Es geht ja schon einige Tage durch die Presse – nachdem Matthias Bauer sich über schlechte (Daten-)Verbindungen im O2 Mobilfunknetz geärgert hat, aber von der Hotline als "Einzelfall" abgespeist wurde, sammelte er unter wir-sind-einzelfall.de weitere Hinweise betroffener O2-Kunden.
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Auf die Initiative wurde ich vor einigen Wochen bei Google+ aufmerksam. Nachdem das Thema bei Medien wie Welt, FAZ, Spiegel und heise in den Online-Auftritten adressiert wurde, kamen mittlerweile knapp 8.000 Eintragungen zusammen. Matthias hat hier eine Auswertung gepostet. O2 hat auf Grund der Öffentlichkeit das Problem eingestanden und versprochen, seine Netz-Infrastruktur auszubauen. Könnte man also alles abhaken?
Ist das nicht ein generelles Problem?
Das Thema mobile Datenverbindung ist seit ca. 2 Jahren bei mir auf dem Radar ist, und ich habe unter wir-sind-einzelfall.de einige Infos eingespeist. Auch wenn ich keine SIM-Karten aller deutschen Mobilfunkanbieter habe, fällt mir seit ca. 2 Jahren doch deutlich die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. Eigentlich erwarten wir eine mobile Datenverbindung, mit der "always on, always online"-Features nutzbar sind. Theoretisch ja auch kein Problem – und in der Presse wurde UMTS bereits als DSL-Ersatz gefeiert (na ja, momentan wird die gleiche Sau mit LTE durch's Dorf getrieben). Aber in der Praxis hakt es nicht nur bei O2, sondern nach meinem Eindruck bei allen Providern.
Hier hatte ich vor kurzem einen Beitrag zum Thema Mobilfunkanbindung für Daten gebloggt. Ich hatte den Beitrag zwar ursprünglich geplant, weil mir wieder die horrenden Kosten für (nicht funktionierende) Datenverbindungen im Ausland aufgestoßen waren. Dann wurde der Beitrag aber durch eine Dell-Pressemitteilung getriggert, in der eine fehlende und unkomplizierte Möglichkeit zum WLAN-Zugang in Deutschland beklagt wurde. Im Rahmen des Beitrags hatte ich auch die Erfahrungen der letzten 2 Jahre bei mobilem Datenzugang per UMTS zusammengefasst. Ergebnis: In Großstädten und im näheren Umland klappt das halbwegs (manchmal zäh). Aber auf dem platten Land ist's Pustekuchen mit mobilen Datenverbindungen. Egal ob plattes Land am Bodensee, an der Ostseeküste, an der polnisch/tschechischen Grenze oder in der Eifel spielt: GPRS, ggf. mit Edge ist das Maximum der Gefühle – und oft ist damit noch nicht einmal ein Datentransfer (Mailabruf etc.) sauber möglich. Ich habe nicht nur mit O2- sondern auch mit D2-SIM-Karten getestet. [Update: Hier hat heise.de einen Beitrag über die T-Com, die mit "O2 can't do" wirbt. Die Leserkommentare sind ganz aufschlussreich – auch andere Netzbetreiber haben wohl Probleme bei mobilen Datenverbindungen.]
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Ein Opfer des Erfolgs?
Physik lässt sich nicht wegschieben: Wenn in einer Funkzelle N Teilnehmer Datenverbindungen nutzen, müssen sie sich die Bandbreite des verwendeten Kanals teilen. Also rutscht die Nettodatenrate schon mal schnell in den Keller. Und die Nettodatenübertragungsrate wird auch von der Qualität des am Empfänger eintreffenden Funksignals bestimmt. Abschattungen durch Hügel oder Gebäude, Interferenzen etc. drücken diese Rate ggf. noch weiter.
Und nun kommt noch der Erfolg der neuen Smartphones hinzu. Als es nur simple Handys gab, konnte man noch halbwegs mit einem UMTS-Stick am Netbook surfen. Doch heutige Smartphones sind always on, um Statusnachrichten von Facebook, Mails oder was weiß ich zu checken, den per GPS ermittelten Standort zu übertragen und so weiter. Laut diesem Artikel hat die mobile Nutzung sozialer Medien im letzten Jahr um 44% in der EU5 (F, D, GB, I, SP) zugenommen. Kommen die Besitzer dieser Gadgets dann noch auf die Idee, Videos oder Musik abzurufen sowie Fotos in Social Networks hochzuladen, wird es eng.
Für die Mobilfunkanbieter ist es natürlich ein prächtiges Geschäft. Schau ich hier, steigert O2 Umsatz und Gewinn zwischen Juli und September um 9.1 % – u. a. wegen der wachsenden Beliebtheit von Smartphones. Aber auch die anderen Mobilfunkanbieter stehen ähnlich da, wie Meldungen a la Mobiles Internet beschert Vodafone Umsatzrekord oder Freenet erhöht Gewinn. Also, je mehr Erfolg die Mobilfunkanbieter mit den allgegenwärtigen Smartphones haben, umso kritischer wird nach meiner Einschätzung die Nutzung mobiler Datenverbindungen. Da dürfte auch der Ausbau einiger Mobilfunk-Stationen nicht wirklich was ändern. Wir werden quasi Opfer des eigenen Erfolgs beim Konsumieren und Verbreiten von Medieninhalten.
Kleines Kontrastprogramm: In Entwicklungsländern hat man den Luxus satter Mobilfunkverbindungen nicht unbedingt. Trotzdem erleben Handys zur Kommunikation und zum M-Payment dort eine Blüte. Visa möchte z. B. am Geschäft mit M-Payment teilhaben. Da ist es scheinbar gelungen, die begrenzte Bandbreite sinnvoll zu nutzen.
Und die Lobby-Truppen sind auch in Stellung gebracht
Wer jetzt in D-Land von der neuen mobilen Zukunft und schnellen Internetverbindungen allerorten träumt, dürfte auch in 2012 unsanft mit den Realitäten konfrontiert werden. Wie heise.de hier berichtete, haben auch die Bundesratsausschüsse darauf verzichtet, bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes die Anbieter zu verpflichten, einen schnellen Internetzugang zu ermöglichen. Hat zwar nicht direkt was mit Mobilfunk zu tun – aber schneller Internetzugang dürfte in vielen ländlichen Räumen nur mit Techniken wie LTE machbar sein. Aber da wird man, dank Lobby-Arbeit (auch bei den Freidemokraten), erneut in die Röhre schauen …
Gute Nacht …
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