Wie jagten eigentlich die Neandertaler?

Dass die Neandertaler mit Speeren Jagd auf Wild machten ist bekannt. Aber welche Jagdtechniken verwendeten die Neandertaler? Warfen sie Speere nach den Tieren? Neue Forschungsergebnisse der deuten auf eine andere Technik hin.


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Es ist der experimentellen Archäologie und einem Knochenfund zu verdanken, dass man zu interessanten Ergebnissen gelangte. Im Magazin Nature wurde von den beteiligten Forschern in der Rubrik Ecology & Evolution ein Fachartikel mit dem Namen Evidence for close-range hunting by last interglacial Neanderthals (nur die erste Seite des Dokuments ist frei lesbar) veröffentlicht.

Die Menschen jagen seit 2,5 Millionen Jahren

Seit rund 2,5 Millionen Jahren gehören Tiere zur menschlichen Ernährung dazu. Steinwerkzeuge erleichterten den Frühmenschen das Aufbrechen der erlegten Tiere. Wie genau die Frühmenschen bzw. die Neandertaler die Beute erlegt haben und wie sich die Jagdstrategien abhängig von der Zeit und der Region Raum verändert haben, ist alles andere als klar.

Die ältesten aus der Archäologie bekannten Jagdwaffen sind 300.000 bis 400.000 Jahre alte geschärfte Holzstäbe (hölzerne Speere). Diese wurden aber als Wurf- und/oder Nahbereichsspeere (zum Stoßen) verwendet. Dies war bisher alles bereits bekannt. Aber es fehlen Daten darüber, wie solche Objekte verwendet wurden. Haben die Jäger die Speere geworfen? Oder pirschten sie sich an das Wild heran und stießen die Holzspeere in die Tierkörper.

Beide Jagdtechniken verursachen eindeutige Verletzungen (Läsionen) am erlegten Tier. Eindeutige Läsionen (Verletzungen) an den Tieren, die durch solche waffenähnlichen Objekte verursacht wurden, sind für den Großteil der menschlichen Vorgeschichte aber unbekannt. Manchmal gibt es aber Glücksfälle und die experimentelle Archäologie.

Knochenfunde und Experimente

Bei Ausgrabungen von 120.000 Jahre alten Seeuferablagerungen wurden bei Neumark-Nord (Nähe Halle an der Saale, benachbart zur heutigen Stadt Braunsbedra) zahlreichen Spuren von Neandertalern gefunden (der moderne Mensch hatte zu dieser Zeit Europa noch nicht erreicht). Die Ausgrabungen der einzigartigen Seenlandschaft brachten zehntausende Knochen großer Säugetiere, darunter Rot- und Damhirsche, Pferde und Wildrinder, die während der letzten Warmzeit erlegt worden waren, zutage. Hinzu kamen tausende Steinartefakte. Diese reichen Funde zeugen vom Erfolg der Überlebensstrategien des Neandertalers in bewaldeten Umwelten.

Der See, an dem die Jagden vor 120.000 Jahren stattfanden, war von geschlossenen Wäldern umgeben – eine Umwelt, die für Jäger und Sammler auch heute noch eine besondere Herausforderung darstellt. Zu dieser Zeit haben Jäger auch zwei Damhirsche mit Holzspeeren erlegt. An den beiden Damhirsch-Skeletten fanden sich eindeutige Spuren (Perforationen) an den Knochen.

Jagdverletzung Damhirsch
(Knochen mit Perforation, Quelle: Universität Mainz, Pressebild)


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Die Skelette wiesen Beschädigungen am Beckenknochen (obiges Foto) und an einem Halswirbel auf. Diese Perforationen passen gut zu Holzspeeren, die aus der Frühzeit des Menschen gefunden wurden.

In einer Mitteilung der Universität Mainz schreiben die Wissenschaftler: Die Jagdverletzung konnte in einem innovativen, experimentellen ballistischen Versuchsaufbau samt CT-Untersuchungen und mit Hilfe modernster Bewegungssensorik exakt reproduziert werden. Die Ergebnisse belegen die Nutzung eines hölzernen Speers in Aufwärtsbewegung, der mit geringer Geschwindigkeit eingesetzt wurde (siehe nachfolgendes Bild).

Speerführung beim erlegten Hirsch
(Speerführung beim erlegten Hirsch, Quelle: Universität Mainz, Pressebild)

Dies deutet darauf hin, dass sich Neandertaler den Tieren bis auf sehr kurze Distanz näherten und den Speer als Stoß- und nicht als Wurfwaffe verwendeten. Eine solche konfrontative Art der Jagd erforderte sorgfältige Planung, Tarnung sowie ein enges Zusammenspiel zwischen den einzelnen Jägern.

In diesem Nature-Artikel geht Annemieke Milks vom University College London (UCL) auf diese Ergebnisse ein. Laut diesem deutschsprachigen Artikel ist die Entdeckung an sich nichts besonders überraschendes. Ungewöhnlich sei aber die Vollständigkeit der Perforation der gefundenen Skelettreste, die eine entsprechende Nachstellungen und anschließende Analyse ermöglichte. Die Wissenschaftlerin glaubt aber, dass die Neandertaler auch in der Lage waren, einen Speer auf ein Tier zu werfen, um dieses zu erlegen.

Vielleicht war es ja auch so, dass die Jäger die beiden Damhirsche bereits durch geworfene Speere verletzt hatten und die erschöpften Tiere final durch gestoßene Speere töteten. Auf diese Frage kann auch die experimentelle Archäologie im aktuellen Fall keine Antwort liefern. Weitere Berichte zum Thema lassen sich beim SWR und hier nachlesen.

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