In Teil 1, Teil 2 und Teil 3 der Artikelfolge zum Thema Datenrettung von Medien ist ein Ansatz zur Datenrettung von einer ausfallenden Festplatte beschrieben. In Teil 3 sah es so aus, als ob ich mit meinem Versuch, Dateien mit der professionellen Datenrettungssoftware Ontrack EasyRecovery von der Festplatte zu retten, gescheitert war. In Teil 4 beschreibe ich jetzt, wie es mir doch noch gelungen ist, viele Dateien zu retten und ziehe ein Fazit.
Anzeige
Nach meiner Pleite mit der Suche nach gelöschten Dateien und dem Versuch der Restaurierung eines formatierten Datenträgers war guter Rat angesagt. Mir persönlich hätte es nicht wirklich weh getan, weil ich die wichtigen Dateien vorher gerettet hatte. Aber aus dem Blickwinkel eines Anwenders, dem das Malheur passiert ist und der händeringend nach seinen Dateien sucht, war das ein "Satz mit X – wahr wohl nix". Also sollte Plan B her.
Ich lasse auf der kaputten Festplatte nach verlorenen Dateien suchen
Ich habe dann die kaputte Festplatte erneut in den Rechner eingeschoben, diese erkennen lassen und dann EasyRecovery auf die Partitionen losgelassen. In Schritt 2 habe ich dann das logische Laufwerk Data0 der Festplatte ausgewählt (statt der Imagedatei). In Schritt 3 wurden mir die nachfolgenden Optionen angeboten.
Und da habe ich einfach mal Volumen durchsuchen angewählt und abgewartet. Es kam wieder ein Dialogfeld, welches mir in einer Fortschrittsanzeige eine Statusmeldung zeigte.
Anzeige
Positiv – es wurde mir eine kurze Laufzeit für die Suche angezeigt. Und überraschenderweise war EasyRecovery nach kurzer Zeit fertig, zeigte mir aber nur eine lange Liste verlorener Cluster in found.xxx-Ordnern an. Ich war bereits skeptisch, was das Ergebnis betraf, bin dann aber die Ordnerstruktur durchgegangen. In den Papierkorb-Ordnern fand sich nichts. Aber es gab einige andere Ordner, wo ich auf die Schnelle ein paar Bilder fand.
Hier nochmals zum Vergleich ein Screenshot von Schritt 5 beim Versuch aus Teil 3, gelöschte Dateien oder eine formatierte Festplatte zu retten.
Die Bilddateien in obigem Foto sahen in der Vorschau der Miniaturbilder intakt aus. Aber die stammten aus irgendwelchen Software-Paketen. So richtig Erfolg hatte ich da ja nicht (wie ich in Teil 3 erklärt habe).
Ich hatte nun aber die Suche nach Dateien einfach über das logische Laufwerk durchlaufen lassen und bin die Ordner schrittweise durchgegangen (hier in Schritt 4 des Assistenten zu sehen). Und plötzlich platzte der Knoten. Hier ist ein Screenshot eines Ordners found.xxx mit seinem Inhalt:
Unterhalb des Ordners Found.xxx (1) wurden mir die Ordnernamen der ursprünglichen Ordner angezeigt. Und bei Anwahl der Einträge erschienen die Dateien dieses Ordners. Die Fotodateien hatte ich zwar vorher schon retten können. Aber sie dienten mir nun als Referenz zum Testen. Über den Kontextmenübefehl Speichern als konnte ich einzelne Dateien auf eine andere Festplatte mit einem logischen Laufwerk speichern. Die Kontrolle zeigte, dass die Dateien intakt waren.
