibt Verjus als "Histaminfrei, alkoholfrei, kalorienarm, mild-sauer" jedenfalls "milder als Essig feiner als Zitrone". Und dem kann ich nur zustimmen.


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Zwischenzeitlich habe ich gelernt, dass einige ökologisch orientierte Winzer auch Verjus produzieren, um die ausgegeizten Trauben einer sinnvollen Verwendung zuzuführen und den wirtschaftlichen Ertrag aufzubessern.

Verjus-Bezugsquellen

Noch findet man Verjus aber nicht in jedem Biomarkt oder jedem Laden um die Ecke. Als ich im letzten Sommerurlaub per Internet nach Verjus-Verkaufstellen suchte, war das Angebot noch dünn. Aber nun scheint sich einiges getan zu haben. Bei Amazon.de habe ich verschiedene Angebote gefunden (bei Bestellungen in Amazon-Shops fällt mir eine kleine Provision zu, die ich zur Finanzierung meiner Blog nutze).



Aber es gibt andere Anbieter, speziell, wenn man in den südlichen Gefilden Deutschlands, oder gar in Österreich wohnt. Hier eine kleine, kommentierte Liste von Anbietern für Verjus.

  • Verjus Shop: Das ist natürlich die erste Quelle, wenn es um Verjus oder Informationen dazu geht. Bisher auf Österreich fokussiert, beginnt das in Graz angesiedelte Unternehmen mit der Expansion. Gelegentlich bin ich versucht zu rufen "Graz, du hast es einfach besser". Kürbiskernöl, sonstige Steierische Spezialitäten, nette Weinlokale, den Linzbichler (früher Herrengasse, jetzt Franziskanerplatz) und vieles mehr habe ich bei mehreren Aufenthalten für Videotraingsaufnahmen schätzen gelernt.
  • www.elmar-lorey.de: Auf dieser Seite trägt Elmar Lorey die Bezugsquellen für Verjus in Deutschland, geordnet nach Postleitzahlen, zusammen. Auf der Seite finden sich auch Informationen zu Geschichtlichem sowie Rezepte. Die Bezugsquellen sind auf die Weinbauregionen begrenzt – sorry für meine Leser aus dem Norden. Wer aber in Nähe eines Produzenten wohnt, sollte mal vorbei schauen und die lokalen Erzeuger stärken.
  • Weinhaus Fabio: In diesem Online-Shop kann man Verjus in Bioqualität deutschlandweit beziehen.

Und wer auf der Seite www.bietigheimer.de oder auf www.rebtraenen.de geht, findet ebenfalls entsprechende Angebote. Leser aus Österreich werfen einen Blick in diese Seite. Und das Weingut Fuchs aus meiner Nachbarschaft darf natürlich nicht fehlen.  Hier und hier beim chefkoch.de gibt es dagegen Diskussionen zu Verjus. Einige Infos gibt es auf der Seite www.agrest-verjus.de – oder in dieser Seite zu meiner Lieblingsregion, der Pfalz – und wer selbst Trauben hat, findet hier die Anleitung, um Verjus selbst herzustellen.

Wie man Dolmades aus jungen Weinblättern macht, werde ich hier im Blog erzählen, wenn meine Weinrebe kommendes Frühjahr wieder austreibt (meine Frau hat die leider beschnitten, und ich bin nicht sicher, ob noch was vom Edelreis dran geblieben ist). Tja, und ich bin fast 60 Jahre alt geworden, ohne zu wissen, dass es Verjus gibt. Vielleicht ist der Blog-Beitrag ja für den einen oder anderen Leser oder Leserin Anregung, mal etwas in dieser Richtung zu probieren. Und falls es bereits Erfahrungen mit Verjus gibt, der Kommentarbereich ist freigeschaltet.


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