"Senioren und Internet, geht das zusammen?", diese Frage hatte ich mal in meinem Buchtitel gestellt und anschließend mit Ja beantwortet. Nun bin ich auf einen interessanten Artikel gestoßen, der die Frage "Senioren, als Chance für das Netz" thematisiert. Tenor: Die Senioren holen in Deutschland bei der Internetnutzung auf, haben aber ein anderes Verhalten im Netz als Jüngere. Ist natürlich mit einer Studie untermauert worden. Und von Seiten der Politik gibt es auch interessante Thesen, die nicht unwidersprochen bleiben sollen.
Anzeige
Die Frage wurde von der DW Akademie im Artikel Senioren als Chance für das Netz aufgegriffen. Tenor: Das Wachstum der Internetnutzung flachte in letzter Zeit ab, aber die Gruppe der Senioren strömt ins Internet. Noch eine interessante Zahl: Senioren verbringen durchschnittlich 51 Minuten ihrer Zeit im Internet (Quelle ist eine Bitkom Meinungsumfrage). Allerdings ist die Nutzung wohl anders als bei Jüngeren. 81% der Senioren gaben in der Meinungsumfrage an, beim Surfen das Wissen erweitert zu haben. 91 % der Senioren nutzen auch E-Mails und mehr als 50 % shoppt online im Internet.
Für mich auch wenig überraschend: Nur ganz wenige (15 %) verbringen ihre "Internet-"Zeit in sozialen Netzwerken wie Facebook oder sind auf Twitter aktiv. Und hier sehen die Protagonisten der Studie eine weitere Chance (neben dem Umstand, dass das Wachstum der Internetnutzer durch Offliner im Seniorenalter angekurbelt werden könnte): Die Senioren nehmen die Inhalte im Internet selektiver auf und gehen das Ganze entschleunigt an. Also nicht noch schnell 99 Mails checken, dann noch 33 Statusmeldungen bei Facebook prüfen und liken und abschließend 200 WhatsApp-Benachrichtungen versenden, sondern alles langsam und der Reihe nach.
Internet soll das Leben der Senioren erleichtern …
Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Johanna Wanka, will, dass die Gruppe der Senioren von den Informationsangeboten im Internet profitieren kann. Sie möchte ältere Menschen besser an die Möglichkeiten des Netzes heranführen. Laut Studie kennen 40 % der Senioren das Internet nicht bzw. kennen sich damit nicht wirklich aus. Laut Ministerin Wanka sollen nun kommunale Beratungsstellen Aufklärung über die Möglichkeiten des Internet bieten. Zudem ist eine nationale Referenzdatenbank mit dem Titel "Wegweiser Alter und Technik" geplant. In zehn Bundesländern gibt es wohl auch Pilotprojekte mit Senioren-Technik-Botschaftern – dabei werden die Senioren von anderen Senioren an Geräte und Inhalte herangeführt.
Im DW-Artikel werden noch ein paar Kernbotschaften von Ministerin Wanka verbreitet – so wird zum Beispiel die Entwicklung spezieller Endgeräte gefordert, damit Menschen im hohen Alter auch noch nutzen können. Da wird Wein von gestern in Schläuche von vorgestern umgefüllt. Niemand aus der Zielgruppe der Senioren will ein "Opa-Tablet", ein "Oma-Notebook" oder ein "Senioren-Handy" – das hat es alles schon gegeben.
Im DW-Artikel ist dabei bezeichnend von "den Alten" die Rede – ich bin aber der Meinung, dass die Zielgruppe der Senioren bereits wesentlich weiter ist. Mein Buchtitel "Internet – Leichter Einstieg für Senioren" ist 2001 erstmals erschienen und seit dieser Zeit jedes Jahr neu aufgelegt worden. Seit dieser Zeit beobachte ich, dass ehrenamtliche und von Senioren getragene Initiativen längst die Schulung anderer Senioren in die Hände genommen haben. Da braucht es keine kommunalen Pilotprojekte, um Netzkompetenz zu verbreiten. In meiner Heimatgemeinde hat sich das eher als Hemmnis, denn als Segen herausgestellt. So hat der Stadtkämmerer doch einfach die Einnahmen der Gruppe, die für PC-Neubeschaffung fest eingeplant waren, vom städtischen Treuhandkonto in den allgemeinen Haushalt umgeleitet. Seit dieser Zeit firmiert die Initiative zur Computerschulung für Senioren als eingetragener, und gemeinnütziger Verein, logiert nicht mehr in städtischen Gebäuden und lebt in seiner Unabhängigkeit besser als je zuvor.
Und auch die Entwicklung spezieller Geräte für Senioren halte ich für eine Schnapsidee. Das fährt gegen die Wand. Viel wichtiger ist es, vorhandene Geräte auf die Eignung zur Verwendung durch die Zielgruppe der über 60 jährigen abzuklopfen. Ich habe beispielsweise vor 2 Jahren schon behauptet, dass die Phablets, also Smartphones mit einer Größe von über 5 Zoll einen großen Siegeszug antreten werden – weil die Zielgruppe der über 50 jährigen endlich Geräte bekommt, die bedien- und ablesbar sind. Damals wurde ich belächelt "wer will denn so ein klobiges Opa-Handy haben?". Heute sind Phablets ein Erfolgsmodell – statt sich auf briefmarkengroßen Smartphone-Displays abzuquälen oder große, klobige Tablet PCs mitzuschleppen, greifen viele Nutzer zu Phablets. Also Smartphone und Tablet PC in einem Gerät. Ich selbst erwische mich eigentlich seit Jahren, dass ich eher ein Phablet (Smartphones mit 4-Zoll-Displays besitze ich keine) als ein Tablet PC zum Surfen, Abrufen meiner Mails oder zum Musik hören verwende.
Und wie sehen Sie das Ganze? Brauchen wir Senioren kommunale Pilotprojekte, um das Internet "zu lernen"? Oder sind wir nicht längst in diesem Netz recht souverän unterwegs? Ist ein Konto bei Facebook mit 1.000 Freunden ein Ausweis der Internetkompetenz, oder doch eher ein Hinweis auf unkritisches Sammeln von Kontakten? Und: Brauchen wir "spezielle Geräte für Ältere"?
Anzeige