Also bin ich dazu übergegangen, in der linken Spalte ganze Ordner zu markieren und dann per Kontextmenü den Inhalt auf die zweite Festplatte zu kopieren. Das lief hervorragend und ohne weitere Fehler. Ich habe nicht alles kontrolliert, aber was ich angefasst habe, war von den Dateien intakt. Auf diese Weise habe ich nicht nur ein paar ISO-Dateien mit Windows- und Linux-Abbildern von der kaputten Platte retten können. Auch ein paar Ordner mit Steuerdaten, ein (nunmehr nutzloses, weil neu beantragtes) Elster-Zertifikat waren dabei. Selbst das als RAW angezeigte Windows 7-Laufwerk ließ sich plötzlich in EasyRecovery einlesen und ich konnte aus den Profilordnern noch einige Dateien rausziehen, die ganz hilfreich waren (meist Links zu Webseiten, die ich bei Recherchen gefunden habe). Das Einzigste, was wirklich verloren war, war ein Android-Ordner mit Images, dem Android SDK und einigen anderen Dateien. Ist aber kein Beinbruch, das Android SDK habe ich mir frisch geladen und die Android-Abbilder oder WeTab-Treiber kann ich mir ebenfalls aus dem Netz besorgen.
Technische Reflektion meines (stümperhaften) Datenrettungsansatzes
Wer sich häufiger mit Datenrettung beschäftigt, wird den Kopf über meine Vorgehensweise schütteln. Einmal muss ich natürlich ausführen, dass ich nicht täglich mit einem Datencrash konfrontiert werde – im Gegenteil, es ist die zweite sterbende Festplatte in meiner IT-Laufbahn (34 Jahre) und ich hatte eigentlich immer Gelegenheit, die Daten durch Kopieren zu retten.
Zum Zweiten ist es natürlich so, dass zumindest ich beim Auftretenden des ersten BlueScreens a priori nicht wusste "aha, da ist die Festplatte kaputt". Durch die mehrfachen Neustarts kam es natürlich auch dazu, dass Windows die Datenträger reparieren wollte – was ich natürlich zugelassen habe (hätte ja nur ein beschädigtes NTFS-Dateisystem sein können). Daher die vielen found.xxx-Ordner in der obigen Datenstruktur. Die Reparatur des NTFS-Dateisystems durch chkdsk war hier natürlich kontraproduktiv, da Dateien zerstört wurden, die man möglicherweise mit EasyRecovery hätte retten können.
Zudem habe ich noch den Fehler gemacht, dass ich, nachdem ich die wirklich wichtigen Dateien erfolgreich kopiert hatte, bei weniger wichtigen Dateien die Option "Verschieben" gewählt habe. Der Grund war, dass ich beim Kopieren häufig Fehler, Abbrüche und elendiglich lange Kopiervorgänge hatte. Da ging schnell der Überblick verloren, was erfolgreich kopiert war und wo es Abbrüche gab. Meine Schnapsidee war: Verschiebe die Ordner – wenn was auf der kaputten Festplatte weg ist, hast Du es auf die zweite Platte verschoben. Das war natürlich doppelt kontraproduktiv – wie mir schnell klar wurde – da dadurch Directory-Einträge verändert werden mussten, wodurch plötzlich weitere Ordner verschwanden. Das ist vermutlich auch die Ursache für den nicht mehr auffindbaren Android-Ordner, da die mehrfache Datenträgerprüfung den NTFS-Strukturen den Rest gab.
Nun ja, hinterher ist man immer schlauer. Zum Zeitpunkt, als die Entscheidungen zu treffen waren, hatte ich EasyRecovery noch nicht eingerichtet, sondern wollte möglichst schnell ein arbeitsfähiges System und die wichtigsten Dateien gerettet haben. Das hat ja auch geklappt – und mit der Nachbereitung habe ich mit EasyRecovery natürlich auch die weiteren Dateien fast vollständig retten können.
Wo ich mich auch ungeschickt angestellt habe, war die Auswahl des richtigen Reparaturmodus. Aber das Szenario "Ausfall der Festplatte mit defekten Sektoren" kam so nicht vor. Zudem war die Software für mich zu diesem Zeitpunkt #Neuland. Gelöschte Dateien, Formatierte Festplatte und dann nach Dateien suchen schien mir da am erfolgversprechendsten. Erst später kam ich zur Erkenntnis, dass ich gleich mit Dateien suchen hätte loslegen können (ich hatte ja nichts gelöscht oder formatiert).
