Die Hoffnung auf den COVID-19-Totimpfstoff und die Narkolepsie

Gesundheit (Pexels, frei verwendbar)Wenn man die Diskussionen bezüglich der Impfung gegen COVID-19 verfolgt, bringen manche Leute gerne einen sogenannten Totimpfstoff ins Spiel, bei dem abgetötete Viren als Transporter verwendet werden. Währe irgendwie "sympathischer" als dieses moderne mRNA-Impfzeug, hört man gelegentlich, denn das Prinzip der Totimpfstoffe sei seit 50 Jahren erprobt. Am gestrigen 20.12.2021 wurde ja Novavax als Totimpfstoff in der EU zugelassen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Leute, die auf COVID-19-Totimpfstoffe warten, bezüglich der vermuteten Risiken nicht vom Regen in die Traufe kommen. Denn es könnten unvermutete Nebenwirkungen mit diesen Impfstoffen drohen.


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Zum Sachverhalt

Es gibt verschiedene Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2, die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna, die Vektorimpfstoffe wie  Oxford Astra-Zeneca oder aber die bisher in Europa nicht zugelassenen Totimpfstoffe wie Valvena oder Novavax. Experten empfehlen inzwischen wegen der Wirksamkeit auf die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna zu setzen. Von US-Experten wird, wegen geringer Blutgerinsel, von einer Verabreichung von Johnson & Johnson für US-Bürger abgeraten. Und der Oxford-Impfstoff von Astra-Zeneca wird wegen der Nebenwirkungen in Deutschland auch so gut wie nicht mehr verabreicht.

Totimpfstoffe als "Hoffnung"

Für Impfskeptiker, die mRNA-Impfstoffe ablehnen, stehen daher Totimpfstoffe wie Valvena oder Novavax auf der Hoffnungsliste. Das Ärzteblatt berichtete vor einigen Tagen, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am 20.12.2021 über die Zulassung von Novavax entscheiden will. Inzwischen hat die EMA am 20.12.2021 diese Zulassung erteilt (ich hatte den Ursprungstext für diesen Artikel vorab erstellt). In den kommenden Tagen und Wochen steht also der Totimpfstoff Novavax zur Verfügung.

Der Chef von Valvea, Thomas Lingelbach, rät laut diesem Bericht, nicht auf den 2. hier erwähnten Totimpfstoff von Valneva zu warten, sondern sich mit mRNA-Impfstoffen impfen zu lassen. Aber auch wenn Novavax eine Zulassung hat, sollte man folgende Informationen im Kopf behalten.

Wirkverstärker als Risiko?

Ob sich die Impfskeptiker einen großen Gefallen tun, wenn sie trotz längst verfügbaren mRNA-Impfstoffen auf einen Totimpfstoff gegen COVID-19 warten, weil dort die Risiken angeblich geringer sind? Letztens hatte ich diesbezüglich ein kurzes Gespräch mit einem Physiotherapeuten. Eine seiner Patientinnen ist Biologin und arbeitet im Umfeld der Impfstoffentwicklung. Aus dieser Ecke kam dann der Hinweis, dass die Risiken bei Totimpfstoffen möglicherweise höher als bei mRMA seien. Der Grund: Dem Impfstoff müssen ein Wirkverstärker (Adjuvantien) beigemischt werden, und da gab es beim Impfstoff gegen die Schweinegrippe vermehrt Fälle von Narkolepsie.

Spritze, Impfstoff
(Quelle: Pexels/Pixabay CC0 Lizenz)

Das Paul-Ehrlich-Institut hat hier einen Artikel zu Wirkverstärkern publiziert. Dort heißt es: Adjuvanzien sind Bestandteile vieler inaktivierter Impfstoffe. Sie werden als Hilfsmittel eingesetzt, um im Körper der geimpften Person die Immunantwort auf Antigene zu verstärken (Wirkverstärker). Antigene sind Bestandteile des Erregers, die bei einem Impfstoff vom Immunsystem erkannt und Schutz vor der Infektionskrankheit erzeugen sollen. Das Immunsystem bildet nach der Impfung schützende Antikörper und spezifische Immunzellen (T-Zellen) gegen diese Antigene, sodass das Immunsystem bei Kontakt mit dem "echten" Erreger diesen erkennt und bekämpft.

