Wir leben von Soba-Suppe … wie isst man Nudelsuppe mit Stäbchen?

Eine besondere Erfahrung möchte ich noch zum Besten geben. Bei meinem letzten Arbeitsaufenthalt kannte ich mich bereits besser aus und hatte einen deutschen Kollegen dabei. Nach meinen Erfahrungen mit “Hunger am Abend” hatte ich mir auch einen Löffel organisiert, um beim kleinen Hunger am Abend mal ein gekauftes Joghurt essen zu können. Aber der Mann kann sich nicht nur von Joghurt ernähren.


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Ein deutscher Kollege, der vorher ein halbes Jahr in Kawagoe verbrachte hatte, gab mir vor dem Abflug den Tipp “geht da und da hin, da gibt es Soba-Suppe, da wirst Du satt von”. Soba (蕎麦 oder そば) ist der japanische Begriff für braune gekochte Nudeln aus Buchweizen. Soba-Suppe ist eine japanische Spezialität, hergestellt aus Buchweizennudeln und einer speziellen Brühe. Laut diesem Wikipedia-Eintrag sollen die Nudeln getrennt von der Brühe heiß oder kalt in einer separaten Schale gereicht werden. Ich habe es aber nur so kennen gelernt, dass man die Nudeln in einer heißen Brühe serviert bekam. Die Soba-Brühe ist dunkel, recht würzig (hergestellt aus dunkler Sojasoße und weiteren Zusätzen).

Also habe ich mit dem deutschen Kollegen nach der Arbeit die betreffende Soba-Küche aufgesucht, um noch eine Soba-Suppe zu essen und dann zum Hotel zu gehen. Das Lokal fand ich auf Anhieb, wobei Lokal der falsche Ausdruck war. Es erinnerte mich eher an diverse Garküchen in Ostasien: Ein Eingang führte in einen länglichen Raum mit einem Tresen. Dort konnten die Gäste auf einer Art Barhocker platznehmen. Auf der anderen Seite des Tresens war die Küche, wo in großen Kesseln die Soba-Suppe mit den Nudeln in der Brühe brodelten. Vor diesen Kesseln oder Töpfen wuselten zwei Japaner in weißen Gummistiefeln und Schlachterschüzen herum.

Hatte man am Tresen Platz genommen, brauchte man nur auf ein Schild zu deuten, wo der Preis für eine Schale Soba-Suppe aufgemalt war. Eine Suppe kam erinnerungsmäßig recht günstig, damals so um die 3 DM. Mir war wichtig, dass man die Bestellung schnell, und ohne japanische Sprachkenntnisse abwickeln konnte. Und das Zeug schmeckte wirklich gut – Nudeln sind sowieso mein Ding und die Brühe war schön würzig. Danach war man gesättigt und konnte zu Bett.

Nur etwas skurril war das Ganze schon. Nicht nur der Tresen, die Angestellten mit ihren Gummistiefeln und Schlachterschützen. Sondern auch die Tatsache, dass man da eine Schale Suppe mit Nudeln vor sich hin gestellt bekam, es aber keine Suppenlöffel gab. Die Bedienung legte einem nur ein Einweg Holzstäbchen auf den Tresen. Aber Hallo, wie isst man Nudelsuppe mit Stäbchen?

Im Gegensatz zu meinem Joghurt-Abenteuer ist das kein wirkliches Problem. Die Soba-Nudeln kann man sich wie Spaghetti vorstellen, nur aus Buchweizen hergestellt. Und die japanischen Kollegen hatten mir beim Essen schon mal mitgeteilt “it’s allowed to make noise” – habe ich erst nicht verstanden, aber dann fiel der Groschen, als die Essenden rechts und links am Tisch in lautes Schlürfen verfielen.

Damit war alles im Hinblick auf Nudelsuppe mit Stäbchen essen klar. Also man tunkt die Stäbchen in die Brühe, greift sich einen Bissen Nudeln, führt die Schüssel zum Mund und schaufelt, zieht, schiebt, oder wie immer das nennen kann, die Nudeln zu den Lippen. Dann werden diese mit lautem Schlürfen in den Mund gesogen und geschluckt. Durch die Brühe flutscht das mit den Nudeln auch ganz gut. Sind die Nudeln weg, trinkt man die Brühe aus der Schale aus – fertig.

Na ja, ein wenig gewöhnungsbedürftig ist es schon. Ich habe mich immer bemüht, da möglichst nicht zu schlürfen, sondern die Nudeln halbwegs gesittet in den Mund zu führen. Aber es war schon krass: Du sitzt am späten Abend am Tresen, rechts und links von dir laut schlürfende Japaner und vor dir ein Koch, der mit dicken Gummistiefeln in einem riesigen Suppentopf herumfuhrwerkt.

Ob die lauten Rülpser, die so mancher Japaner nach dem Austrinken der Suppe von sich gab, zum Kulturgut gehört, weiß ich nicht. Ich vermute erst einmal nein. Denn der überwiegende Anteil der nächtlichen Besucher der Soba-Küche waren dem Anschein nach Japaner, die von einer ausgiebigen Zechtour mit den Kollegen auf dem Heimweg waren. Oft recht angeschickert, verspürte wohl mancher plötzlich Hunger und kehrte in der Soba-Küche ein.

Und Japaner mit einem Bauch voll Sake oder Asahi-Bier reagieren schon mal etwas anders als normal. Mancher Zeitgenosse wurde furchtbar agressiv und ließ seiner Wut über Chef, Arbeitskollegen oder was auch immer, freien Lauf. Ich habe dann immer ganz schnell das Weite gesucht. Die andere Klientel verspürte im ziemlich angesäuselten Zustand den unbändigen Wunsch, die nicht vorhandenen Englisch-Kenntnisse an einem Gaijin auszuprobieren. War manchmal ganz schön schwierig, die anhänglichen Seelen irgendwann abzuschütteln.

Und man musste immer achtsam bleiben, falls einmal der Magen dieser Zeitgenossen einen Hüpfer tat, so dass Sake, Bier, Soba-Suppe und was sonst noch so am Abend konsumiert worden worden war, auf der Straße oder im Zugabteil verteilt wurde. Da hieß es, vorher schnell zur Seite springen. Diesem Umstand schreibe ich das eine oder andere “Bäucherchen” zu. Aber das ist (oder war) Japan, wie es leibt und lebt. So richtig schlechte Erfahrungen habe ich bei meinen Aufenthalten nicht wirklich machen müssen, wenn manches auch schon mal etwas lästig war. Und bei meinen japanischen Kollegen, durch die Bank Akademiker, habe ich diese Essenssitten auch niemals feststellen können.



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