Neue Erkenntnisse über Ausgabungen in der "Einhornhöhle" in Scharzfeld / Harz. Die Neandertaler waren wohl dem modernen Menschen ähnlicher als bisher bekannt. Sie trugen das Fell des Höhlenlöwen und schufen Kunst mit Knochenschnitzereien.
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Es ist eine witzige Begebenheit: Aktuell bin ich für einige Tage zum Wandern im Harz. Unter anderem habe ich mal probiert, was Brocken-Benno so in seinem Leben über 8.000 Mal gemacht hat (siehe Brocken-Benno, der Rekordwanderer vom Harz). Erfahrung, nach 18 km Wanderung zum Brocken und zurück war ich doch ziemlich platt.
Weil es gestern regnete, fiel bei mir kurzfristig der Entschluss, die "Einhornhöhle" in Scharzfeld / Harz zu besuchen. Und dort erfuhr ich, dass Neandertaler in dieser Höhle lebten, und dass man bei Ausgrabungen einen geschnitzten Knochen fand, der als ältestes Kunstwerk der Welt gilt.
Abends, als ich die RND-Seite besuchte, um die Tagesnachrichten zu lesen, sprang mir plötzlich nachfolgendes Bild ins Auge – die Szene hatte ich gut 2 Stunden vorher vor meinem eigenen Auge gesehen.
Das Foto zeigt die sogenannte "Blaue Grotte", wo das Karstgestein eingestürzt ist. Die Stelle ist ein natürlicher Eingang zur "Einhornhöhle", und vor 50.000 Jahren nutzten Neandertaler diesen Teil der Höhle als Wohnplatz.
Neue Erkenntnisse über Neandertaler
Das obige Foto gehört zu diesem Artikel, in dem neueste Forschungsergebnisse angesprochen werden. Laut dieser Veröffentlichung der Forschungsgruppe um Gabriele Russo von der Universität Tübingen und Thomas Terberger von der Universität Göttingen jagten die Neandertaler auch Höhlenlöwen.
Denn in einer Lehmschicht im Boden der Einhornhöhle fanden die Forscher unter anderem zwei Zehenknochen von Höhlenlöwen. Das war zu dieser Zeit das größte Raubtier in diesem Bereich, wurde aber von den Neandertalern gejagt (der moderne Mensch existierte zu dieser Zeit noch nicht in Europa).
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An einem der Zehenknochen fanden sich Schnittmarken, die darauf hindeuten, dass das Tier fachmännisch enthäutet wurde. Das Besondere: Die Enthäutung erfolgte so, dass die Krallen sichtbar am Fell blieben. Die Gruppe geht davon aus, dass das Fell des Höhlenlöwen inklusive Krallen möglicherweise nicht nur gegen Kälte, sondern auch aus kulturellen Gründen und um es nach außen hin zur Schau zu stellen, getragen wurde. Ein weiterer Artikel zum Thema findet sich hier.
Knochenschnitzereien als Kunst
Beim Besuch der Einhornhöhle erfuhr ich auch vom Fund eines Knochens mit Schnittspuren, die als ältestes Kunstwerk der Welt betrachtet werde. Nach einer kurzen Recherche stieß ich auf diese Meldung des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalspflege und diesen FAZ-Artikel.
Neandertaler als Künstler
Seit der Entdeckung erster Fossilreste im 19. Jahrhundert hat der Neandertaler das Image eines primitiven Vormenschen. Dass er in der Lage war, effektiv Werkzeuge und Waffen herzustellen, ist lange nachgewiesen, aber konnte er auch Verzierungen, Schmuck oder gar Kunst anfertigen?
Ein Forschungsteam unter Leitung des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege (NLD) und der Universität Göttingen hat einen Neufund aus der Einhornhöhle im Harz analysiert und kommt zu dem Ergebnis: Der Neandertaler, unser genetisch nächster Verwandter, hatte bereits erstaunliche kognitive Fähigkeiten. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution erschienen.
Die Forscherinnen und Forscher haben in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Unicornu fossile e. V. seit 2019 neue Ausgrabungen an der Einhornhöhle im Harz durchgeführt. Erstmals gelang es so, im verstürzten Eingangsbereich der Höhle (siehe obiges Foto) gut erhaltene Kulturschichten aus der Zeit des Neandertalers zu erschließen.
Unter den erhaltenen Jagdbeuteresten hat sich ein unscheinbarer Fußknochen als Sensation herausgestellt: Nach der Entfernung des anhaftenden Erdreichs zeigte der Knochen ein winkelartiges Muster aus sechs Kerben. »Wir erkannten rasch, dass es sich nicht um Schlachtspuren, sondern eindeutig um eine Verzierung handeln muss«, sagt Grabungsleiter Dr. Dirk Leder vom NLD. Die eingearbeiteten Kerben konnten dann in der Abteilung Holzbiologie und Holzprodukte der Universität Göttingen mit 3D-Mikroskopie analysiert werden.
