Schneelawine wohl Ursache für Tragödie am Djatlow-Pass

Es war wohl eine Schneelawine, die für den Tod von neun Skiwanderern in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1959 verantwortlich war. Die Skiwanderer kamen auf bisher ungeklärte und mysteriöse Weise am östlichen Hang des Berges Cholat Sjachl (mansisch für Berg des Todes; 1097 m) im nördlichen Ural (Sowjetunion) um. Die sogenannte Tragödie am Djatlow-Pass hatte für viele Spekulationen gesorgt – aber die Lawinen-Theorie scheint bewiesen.


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Ich hatte im Februar 2019 über die Tragödie hier im Blog im Beitrag Vor 60 Jahren: Die Tragödie am Djatlow-Pass berichtet. Nicht nur, weil das Ganze 60 Jahre her war. Sondern auch, weil Russland neue Untersuchungen über die Ursache für den Tod der neun Leute angekündigt hatte.

Mysterium "Tragödie am Djatlow-Pass"

Ich habe es im Blog-Beitrag genauer geschildert – in Kurzfassung: Ende Januar 1959 brach eine aus acht Männern und zwei Frauen bestehende Skiwandergruppe zu einer Tour in den Ural (Sowjetunion) auf. Die Skitour wurde vom Sportverein des Polytechnischen Instituts (UPI) des Urals veranstaltet und sollte 16 Tage dauern. Geplant war, dass von den Teilnehmern mindestens 350 km auf Skiern auf der geplanten Route durch das Gebirge des nördlichen Urals zurückgelegt werden sollte.

Alle Teilnehmer galten als erfahrene Wanderer und kannten sich, mit Ausnahme von Semjon Solotarew, bereits seit mehreren Jahren. Weil ein Teilnehmer erkrankte, kehrte er in eine Waldarbeitersiedlung zurück. Von den verbleibenden neun Teilnehmern kehrte keiner zum verabredeten Zeitpunkt zurück, so dass am 20. Februar 1959 beschlossen wurde, eine Suchaktion einzuleiten. Am 26. Februar fanden die Suchtrupps das verlassene Lager am Cholat Sjachl. Das Zelt war intakt, aber leicht eingeschneit und wies Einschnitte auf.

Suchtrupps fanden dann die Leichen einiger Schneewanderer hunderte Meter weiter von den Zelten in einem Waldstück – andere wurden erst zwei Monate später, am 4. Mai 1959, vom Hund eines Ureinwohners unter vier Meter hohem Schnee in einer Schlucht weiter im Waldinneren gefunden. Die Untersuchung diverser Leichen wiesen Verletzungen auf, die nicht durch Menschenhand erzeugt worden sein konnten.

Spekulationen und eine Erklärung

Der tragische Tod der neun jungen Leute und die Auffindesituation führten in der Folgezeit zu allerlei Spekulationen über die Ursachen. Denn die unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsakten führten zu dem Verdacht, die Behörden könnten der Öffentlichkeit maßgebliche Informationen vorenthalten oder etwas verschleiern. Es wurde Altmetall in der Region gefunden, was zur Spekulation führte, das Militär habe die Gegend heimlich genutzt und versuche nun, etwas zu verschleiern.

Eine erste Theorie ging davon aus, dass die Skiwanderer von den indigenen Ureinwohnern, den Mansen, ermordet wurden. Das konnte aber auf Grund der Verletzungen widerlegt werden. Auch UFOs, Infraschall oder ein Streit innerhalb der Gruppe wurden als Theorien ins Spiel gebracht. Die Untersuchung wurde offiziell im Mai 1959 wegen der „Abwesenheit einer schuldigen Partei" eingestellt. Die Akten wurden in einem Archiv abgelegt. Kopien tauchten in den 1990er Jahren auf, allerdings fehlen diesen einige Seiten. Im Sommer 2018 startete die Komsomolskaja Prawda eine weitere Recherche zu diesem Fall.

Im Februar 2021 hatte ich im Blog-Beitrag Erklärung für Tragödie am Djatlow-Pass im Jahr 1959 eine recht einleuchtende Erklärung für den Tod der neun Skiwanderer präsentiert. Im Rahmen einer neuen Studie hatten Forscher der EPFL und der ETH Zürich (Johan Gaume und Alexander Puzrin)eine mögliche Erklärung für das Unglück am Djatlow-​Pass gefunden. Die Gruppe hatte ihr Zelt an einem Hang aufgestellt und den dort liegenden Schnee an der Bergschulter weggeschaufelt. So war das Zelt scheinbar durch die Schneewand in Richtung Berg geschützt. Aber spezielle Winde führten dazu, dass Schnee hangaufwärts oberhalb des Zelts verfrachtet wurde und sich auftürmte. Dann löste sich eine Lawine, die das Zelt mit den Menschen begrub und die Verletzungen verursachte. Die Schneewanderer schnitten das Zelt von innen auf und stürzten in die Schneelandschaft, wo sie sich verirrten und ohne entsprechende Kleidung erfroren.


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Diese von den Wissenschaftlern anhand von Simulationen entwickelte Unfalltheorie wurde aber nicht von allen geteilt. Die Suchexpedition hatte keine Zeichen für den Abgang von Lawinen entdeckt und der Hang war mit einer Neigung von 30 % auch nicht lawinengefährdet. Wie die Neue Züricher Zeitung (NZZ) kürzlich berichtete, hat die Arbeit der Schweizer Wissenschaftler aber neue Erkenntnisse angestoßen. So bekamen die Wissenschaftler Kontakt zum russischen Lawinenforscher Wiktor Popownin, der das Unglück 2019 im Auftrag eines russischen Staatsanwalts erneut untersucht hatte. Der italienische Filmregisseur Matteo Born wollte zudem einen Dokumentarfilm über das Unglück drehen.

Bei einer neuen Expedition von Popownin und Born in dieses Gebiet konnten mit Hilfe einer Drohne ein dreidimensionales Geländemodell erstellen. Dieses zeigte zahlreiche Stufen, wo die Hangneigung grösser als 30 Grad ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Zelt an einer solchen Stelle stand, war also hoch. Bisher hatte man aber noch keine Lawinen in dem Gebiet nachgewiesen. Dann gab es im Oktober 2021 einen Anruf von einem russischen Bergführer bei Alexander Puzrinm. Dieser hatte etwas in der Gegend fotografiert, was wie eine Senke auf Grund eines Lawinenabgangs aussah.

Bei einer weiteren Expedition, die Puzrinm organisierte und durch den russischen Bergführer durchführen ließ, wurden die Spuren von zwei spontan abgegangen Schneebrettlawinen gesichtet, die aber nach weniger einer Stunde aber wieder verschwunden waren. Die Lawinen-Theorie wurde also durch weitere Belege erhärtet – die Details lassen sich dem NZZ-Artikel entnehmen. Arstechnica hat in diesem englischsprachigen Beitrag das Thema Anfang April 2022 ebenfalls aufgegriffen und die Lawinentheorie ins Feld geführt. Es spricht also alles mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Unglück nun aufge- und erklärt ist. Aber die aktuellen Ereignisse durch den russischen Einmarsch in die Ukraine und der "Glaube der Russen an staatliche Verschwörungen" dürften dazu führen, dass das Thema wohl nicht als gelöst zu den Akten gelegt wird.


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