Blue Origin: Der Raumfahrtfirma von Amazon-Gründer Jeff Bezos gehen die Leute von der Stange

Es läuft nicht gut für Amazon-Gründer Jeff Bezos: Da gründet er eine Raumfahrtfirma Blue Origin, um ins Weltall zu fliegen, schafft sogar bei einem Erstflug einen Hopser bis in 100 Kilometer Höhe und will eigentlich eine Mondfähre zur Landung auf dem Mond bauen. Aber die Firma bekommt den Auftrag nicht, und klagt gegen die Konkurrenz. Und jetzt muss Bezos sehen, wie ihm die Führungskräfte abhanden kommen. Was haben Bezos und Blue Origin bloß falsch gemacht, dass mir der Spruch von einem sinkenden Schiff und den Ratten durch den Kopf schießt?


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Kleiner Rückblick: Blue Origin und Jeff Bezos

Jeff Bezos ist der Gründer des Online-Versenders Amazon und heute dadurch Multimillionär. Der leistet sich einen Zeitungsverlag (Washington Post) und hat auch die Raumfahrtfirma Blue Origin gegründet. Mit der Firma verfolgt er zwei Ziele: Touristen in den Weltraum schießen, um Geld damit zu verdienen, und für das US-Raumfahrtprogramm Mondlander und Raketen zu bauen, um Geld damit zu verdienen.

Touristenflüge ins Weltall

Im Juli 2021 lieferten sich die Milliardäre Jeff Bezos (Amazon) und Richard Branson (Virgin) ein Wettrennen, wer als erster mit Passagieren in den nahen Weltraum fliegen kann. Branson hatte die Nase vorne (siehe Am heutigen 11. Juli 2021 soll Richard Branson mit ins All fliegen). Jeff Bezos gelang dieser Flug am 20. Juli 2021 – ich hatte ja im Blog-Beitrag Heute will Jeff Bezos mit Mitstreitern ins All hopsen berichtet. Jeff Bezos war mit weiteren Personen mit dem von ihm gegründeten Unternehmen Blue Origin mittels der New Shephard-Rakete und der Passagierkapsel bis in 100 km Höhe aufgestiegen und dann wieder in den USA gelandet.

New Shepard
New Shepard-Landung 2017, Quelle: Wikimedia Bild gemeinfrei

Die beiden Flüge sollten der Startschuss für touristische Weltraumflüge gewesen sein, denn beide Firmen möchten Sitzplätze in ihren Raumfahrzeugen für zahlungskräftige Passagiere verkaufen und damit ein Geschäft betreiben. Bereits im Vorfeld gab es Kritik, ob dieses Unterfahren in Anbetracht der Klimakrise noch adäquat sei. Und dann verprellte Jeff Bezos noch Kunden sowie Angestellte von Amazon, denn er bedankte sich bei diesen dafür, dass sie „seinen Weltraumtrip bezahlt hätten". Wer Amazon und seine Machenschaften als Arbeitgeber kennt, weiß, dass dies wie blanker Hohn wirken muss, und so war dieses Lob ein deftiger Tritt ins Fettnäpchen – ich hatte im Blog-Beitrag  Amazon-Kunden "stinkig" über Jeff Bezos Weltraumhopser … über die Folgen berichtet.

Man will Mondlander bauen

Und dann gibt es noch die richtigen Raumfahrtambitionen und den Flug zum Mond. Ich hatte ja im Beitrag Blue Origin will bis 2025 mit Menschen auf den Mond über die Ambitionen von Jeff Bezos berichtet. Dazu hatte sich Bezos und sein Blue Origin mit den Konzernen Lockheed Martin, Northrop Grumman und Draper zusammen getan.