Der Schweinegrippe-Fall

Ich habe dann mal bezüglich der Stichpunkte etwas recherchiert. Der Human-Impfstoff Pandemrix wurde im September 2009 in der EU zum Schutz gegen die durch den Influenzavirusstamm H1N1A/v verursachte Virusgrippe zugelassen. Während der Influenza-Pandemie in 2009/2010 wurden etwa 30,8 Millionen Menschen in der EU mit Pandemrix (gegen Schweinegrippe) geimpft.


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Zurzeit wird der Impfstoff in der EU nicht mehr eingesetzt. Denn die schwedischen Arzneimittelbehörde Läkemedelsverket informierte am 18. August 2010 über Fälle einer Narkolepsie bei Kindern und Jugendlichen nach einer Pandemrix- Impfung gegen A/H1N1-In­flu­enza (Schweinegrippe). Narkolepsie ist eine neurologische Erkrankung, bei der Menschen am hellichten Tag von Schlafattacken überfallen werden. Sie nicken beim Reden, Essen, am Schreibtisch oder in der U-Bahn oft völlig unvermittelt ein und sacken plötzlich zusammen. Gerade beim Autofahren oder beim Bedienen von Maschinen führt eine Narkolepsie mitunter zu sehr gefährlichen Situationen.

Der Volksmund kennt dies unter dem Begriff "Schlafsucht"  – ich erinnere mich an meine Jugendzeit, wo eine amerikanische Familie als Mieter bei meinen Eltern einquartiert war. Eines der Kinder hatte diese Erkrankung. Der Junge fuhr sein Leben gerne mit meinem Vater auf dem Traktor aufs Feld. Das Kind schlief aber oft urplötzlich auf dem Traktorsitz ein. Vater berichtete, dass er dann einen Jute Kartoffelsack, der auf seinem Traktorsitz lag, nahm, und das Kind auf dem Feld auf den Sack gebettet auf die Erde legte, um weiter zu pflügen oder die Feldarbeit zu verrichten. Nach Stunden sammelte er dann das schlafende Kind wieder ein, um nach getaner Arbeit nach Hause zu kommen.

Der BR berichtet 2020 hier über die seltene Nebenwirkung des Impfstoffs "Pandemrix", die im Jahr 2009 auftraten und die Behörden aufschreckten.

  • Einige Wochen nach Impfstart mit dem Impfstoff "Pandemrix" fielen finnischen Behörden erste seltene Nebenwirkungen auf: ein 17-facher Anstieg an Narkolepsiefällen bei Kindern und Jugendlichen.
  • Eine Metaanalyse von 2018 beziffert für die seltene Schlafstörung bei Jugendlichen ein um das 14-fache erhöhtes Risiko, und bei Erwachsenen einen Anstieg um das 7-fache.

Neben den Ergebnissen aus Schweden weisen die Ergebnisse weiterer retrospektiver epidemiologischer Studien in Finnland, Irland, Frankreich und England auf ein Narkolepsie-Risiko bei Kindern und Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen durch Pandemrix hin. In Frankreich wurde ein Signal auch bei Erwachsenen detektiert, das durch weitere Untersuchungen bestätigt werden muss.

Im BR-Bericht wird ausgeführt, dass es besondere Bedingungen geben muss, damit der Impfstoff die Blut-Hirnschranke überwinden muss, um im Hirn die neurologischen Effekt auszulösen. Der Wirkverstärker könnte da mit reinspielen.

Aufgrund der Ergebnisse der epidemiologischen Studien, heißt es hier, muss man von 2−6 zusätzlichen (zusätzlich zu den Fällen, die natürlicherweise auftreten) Fällen von Narkolepsie pro 100.000 verimpften Dosen Pandemrix bei Kindern und Jugendlichen und von 0,6−1 zusätzlichen Fällen pro 100.000 verimpften Dosen Pandemrix bei Erwachsenen ausgehen.

