Stern in 12,9 Milliarden-Lichtjahren durch Hubble nachgewiesen

Stern Earendel auf Hubble-AufnahmeEs war die Sensation, die am 30. März 2022 verkündet wurde. Astronomen haben auf Aufnahmen des alternden Weltraum-Teleskops Hubble eine Sonne nachgewiesen, die 12,9 Milliarden-Lichtjahre von uns entfernt ist. WHL0137-LS, oder Earendel, ist damit der älteste und am weitesten von der Sonnen entfernt Stern, der bisher bekannt ist. Die Entdeckung ist einer Gravitationslinse zu verdanken.


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Der Stern hat bereits einen Eintrag in der Wikipedia, der den Namen Earendel als altengliche Bezeichnung für Morgenstern (oder "aufgehendes Licht") erklärt. Eärendil ist auch der Name eines Halb-Elben in J.R.R. Tolkiens Buch Das Silmarillion, der mit einem strahlenden Juwel, das so hell wie ein Stern erschien, durch den Himmel reiste. Die NASA-Astronomin Michelle Thaller bestätigte, dass die Anspielung auf Tolkien beabsichtigt war. Die Gastgalaxie des Sterns, WHL0137-zD1, erhielt den Spitznamen "Sunrise Arc".

Stern Earendel auf Hubble-Aufnahme
Stern Earendel auf Hubble-Aufnahme, Quelle: NASA

Unglaubliches Alter des Sternenlichts

Das von Earendel ausgestrahlte Licht entstand gerade erst einmal 900 Millionen Jahre nach dem sogenannten Urknall, also dem Zeitpunkt, an dem das Weltall mit allen Sternen entstand. Die Sonne ist so weit entfernt, dass deren Licht 12,9 Milliarden Jahre benötigt, um die Erde zu erreichen.

Earendel hat wahrscheinlich eine Masse zwischen 50 und 100 Sonnenmassen und dürfte auf Grund seiner Größe bereits  wenige Millionen Jahre nach seiner Entstehung als Supernova explodiert sein. Das heißt, diese ferne Sonne existiert längst nicht mehr. Earendel hatte während seines Lebens eine effektive Oberflächentemperatur von etwa 20.000 K (19.700 °C) – unsere Sonne liebt bei ca. 6.000 Grad. Es ist möglicherweise ein Stern der Population III, der fast keine anderen Elemente außer primären Wasserstoff und Helium enthält. Andere Elemente entstanden ja erst durch ausgebrannte Sterne, die als Supernovas explodierten.

Entdeckung durch Hubble

Die Entdeckung eines Einzelsterns in dieser Entfernung ist einem Glücksfall zu verdanken und gelang mit dem alternden Weltraumteleskop Hubble, das aktuell von einer Störung zur nächsten taumelt. Erst das gerade in der Betriebnahmephase befindliche James Webb Teleskop (siehe Links am Artikelende) soll Objekte in diesen Entfernungen aufspüren. Normalerweise können aber auch in dieser Entfernung nur Galaxien als kleine, verwaschene Flecken abgebildet werden.

Der Stern WHL0137-LS wurde aufgrund des Gravitationslinseneffekts eines vorgelagerten Galaxienhaufens entdeckt, der das Licht erheblich verstärkte. Computersimulationen des Linseneffekts deuten darauf hin, dass Earendels Helligkeit um das Tausend- bis Vierzigtausendfache vergrößert wurde. Der Astronom Brian Welch von der Johns Hopkins University in Baltimore erinnert sich:

Wir konnten es zuerst kaum glauben, denn er war so viel weiter entfernt als der bisher am weitesten entfernte Stern mit der höchsten Rotverschiebung.

Der Stern hat eine gemessene Rotverschiebung von 6,2 ± 0,1, was bedeutet, dass das Licht von Earendel die Erde nach den oben berichteten 12,9 Milliarden Jahren erreicht. Aufgrund der Ausdehnung des Universums ist die beobachtete Position des Sterns jetzt jedoch 28 Milliarden Lichtjahre entfernt. Der zuvor am weitesten entfernte Stern, MACS J1149 Lensed Star 1, hat eine Rotverschiebung von 1,49.


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Die Entdeckung von Earendel wurde anhand von Daten gemacht, die im Rahmen des Hubble-Programms RELICS (Reionization Lensing Cluster Survey) unter der Leitung von Co-Autor Dan Coe am Space Telescope Science Institute (STScI) gesammelt wurden.

"Normalerweise sehen in diesen Entfernungen ganze Galaxien wie kleine Flecken aus, in denen sich das Licht von Millionen von Sternen vermischt", so Welch. "Die Galaxie, die diesen Stern beherbergt, wurde durch Gravitationslinsen vergrößert und zu einer langen Sichel verzerrt, die wir Sunrise Arc genannt haben." Nach eingehender Untersuchung der Galaxie stellte Welch fest, dass es sich bei Earendel um einen extrem vergrößerten Stern handelt. Die Entdeckung öffnet eine Tür zur bisher unerforschte Ära der sehr frühen Sternentstehung.

"Earendel existierte vor so langer Zeit, dass er möglicherweise nicht die gleichen Rohstoffe besaß wie die Sterne, die uns heute umgeben", erklärte Welch. "Das Studium von Earendel öffnet ein Fenster zu einer Ära des Universums, die wir nicht kennen, die aber zu allem geführt hat, was wir wissen. Es ist, als würden wir ein wirklich interessantes Buch lesen, aber wir haben mit dem zweiten Kapitel begonnen, und jetzt haben wir die Chance zu sehen, wie alles angefangen hat", so Welch.

"Es gibt eine seit langem bestehende theoretische Vorhersage, dass Sterne, die sich ausschließlich aus den Elementen Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium bilden, die kurz nach dem Urknall geschmiedet wurden  massereicher sein sollten als die Sterne, die sich heute bilden", fügte Teammitglied Erik Zackrisson von der Abteilung für Physik und Astronomie der Universität Uppsala in Schweden hinzu. "Diese Ursterne, die als Sterne der Population III bekannt sind, haben sich bisher den Beobachtern entzogen, könnten aber entdeckt werden, wenn sie, wie im Fall des Earendel-Objekts, durch Gravitationslinsen sehr stark vergrößert werden."

Eine englischsprachige Meldung der ESA zur Entdeckung des Sterns findet sich hier, die Kollegen von heise haben hier einen deutschsprachigen Beitrag dazu veröffentlicht. Die Entdeckung erfolgte in Nature. Ergänzung: Die Kollegen von Golem haben hier einen kritischen Blick auf die Thematik geworfen und beklagen, dass die Datenlage für die obigen Schlüssel doch sehr dünn sei und die Arbeit bereits Kritik hervorgerufen habe.

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