Blue Origin Mondlandefähre
(Blue Origin Mondlandefähre, Quelle: Blue Origin)

2019 stellte man eine Mondlandefähre als Konzept vor und bewarb sich bei der NASA um einen Auftrag. Konkurrenz war SpaceX des US-Milliardärs und Tesla-Gründers Elon Musk. SpaceX bringt mit seinen Falcon 9-Raketen und der Dragon Raumkapsel seit Jahren erfolgreich Fracht und nun auch Astronauten zur Internationalen Raumstation (ISS).


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Blue Origin hat dagegen erst vor einigen Wochen den ersten Weltraumhopser mit seiner New Shephard-Rakete bewältigt, die Schwerlast-Rakete New Glenn ist bisher nur auf Papier vorhanden und noch nie geflogen. Die haben also Null Erfahrung mit Raumfahrttechnik und wohl bei der NASA ein Angebot für die Mondmission abgegeben, welches mit 6 Milliarden US-Dollar deutlich über dem Angebot von Space X (3 Milliarden) lag.

Der Exodus leitender Blue Origin Mitarbeiter

Blue Origin verlor den Auftrag der NASA zum Bau des Mondlanders, und dieser wurde dann an SpaceX vergeben. Das ließ Jeff Bezos nicht ruhen, und er legte Beschwerde gegen diese Vergabe ein, wodurch das Projekt verzögert wurde. Dann bot er in einem offenen Brief 2 Milliarden US-Dollar als Köder an, um doch noch an den Auftrag zu kommen – ich hatte im Beitrag Amazon-Gründer Bezos bietet NASA 2 Milliarden US-Dollar für Mondlandefährenauftrag berichtet. Als sowohl die Beschwerde und die Offerte scheiterten, strengte er über Blue Origin eine Klage gegen diese Auftragsvergabe an. Das Projekt ist damit bis zum Urteil geerdet. Parallel zettelte die PR-Abteilung von Blue Origin eine Schmutzkampagne gegen den Mitbewerber Space X an.

Wie ich nun bei Golem lese, gehen Blue Origin inzwischen die leitenden Mitarbeiter von der Fahnenstange, weil die Arbeitszufriedenheit in der Fima grottenschlecht ist und die Leute sich nicht mit dem Verhalten von Blue Origin identifizieren. Angestellte von Blue Origin, bis hinauf zu den obersten Leitungsebenen, verlassen reihenweise das Unternehmen. Gründe seien sowohl die Klagen der Firmen gegen die Entscheidung der Nasa für einen Mondlander von SpaceX als auch eine Werbekampagne,, die den SpaceX-Vorschlag als besonders risikoreich darstellen soll, schreibt Golem. Golem zitiert in seinem Artikel einen anonymen Mitarbeiter, der auf Reddit vom Leder zieht. Die Belegschaft unterstützt keinesfalls diese PR-Kampagne und ist vom Verhalten der Firma angewidert sowie peinlich berührt.

Golem zählt dann auf, dass seit dem Flug von Blue-Origin-Chef Jeff Bezos am 1. Juli der Senior Vice President, der Technikmanager und der Avionik-Chefentwickler des New-Shepard- Projekts gekündigt hätten. Hinzu kommen der Direktor des New-Glenn-Projekts sowie der ihm unterstellte Direktor der Entwicklung der ersten Stufe. Außerdem gehen der Finanzmanager, der Produktestmanager und der leitende Integrations- und Testingenieur des BE-4-Haupttriebwerks der Rakete. Auch der Chef der Missiondurchführung und der Verkaufschef für Geheimdienstkunden sowie Mitarbeiter in den unteren Ebenen haben wohl gekündigt. Da geht wohl was gehörig den Bach runter.