Um einen Vergleich anzustellen, führte das Team Experimente mit Fußknochen heutiger Rinder durch. Sie zeigen, dass der Knochen wohl zunächst gekocht werden musste, um das Muster anschließend mit Steingeräten in etwa 1,5 Stunden in die aufgeweichte Knochenoberfläche zu schnitzen.
Der nun entdeckte kleine Fußknochen wurde einem Riesenhirsch (Megaloceros giganteus) zugeordnet. »Es dürfte kein Zufall sein, dass der Neandertaler den Knochen eines eindrucksvollen Tieres mit riesigen Geweihschaufeln für seine Schnitzerei ausgewählt hat«, sagt Prof. Dr. Antje Schwalb von der Technischen Universität Braunschweig, die an dem Projekt beteiligt ist.
Das Leibniz Labor der Universität Kiel konnte für den verzierten Knochen mit der Radiokarbonmethode ein Alter von über 51.000 Jahren ermitteln. Damit ist es erstmals gelungen, ein vom Neandertaler verziertes Objekt mit dieser Methode verlässlich zu datieren. Bislang waren einige Schmuckobjekte aus der Zeit der letzten Neandertaler in Frankreich bekannt. Diese etwa 40.000 Jahre alten Funde werden jedoch von vielen Forschenden als Nachahmungen angesehen, denn zu dieser Zeit hatte sich bereits der moderne Mensch in Teilen Europas ausgebreitet.
Aus etwa zeitgleichen Höhlenfundstellen des modernen Menschen auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg sind Schmuckobjekte und kleine Elfenbeinskulpturen überliefert.
Ein Artikel der TU Braunschweig und dieser Wikipedia-Artikel enthalten weitere Details zu diesem Fund. Dort sind auch Fotos des Hirschknochens mit den Kerben zu sehen.
Die Einhornhöhle
Die Einhornhöhle liegt bei Scharzfeld im Harz und ist eine eine Karsthöhle im Zechstein–Dolomit. Die Höhle ist die größte Besucherhöhle im Westteil des Harzes. Die Höhle ist als Naturdenkmal ausgewiesen und wurde 2006 als ein Bestandteil der Zechstein-Karstlandschaft am Südharz in die Liste der 77 bedeutenden Nationalen Geotope aufgenommen.
Die Höhle hat eine Länge von fast 700 Metern, von denen etwa 300 Meter bei Führungen gezeigt werden. Laut neueren Untersuchungen durch Georadarmessungen und Bohrungen ist die Höhle weitaus länger als die bisher bekannten Teile.
Die Wikipedia hält noch eine ganze Reihe an Informationen über die Einhornhöhle bereit. So ist die Höhle seit Jahrhunderten bekannt – 1541 wurde die Höhle zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Namensgebend für die Höhle waren die Funde von Knochen und Zähnen, die dem sagenhaften Fabelwesen des Einhorns zugeordnet wurden.
1583 berichtete ein Chronist, dass in der Höhle nach Einhornknochen gegraben wurde, die als Heilmittel galten und enorm hohe Preise erzielten. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem Knochenmaterial um Überreste großer Säugetiere.
Gottfried Wilhelm Leibniz besuchte die Höhle im Jahre 1686. Er schrieb in seinem Bericht auch über den Handel mit Einhorn-Artefakten. Später beschäftigte sich Leibniz mit dem von Otto von Guericke beschriebenen Fund von "Einhornknochen" und entwarf in seiner Schrift Protagaea eine Fantasie-Rekonstruktion des angeblichen Einhorns. Diese Darstellung wird heute als Werbesymbol der Schauhöhle genutzt.
An den Wänden sah ich beim Besuch der Höhle schwarze Beschriftungen, von denen ich annahm, dass diese von Besuchern der letzten Jahre stammten. Aber es stellte sich heraus, das diese vor Jahrhunderten von Besuchern vorgenommen wurden. Es gab dort Jahreszahlen bis 1808, und einige berühmte Zeitgenossen dieser Zeit (neben Leibnitz war auch Goethe da) haben die Höhle besucht. Alles in allem war es ein spannender Tage bzw. Höhlenbesuch – und bei der Recherche für den Beitrag hier habe ich noch einige Details mehr lesen können.
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@ Erfahrung, nach 18 km Wanderung zum Brocken und zurück war ich doch ziemlich platt.
Reschbeggt! Weiter so. ;-)