Der Kaffee, das Acrylamid und der Krebs

GesundheitDa bleibt einem doch der Frühstückskaffee im Halse stecken. In den USA gibt es ein Gerichtsurteil, nach dem Kaffeeketten wie Starbucks auf ihren Kaffeebechern vor Krebs durch Acrylamid warnen müssen. Hier ein paar Informationen, was dahinter steckt und ob wir unseren Kaffee noch trinken können.


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Das US-Urteil

Es ging vor einigen Tagen durch die Medien (siehe): Eine nicht Regierungsorganisation (NGO) hatte in den USA Klage gegen Starbucks und rund 90 weitere Unternehmen eingereicht. Hintergrund: Die wollten, dass die Unternehmen ihre Verbraucher nicht vor einer möglichen Krebsgefahr durch das Acrylamid im Kaffee warnen. Die Klage vor einem Gericht in Kalifornien war in erster Instanz erfolgreich.

"Chemikalien, die nach dem Wissen des Staates Kalifornien Krebs erregen können, sind in Kaffee, Backwaren und anderen Lebensmitteln und Getränken enthalten, die hier verkauft werden", informiert Starbucks nun seine Kunden. Die Hersteller werden aber gegen das Urteil in Berufung gehen.

Acrylamid in Lebensmitteln und in Kaffee

Acrylamid wird zu Herstellung von Farbstoffen und Polymeren (Kunststoff) verwendet. Acrylamid entsteht aber auch beim Backen, Frittieren oder Braten, wenn der Vorgang zu heiß abläuft. Die Diskussion gibt es bereits seit Jahren, weil es einen Verdacht gibt, dass Acrylamid Krebs auslösen könnte.

Beim Kaffee entsteht Acrylamid durch das Rösten – da Zeit auch Geld ist, werden Bohnen in der Industrie bei sehr hohe Temperaturen geröstet. Das erhöht die Menge an Acrylamid im Kaffee. Gemäß diesem Artikel gab es 2010 eine Untersuchung von Kaffees auf Acrylamid, wobei einige Proben den sogenannten Richtwert überschritten. Dieser gibt an, wie hoch der maximale Anteil eines Stoffs maximal sein soll. Dieser lag 2010 bei 280 Mikrogramm Acrylamide pro Kilogramm. Im Jahr 2011 wurde er auf 450 Mikrogramm Acrylamide pro Kilogramm erhöht, wodurch alle Proben unterhalb des Richtwerts lagen.

Kaffeebohnen
Quelle: Eigene Aufnahme

Zum 11. April 2018 gelten in der EU Ansätze, Acrylamid in Nahrungsmittelen zu reduzieren (ich hatte es im Blog-Beitrag Ab 1. April 2018: Höhere Zuzahlung für Medikamente und mehr angerissen). Mehr Details finden sich in diesem BAV-Artikel. Man muss aber hinterfragen, ob das Ganze nicht zum Monster mutiert – dieser FAZ-Artikel führt ein paar Details auf.

Inzwischen haben die Kaffeeröster aber reagiert und versuchen die Menge Acrylamid, die beim Rösten entsteht, zu reduzieren. Ein schöner Übersichtsartikel findet sich im Blog der Marthermühle.

Was viele nicht wissen: Auch in Kosmetika und Shampoos ist Acrylamid enthalten. Das wird in diesem Deutschlandfunk-Artikel thematisiert.

Ist Acrylamid wirklich krebserregend?


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Spiegel Online macht hier aber ein Fragezeichen an diese Aussage. Das hat mich dazu gebracht, noch ein wenig zu recherchieren. Es gibt dieses PDF-Dokument, welches etwas Licht in das Dunkel zu bringen vorgibt. Wenn die Aussagen stimmen, ist die Aussage Acrylamid ist krebserregend, nicht haltbar.

Das Problem ist vor allem die Übertragung von Tierversuchen auf den Menschen und die Menge des in Versuchen verabreichten Stoffes. Der aktuelle Stand – hier von der Krebsgesellschaft wiedergegeben: 'Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht angesichts der vielen ungeklärten Fragen auf Nummer sicher und verlangt nach einer schnellen Absenkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln wie Kaffee, Bratkartoffeln, Kartoffelchips, Pommes und Knäckebrot.'

Und die Verbraucherzentralen schreiben hier (Link gelöscht): Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt in einem wissenschaftlichen Gutachten, dass Acrylamid in Lebensmitteln das Krebsrisiko für Verbraucher aller Altersgruppen potenziell erhöht.

Interessant ist die Aussage der EFSA (European Food Safety Authority) zu Acrylamid in Nahrungsmitteln: Befunde aus Tierstudien zeigen, dass Acrylamid und sein Metabolit Glycidamid genotoxisch und karzinogen sind, d.h. sie schädigen die DNA und erzeugen Krebs. Hinweise aus Humanstudien darauf, dass die ernährungsbedingte Exposition gegenüber Acrylamid Krebs beim Menschen verursacht, sind derzeit noch begrenzt und nicht schlüssig. Eine deutschsprachige, leicht verständliche Risikobewertung findet sich hier.

Eine sehr interessante Abhandlung zu Acrylamid im Hinblick auf die EU-Versordnung 2017/2158 findet sich in diesem Infopapier der Öko-Lebensmittelhersteller.

Meinung: Weiter Kaffee trinken

Wenn ich die obigen Informationen zusammen ziehe, bleibt: Es kann möglicherweise sein, dass Acrylamid (bzw. dessen Abbauprodukte) krebsauslösend ist. Ob sich das beim Menschen überhaupt auswirkt, ist unbekannt. Inzwischen haben die Kaffeeröster reagiert und die Prozesse so umgestellt, dass die Acrylamid-Richtwerte unterschritten werden.

Wenn wir dann noch die Meldungen, dass Kaffeegenuss das Leben verlängert – ich hatte das Thema im Blog aufgegriffen, siehe Linkliste – spricht nichts gegen ein paar Tassen Kaffee pro Tag. Wenn es schmeckt, trinkt Kaffee – die Gefahr für Speiseröhrenkrebs wird eher durch zu hohe Temperaturen als durch Acrylamid (wenn überhaupt) erhöht.

Und zum Abschluss noch eine spezielle Bornsche Näherung: Das Leben kann tödlich sein, wir werden alle störben – mit Sicherheit. Also lasst euch nicht vom Kaffee-Trinken abhalten.

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