Die Neandertaler, Mathematik, der Zwirn und die Knoten

Es ist eine weitere wissenschaftliche Sensation, die Archäologen kürzlich in Südfrankreich nachgewiesen haben. Die Neandertaler kannten bereits so etwas wie Zwirn oder Schnüre, die aus Pflanzenfasern gedreht wurden. Ein zweiter Blick offenbart, dass die Neandertaler sogar Mathematik und do etwas wie die Knotentheorie beherrscht haben.


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Ich hatte hier im Blog ja häufiger Artikel veröffentlicht, die zeigen, dass die Neandertaler keineswegs die dumpfen Steinzeitmenschen waren, wie diese in der frühen Literatur gezeichnet wurden. Immer wieder kommen Einzelheiten ans Tageslicht, die die Fähigkeiten der Neandertaler zeigen. Selbst Seefahrt könnten die Neandertaler beherrscht haben.


(Steinwerkzeug mit Zwirn, Source: Photo by M.-H. Moncel,  CC BY 4.0)

Im Blog-Beitrag Die Neandertaler kannten 'Zwirn' hatte ich kürzlich berichtet, dass an einem Steinwerkzeug (quasi ein Steinfragment, siehe obige Fotos) Forscher ein 6 Millimeter langes und einen halben Millimeter dickes Stück 'Schnur' entdeckten. Etwas, was man heute wohl als 'Zwirn' bezeichnen würde. Es haftete an der Unterseite des Steinwerkzeugs, welches in mehreren Meter Tiefe gefunden wurde.

Neandertaler beherrschten einfaches rechnen

Das kurze Stück Schnur war aus dem Bast eines Nadelbaums gefertigt. Drei Grundschnüre wurden aus Bastfasern im Uhrzeigersinn verdreht. Danach wurden drei Stränge dieser Grundfasern gegen den Uhrzeigersinn zu einer dünnen Schnur verdrillt. Das ergab die Analyse des Reststücks unter einem Mikroskop.

Der Fund beweist einmal mehr, dass die Neandertaler zu vielem fähig waren. Allein die Bastfasern zu beschaffen und sie für die Schnurherstellung vorzubereiten, war ein komplexer Prozess, der einiges an Wissen erforderte. Es galt den Zeitpunkt der 'Ernte' der Bastfasern zu kennen.

"Die beste Zeit für die Ernte von Bastfasern wäre vom zeitigen Frühjahr bis zum Frühsommer. Sobald die Rinde vom Baum entfernt ist, kann das Schlagen helfen, die Bastfasern von der Rinde zu trennen", schrieben Hardy und seine Kollegen. "Das Einweichen [der Fasern] in Wasser hilft bei ihrer Trennung und kann die Qualität des Basts aufweichen und verbessern. Der Bast muss dann in Stränge getrennt werden und kann zu Tauwerk verdreht werden".

Das wirft natürlich die Vermutung auf, dass die Neandertaler zumindest einige grundlegenden Rechenkenntnisse besaßen. Sie mussten bis drei zählen können, um jeweils drei Fäden zu verzwirbeln.


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Das Bündeln von Fasern und das anschließende Zusammenlegen der Bündel zu Schnur, argumentieren der Forscher Hardy und seine Kollegen, bedeutete auch, dass die Neandertaler über Zahlen nachdenken und mit Zahlen arbeiten konnten, und mit numerischen Konzepten wie Paaren und Mengen, die sie zu einer Struktur (dem Faden) kombinierten. Zudem ist bekannt, dass die Verarbeitung von Fasern zu einem Zwirn auch ein zumindest grundlegendes Verständnis von Zählen, Mengen und Mustern erfordert.

Und die praktische Arbeit mit Zahlen, wie das Zählen von Fasern und Bündeln, war vielleicht der erste Schritt in der Entwicklung der kognitiven Fähigkeit, fortgeschrittenere, abstraktere Mathematik zu machen. Das ist das Argument, das der Archäologe Lambros Malafouris von der Universität Oxford 2010 vorgebracht hat.

Sobald der Faden hergestellt war, konnte dieser weiter verarbeitet werden. Diese Arbeit mit der Faser erforderte noch komplexeres Denken. Sollten mehrere zu einem Seil verdrehte Schnüre, zu Knoten verflochtene worden sein, wäre das eine kognitive Komplexität, die der von der menschlichen Sprache geforderten ähnlich ist, schrieben die Wissenschaftler Hardy und seine Kollegen. Arstechnica befasst sich in diesem englischsprachigen Beitrag mit der Thematik und verlinkt auch auf die Veröffentlichung der Wissenschaftler.

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