Witzigerweise habe ich beim Schreiben meines Blog-Beitrags nochmals die Imagedatei geladen und nach Dateien suchen lassen. Nach wenigen Sekunden hatte ich meine verlorenen Ordner samt Inhalt in der Anzeige und konnte die Dateien speichern. Erkenntnis: Es kommt also darauf an, dass richtige Reparaturszenario in EasyRecovery zu wählen, um vernünftige Ergebnisse zu bekommen.
Einen "Unfall" gab es noch, der aber möglicherweise nur Koinzidenz war. Beim Schreiben des Blog-Beitrags habe ich den Rechner mit angeschlossener, kaputter Festplatte in den Ruhemodus geschickt. Dauerte schon recht lange. Beim Aufwecken musste ich feststellen, dass die Tastatur abgestürzt war. Glücklicherweise ging die Maus noch. Also habe ich mich per Bildschirmtastatur am Benutzerkonto angemeldet. Alles gespeichert und Windows regulär heruntergefahren. Danach funktionierte die Tastatur beim nächsten Windows-Start wieder.
Und EasyRecovery ließ sich teilweise nicht mehr beenden. Das dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass Zugriffe auf die Festplatte teilweise irre lange dauerten.
Mein Fazit samt abschließender Bewertung
Erste Erkenntnis: Ich bin hin und weg, was die Entwickler von EasyRecovery da programmiert haben und was das Teil auf der Festplatte aus den logischen NTFS-Datenstrukturen noch rausholen konnte. Am Ende des Tages hätte ich gut 99% der Dateien intakt kopieren können. Damit war dieser Ansatz meines Tests bereits bestanden.
Zweite Erkenntnis: Mit wesentlich planvollerem Handeln und mehr Wissen hätte ich einige Schlenker und auch einige verlorene Dateien vermeiden können. Aber das nützt im Nachhinein wenig, da man immer in die Situation und dann ins kalte Wasser geworfen wird. Man muss dann aus den Gegebenheiten das Beste machen. Wenn man keine Festplatte zum Clonen frei hat, nützt einem das Wissen auch nichts – es scheitert dann an den Gegebenheiten.
Dritte Erkenntnis: Es ist sehr hilfreich, wenn man ein gewisses Grund- und Vorwissen hat und die einzelnen Schritte auch theoretisch von den Auswirkungen vordenken kann. Hier im Blog-Beitrag habe ich einfach mal beschrieben, wie ich vorgegangen bin und welche Schlenker es gab. Mit dem heutigen Wissen hätte ich einiges anders gemacht.
Vierte Erkenntnis: Für mich hat sich der Einsatz und der Aufwand zum Testen von Ontrack EasyRecovery auf jeden Fall gelohnt. Ich konnte einige Dateien retten, die nicht lebenswichtig aber "nice to have" waren – und habe, vor allem, viel gelernt. Und am Ende des Tages sind vier Blog-Beiträge drüber rausgesprungen.
Mein Fazit: Ontrack EasyRecovery scheint mir sein Geld für die Jahreslizenz auf jeden Fall wert zu sein. Ein Privatanwender, der sich ein paar Dateien und Fotos gelöscht hat, muss dann halt entscheiden, ob ihm dies die 89 Euro Jahreslizenz wert ist. Durch die Möglichkeit, die kostenlose Testversion zu installieren, braucht aber niemand die Katze im Sack zu kaufen. Ein Profianwender, dem ein solches Malheur passiert, dürfte mit der Ontrack EasyRecovery Professional bestens bedient sein.