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3 Antworten zu Blue Origin: Der Raumfahrtfirma von Amazon-Gründer Jeff Bezos gehen die Leute von der Stange

  1. Mance sagt:

    Ich möchte nun nicht den Begriff "Häme" benutzen, verstehe aber trotzdem nicht warum Jeff Bezos (und auch Andere in dieser Kategorie) immer nur auf solche Ereignisse reduziert werden. Diese Leute haben in ein paar Jahren mehr geleistet und zustande gebracht als andere nicht mal in 100 Jahren leisten würden. Außerdem geben sie einen großen Teil ihres Vermögens auch wieder an die Gesellschaft zurück.
    Ich gönne denen jeden einzelnen $ und auch die Freude daran, es nach ihrem eigenen Gutdünken einzusetzen. Danke Jeff Bezos!

    • guenni sagt:

      Hm, es geht imho nicht darum, was Jeff Bezos geleistet hat. Es geht imho um Emphatie von Bezos gegenüber seinen Amazon-Angestellten, Geschäftspartnern, und den Umgang mit Mitbewerbern.

      Wenn er seinen Weltraumhopser als Privatangelegenheit deklariert hätte, wäre das geschenkt. Als er sich aber bei der Amazon-Belegschaft bedankt hat, denn die hätten das bezahlt, war mir sofort klar, dass dies bitter aufstößt.

      Und wenn eine Firma wie Blue Origin da mit Null Erfahrung eine gigantische Raumfahrtmission mit dem doppelten Preis des Mitbewerbs haben will, dann (mit Recht) abblitzt, eine Beschwerde einreicht, die aber auch durch eine Untersuchungskommission zurückgewiesen wird, und dann klagt, um das Projekt aufzuhalten, hat das schon eine besondere Qualität. Zieht die gleiche Firma eine PR-Aktion hoch, um die Konkurrenz schlecht dastehen zu lassen, muss man auf den Kopf dieser Organisation schauen.

      Ich denke, die Leute haben ein feines Gespür für so etwas. Ein Amazon-Arbeiter wird nicht so viele Freiheiten haben, der braucht den Job und beißt die Zähne zusammen. Wenn aber Führungskräfte einer Firma den Exit antreten, dann lässt das tief blicken – egal, was der Kopf früher geleiset hat.

      • Mance sagt:

        Ja, schon klar. Mir geht halt das allgemeine Gemaule (meine nicht dich persönlich) bei diesem Thema auf den Wecker und ich habe diesen Artikel jetzt dazu mißbraucht meinem Ärger darüber mal Luft zu machen.
        Aber man darf auch nicht vergessen, daß Leute dieses Schlages nicht mit normalen Maßstäben zu messen sind. Elon Musk bspw. wird ja öfter als Psychopat bezeichnet und John Mcafee paßte bestimmt auch in diese Kategorie. Jeder der sich mit solchen Chefs einläßt muß sich darüber im Klaren sein welche Maßstäbe gelten.
        Zu Null Erfahrung ist Musk das beste Bsp. dafür wie man trotzdem einen ganzen Indusrtriezweig aufmischen kann. Die kann man sich kaufen. Und wie alteingesessene Giganten von cleveren Jungs ausgetrickst werden sah man am Bsp. IBM vs. Microsoft.
        Emphatie gegenüber seinen Angestellten ist doch schon längst nicht mehr selbstverständlich. Auch bei uns hat sich der Arbeitsmark in den Letzten Jahren diesbezüglich nicht gerade zum Positiven verändert.
        Das ist jetzt vielleicht alles ein bisschen durcheinander gewürfelt. Aber so ist halt die Entwicklung und wir alle sind (bzw. waren) maßgeblich daran beteiligt.
        Das wäre ja mal ein interessantes Thema "Warum entwickelt sich die Welt (Menschheit) so?". Oder anders gefragt; wird die Welt jetzt besser oder schlechter?
        Ich für mich habe entschieden mich nicht mehr dagegen zu stemmen sondern das Beste für mich zu nutzen. Und um nicht irgendwann abgehängt zu werden habe ich mir nun tatsächlich ein Smartphone angeschafft. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich in den 4 Tagen wo ich es jetzt habe schon angefixt bin. Wirklich ein geniales Spielzeug ;-)

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