Voyager 1: Kartons mit Dokumentation dringend gesucht …

Die seit Jahrzehnten am Rande des Sonnensystems fliegende US-Raumsonde Voyager 1 funktioniert noch immer, gibt den Technikern aber Rätsel auf. Die Empfangsantennen auf der Erde erhalten Daten von der Sonde, die nicht stimmen können. Jetzt hat sich die NASA auf die Suche nach Dokumentation gemacht, die in Garagen oder in Kellern bzw. auf Speichern ehemaliger Mitarbeiter des Projekts lagern könnte.


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Voyager 1 wurde am 5. September 1977 vom Launch Complex 41 auf Cape Canaveral mit einer Titan-IIIE-Centaur-Rakete gestartet. Ihre identisch aufgebaute Schwestersonde Voyager 2, die auch an Neptun und Uranus vorbei flog, war bereits 16 Tage früher auf einer anderen Flugbahn gestartet.

Voyager-Raumsonde
(Voyager-Raumsonde, künstlerische Darstellung NASA/JPL)

Die Mission der Raumsonde Voyager 1 war es, erstmals die äußeren Planeten unseres Sonnensystems, Jupiter und Saturn zu besuchen. Das hat die Sonde auch sehr erfolgreich gemacht und erste Bilder dieser Planeten in guter Auflösung zur Erde gefunkt. Aber Voyager 1 funktioniert weiterhin, fliegt immer weiter, hat unser Sonnensystem verlassen, und ist inzwischen längst im interstellaren Raum zwischen den Sternen angekommen.

Sehr weit weg, Daten seltsam

Mittlerweile ist Voyager 1 das am weitesten von der Sonne entfernte Objekt, was jemals von Menschen gebaut wurde. 2020 waren es 14 Milliarden Kilometer Distanz zur Erde, Funksignale brauchen über 21 Stunden für diese Strecke.

Jetzt hat die Sonde Daten zur Erde übermittelt, die nicht stimmen können und die Techniker vor ein Rätsel stellen. Ich hatte im Beitrag Verflogen? Daten der Raumsonde Voyager 1 geben Rätsel auf über dieses Phänomen berichtet. Nach den gemeldeten Daten müsste die Sonde in einer Position sein, dass die Antenne nicht mehr zur Erde senden kann. Die Bodenstationen empfangen aber weiterhin ein klares Signal, also muss die Lage der Sonde im Weltraum der erwarteten Flugbahn entsprechend ausgerichtet sein. Der Bordcomputers des Bahnregelungssystem ("Attitude Articulation and Control System")  meldet wohl zufällig generierte Daten, wie das JPL der NASA hier schreibt. Jetzt sitzen die Ingenieure an der Diagnose, was da gerade kaputt gegangen sein und diese seltsamen Daten erzeugen könnte.

Die Dokumentation ist weg

Ein großes Problem bei der Fehlerdiagnose ist aber, dass es wohl keine Dokumentation über die Technik der Sonde bzw. der jeweiligen Computer gibt, bzw. dass diese unvollständig zu sein scheint.

Voyager 1


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Die Kollegen von heise haben es die Tage in obigem Tweet und in diesem Artikel aufgegriffen. Bisher haben die Ingenieure keine Ahnung was in der Sonde falsch läuft. Die Diagnose wird aber erschwert, da die Leute, die die Sonde vor 50 Jahren entwickelt und gebaut haben, längst in Rente gegangen und teilweise verstorben sind. Es heißt, viele der ursprünglichen Entwickler hätten, als sie in Rente gegangen seien, ihre Kartons mit Dokumenten einfach mit nach Hause genommen. Die Kartons mit den Unterlagen werden teilweise noch in Garagen vermutet, ein Teil dürfte längst entsorgt worden sein.

Suzanne Dodd von der NASA erklärte gegenüber einem US-Magazin, dass aktuell solche Kartons mit Dokumentation von jenen Personen gesucht werde, die das Bahnregelungssystem entwickelt haben, welche die aktuellen Fehler produziert. Die zu finden ist aber aufwändig – vielleicht melden sich noch Betroffene oder deren Kinder – ich gehe davon aus, dass die Dokumente verloren sind.

Die letzte Aussage schließe ich aus persönlicher Erfahrung. Meine Frau sitzt mir seit Jahrzehnten im Nacken und drängt, "altes Zeugs" in meinem Büro endlich auszumisten und wegzuwerfen. Ich musste diesem ständigen Drängen gelegentlich nachgegeben und könnte mich heute in den Hintern beißen, dass ich Rechnerdokumentation aus den 80er Jahren weggeworfen habe – u.a. ein fotokopiertes Handbuch von Microsoft, das dem ersten IBM-PC/XP, den IBM nach Europa verkaufte, beilag.

Die Unterlagen und Infos, die ich als Student 1976-1979 abseits der Vorlesungsmitschriften erstellt habe (ich interessierte mich damals brennend für die Voyager-Missionen), sind auch längst entsorgt. Selbst Bücher über Raumfahrttechnik, Bahnberechnungen von Flugkörpern im Weltraum etc. sind im Altpapier gelandet, nachdem das  wiederholte "wann mistest Du mal wieder aus und wirfst weg" nicht mehr ignoriert werden konnte.

Das hat in etwa die Qualität wie der Abriss historischer Gebäude in den 60er Jahren, als Leute im Aufräum- und Modernisierungswahn alles platt machten, was in Sichtweise kam. Die Entwicklung der Software und Hardware des Bahnregelungssystems von Voyager 1 fand in den 60er und 70er Jahren statt, also nochmals mindestens ein Jahrzehnt früher – da wird kaum was überlebt haben.

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5 Antworten zu Voyager 1: Kartons mit Dokumentation dringend gesucht …

  1. Info sagt:

    Erster Gedanke "Space Cowboys" (2000, Clint Eastwood, Tommy Lee Jones, Donald Sutherland …)

    Lustig wie die Filmindustrie oftmals die Dinge der Zukunft trifft.

  2. GP2000 sagt:

    Und mir kam irgendwie sofort Star Trek: Der Film (1979) in den Sinn.
    Das Treffen der NCC-1701 auf die "Sonde" V'Ger …
    ( https://memory-alpha.fandom.com/de/wiki/V%27Ger )

    Wer weiß, wer oder was gerade dafür sorgt, dass die Voyager 1 sich momentan so seltsam verhält? ;-)

    • Info sagt:

      Und ahnt da jetzt eventuell Etwas woher, in etwa, Signale kommen… oh, oh… ;-)

    • Gerrit Buesse sagt:

      Haha schön, dass noch jemand direkt an V'Ger gedacht hat.

      Nun, V'Ger landet dann im Delta-Quadranten…dort, wo später dann die Borgs herkommen… gibt dazu sogar eine ziemlich interessante Doku.

      • GP2000 sagt:

        Ja, denke noch sehr gerne daran zurück. Meiner bescheidenen Meinung nach liefert das Star Trek-Universum mit V'Ger eine der konkludentesten und am meisten überraschenden Storylines.
        Ob Borg und V'Ger "verwandt" sind, wird seit jeher diskutiert.
        Ist in der Tat etwas schwierig, V'Ger direkt mit den Borg in Zusammenhang zu bringen. Mal passt es in die Star Trek-Zeitlinie, mal wieder nicht.
        Egal … für mich als Astrophysiker erzählte Roddenberry die wundervollsten Geschichten. Und eines Tages wird er recht behalten …

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