Allerdings heißt es auch, dass auch eine erhöhte Rate an Narkolepsie-Fällen 2009 in China und Taiwan bei Kindern, die überhaupt keinen Impfstoff erhalten hatten, aufgefallen ist. Der Schluss ist, dass auch das H1N1-Virus selbst Narkolepsie auslösen kann. Der Zusammenhang ist von der Spanischen Grippe bekannt. Chinesische Daten zeigen sogar, dass das Risiko, an einer Narkolepsie zu erkranken, im Jahresverlauf wellenförmig verläuft – entsprechend der Wintersaison, in der Erkältungskrankheiten und Grippe häufiger sind. Die Schweinegrippe H1N1 hatte demnach 2009 zu einem besonderes starken Anstieg geführt.

Novavax braucht Wirkverstärker

Und nun kommen wir in die gleiche Schleife. Beim Totimpfstoff Novavax braucht man einen Wirkverstärker, um die erforderliche Immunantwort gegen SARS-CoV-2 Viren auszulösen. Auf spectrum.de habe ich dazu einen recht aktuellen Artikel gefunden, der einige Details verrät.

So setzt der Hersteller bei Novavax auf den neuen Wirkverstärker Matrix-M – ein Stoff aus der Entwicklung von Nano-Partikeln, eine recht neue Technologie. Die Vorstellung der Impfskeptiker, mit den COVID-19-Totimpfstoffen eine bewährte Technologie einzusetzen, lässt sich so nicht halten. Dazu heißt es:

Die Firma selbst spricht von einer »innovativen firmeneigenen rekombinanten Nanopartikel«-Technologie. Das Vakzin wird in Insektenzellkulturen hergestellt – am Ende sind bis zu 14 Spike-Proteine von Sars-CoV-2 über eine verbindende Basis aneinandergekoppelt, eine Abbildung des Unternehmens zeigt einen kugelförmigen Nanopartikel. Für das Immunsystem gleicht das Konstrukt einem Virus, man spricht von »virus-like particle«.

Wenn ich jetzt noch die obigen Informationen zum Pandemrix-Impfstoff und das Risiko der Narkolepsie einbeziehe, erscheint mir die Hoffnung der Impfskeptiker, mit den Totimpfstoffen eine klassische Technologie mit weniger Risiken als bei mRNA-Impfstoffen zu bekommen, als Trugbild.

Ich habe den Text am 18.12.2021 auf Vorrat geschrieben – und bin im Anschluss daran zur Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff angetreten. Denn dort erscheinen mir die Impfrisiken  bestens erforscht, jedenfalls besser als mit den gerade in der Zulassung befindlichen Totimpfstoffen gegen COVID-19.

Ein Artikel mit Fragen und Antworten zum Novavax-Impfstoff ist übrigens vor einigen Tagen hier erschienen.

Vorteil von Novavax ist möglicherweise die leichtere Herstellbarkeit in Massen (wie es mit dem Wirkverstärker auf Nanotechnologie-Basis ausschaut, kann ich nicht wirklich beurteilen) und ggf. die Temperaturstabilität. Zudem könnte eine Kombination mit einem Grippeimpfstoff verabreicht werden.

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3 Antworten zu Die Hoffnung auf den COVID-19-Totimpfstoff und die Narkolepsie

  1. Bernhard sagt:

    Danke, weder noch, habe die natürliche Immunisierung letzte Woche gezogen 💪
    Mit lieben Grüßen

  2. Info sagt:

    Da wirft sich mir die Frage auf ob diese "Wirkverstärker" bei einem bestehenden Immundefekt, wo der Körper sich chronisch bereits unaufhaltsam selbst zerstört, das Verhalten noch verstärken – oder ist davon abzusehen?

    Muss mal etwas lesen… wäre nicht schön…

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