Wenn allerdings eine Havarie mit extrem wichtigen oder wertvollen Daten vorliegt, empfehle ich auf Selbsthilfe zu verzichten und sich gleich ein Angebot zur Datenrettung von Kroll Ontrack einzuholen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Ich verdiene an dieser Empfehlung keinen Cent – aber mein Test zeigt, dass man aus Unkenntnis schnell was versemmeln kann, was sich später nicht mehr korrigieren lässt. Wenn ich meine Zeit, die ich in die Systemrestaurierung, den Test (der beim betroffenen Anbieter natürlich 'ich restauriere meine Dateien' lautet) samt erstellen der Blog-Beiträge rechne, kommt ein hübsches Sümmchen an Arbeitskosten zusammen. Diese Arbeitszeit auf den Stundensatz eines Firmenmitarbeiters in der IT umgerechnet, dürfte dann schnell in der Größenordnung dessen liegen, was Kroll Ontrack für eine professionelle Datenrettung veranschlagt.
Damit möchte ich die Artikelreihe erst einmal beschließen. Eigentlich hatte ich ja nur einen kurzen Artikel zu Ontrack EasyRecovery geplant – dass es nun vier Artikel werden würden, habe ich nicht geahnt – und auch nicht, dass ich quasi "am offenen Herzen" experimentieren könnte. Mir hat es aber Spass gemacht – und ich hoffe, der eine oder andere Blog-Leser kann noch einen Nutzwert aus der Artikelreihe ziehen. Wenn ich mal ganz viel Zeit und Langeweile habe, nehme ich mir Ontrack EasyRecovery nochmals vor und lasse das auf optische Medien, Speicherkarten und Mobilgeräte los. Eine nur teillesbare CD findet sich bestimmt in meinem Archiv und Mobilgeräte habe ich ja einige. Also: Bleibt dran, könnte irgendwann noch was an weiteren Artikeln geben, die ich dann nachfolgend verlinke. Und abseits von Kroll Ontrack und EasyRecovery gibt es weitere extrem spannende Themen. Ich habe ein Microsoft Lumia zum Testen hier – soll Miracast können, habe noch einen Pearl HDMI-Stick, der hier mit AirPlay, DLNA und Miracast tobt (wo der Test noch aussteht), habe gerade den Paragon Festplattenmanager 2015 auf den Tisch bekommen, und, und, und …
Artikelreihe
Festplatten-Crash–was tun? – Teil 1
Kroll Ontrack EasyRecovery im Test – Teil 2
Datenrettung mit Kroll Ontrack EasyRecovery – Teil 3
Datenrettung mit Kroll Ontrack EasyRecovery – Teil 4
Ähnliche Artikel
Disk-Doktor – Teil I
USB-Stick wird als RAW angezeigt – Disk-Doktor II
CD-/DVD-Laufwerke/-Medien testen – Disk-Doktor III
USB-Festplatte wird nicht erkannt
Windows 8.1 vergibt keine Laufwerksbuchstaben für USB-Drives
microUSB-Adapter: Das Ende das Kabelsalats
Professionelle Datenrettung, wenn nichts mehr geht
O&O DiskRecovery 9: Sofort-Hilfe bei Datenverlust
Anzeige
Hallo,
mein Fazit sieht anders aus. :-)
Bevor ich XY Teuros für die Datenrettung ausgebe, investiere ich lieber ins Backup, sprich mehrere Festplatten oder DVDs.
Mal eine Überlegung:
Die Datenrettung kostet mehr als 1000 €, wieviele Festplatten sind es für ein Backup?
Mit Hosenträger und Gürtel lebt es sich leichter. Doppelte Sicherung der Daten auf verschiedenen Medien erspart manch Ungemach.
Ein "Topp Artikel", der mal die Datensicherung in das rechte Licht bringt.
Tschau
Lag wohl irgendwie in der Luft – zum Thema Datenrettung gibt es einen Schwerpunkt in c't 24/14.
Link: https://plus.google.com/u/0/+G%C3%BCnterBorn/posts/Z3neL8wzgNF
@Günter Born,
natürlich liegt das Thema Datenrettung zur Zeit an. ;-)
Da kam dein Beitrag zur rechten Zeit.
So aus der Sicht eines betroffenen Users, das finde ich Toll.
Tschau