Wenn Du alt bist, geht der Blick schon mal zurück, wie war das damals, als … – manchmal geht es auch um Erfahrungen mit den eigenen Kindern. Hier habe ich nette Erinnerungen aus 31 Jahren freiberuflicher Tätigkeit bzw. spezielle Erfahrungen mit dem eigenen Sprössling: Unter anderem haben wir zusammen Bücher geschrieben.
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Wenn der Vater mit dem Sohne
Es waren extrem spannende Zeiten als Autor diverser Computerbücher. Und mein Sohn war an manchen Stellen einbezogen. Die erste Berührung gab es, als ich in den 90er Jahren auch ein Computerbuch für Kinder ab 8 Jahre konzipiert habe. Der Sohn war gerade in diesem Alter, und so saß er mit seinem Schulfreund schon mal mit dem Manuskript am Computer und die beiden durften versuchen, den Inhalt meines Manuskripts nachzuvollziehen.
Ich habe Mäuschen gespielt und konnte so sehr schnell sehen, an welchen Stellen es bei Kindern am Verständnis haperte. Dann ließ sich das korrigieren, so dass finale Buch beim Erscheinen "Kids-geprüft" war. Eine Erfahrung, die nicht jeder Vater machen darf.
Aber es geht noch weiter. So ab dem Alter von 14 Jahren wollte ich den Sohn an die Realitäten des Lebens heranführen. Daher durfte er gegen größeres Taschengeld meine damalige Webseite pflegen (ich wollte ihn etwas in die Welt der Technik schnuppern lassen und mitgeben, dass man für Geld arbeiten muss).
Startete aber mit einem echten Frustpack für den Vatter. So 1996 hatte ich mir mühsam über 6 Wochen die notwendigen Basics in HTML 1.x bzw. 2.0 erarbeitet und ein erstes Büchlein darüber verfasst, wie sich damit Webseiten erstellen ließen (war erinnerungsmäßig überhaupt erst das 2. Buch in deutscher Sprache dazu).
Also setzte ich mich eine Zeit später mit Junior zusammen, legte dieses Büchlein auf seinen Schreibtisch und begann ihm zu erklären, wie er mit einem einfachen Programm Webseiten in HTML erstellen und dann auf den CompuServe-Webspace für meine Homepage hochladen konnte.
Idee war so "naja, in 2 Stunden hat er die erste Lektion, musst ihm vielleicht noch eine Woche üben lassen und unter die Arme greifen" – wie man halt so als alter Vater seinen Vorstellungen nachhängt. Nach knapp 30 Minuten meinte er "ist gut, ich habe es kapiert, Du kannst jetzt gehen". Bin damals ziemlich konsterniert aus einem Kinderzimmer abgezogen. "Du hast da 6 Wochen gebraucht, bis Du alles verstanden hattest, und dein Sohn rafft das in einer halben Stunde. Ich glaube, Du wirst alt …". Yo, und Sohn hatte es wirklich gerafft, bei HTML brauchte ich ihm kaum noch zu unterstützen, falls etwas unklar war, hat er nachgefragt.
Wir schreiben "ein Buch"
Und dann gab es dann irgendwann noch die berühmten Buchprojekte. Der Sohn war im letzten Studiensemester, und ich kam ich auf die Idee, ein Entwicklerbuch zu Visual Basic zu verfassen und den Sohn als Co-Autor mit einzubeziehen. Idee war, dass er eine Arbeitsprobe für seine zukünftige Tätigkeit vorweisen könne.
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Das Projekt ging aber so aus, dass er nur an einem Kapitel mitgearbeitet hat, weil er plötzlich seine Diplomarbeit bekam und die Zeit zur Mitarbeit fehlte. Nach Abschluss des Elektrotechnik-Studiums war mein Sohn auf Stellensuche. Zu Beginn dieser Phase schneite er stündlich in mein Büro und fragte, ob ich nicht was an Büchern zu dieser oder jener Software habe. Er wollte sich in diese Themen einarbeiten.
Und plötzlich kam mir die Idee, das Material aus dem inzwischen erschienenen Visual Basic Entwicklerbuchs für eine andere Programmiersprache, Visual C#, umzusetzen und ein weiteres Buch dazu zu schreiben. Wir beiden hatten zwar keine Ahnung von Visual C#, aber ein kurzer Anruf beim Verlag und das Projekt war im Prinzip geritzt.
Und so kam es, dass wir gemeinsam ein zweites Buch geschrieben haben. Wobei: Der Text war ja in großen Teilen bereits vom ersten Titel vorhanden – aber die Beispiele mussten halt umgesetzt werden. Ich hatte meinem Filius die Aufgabe zugedacht, genau diese Umsetzung für die neue Programmiersprache durchzuführen.
Dazu hatte ich ihm an seinem Computer eine entsprechende Umgebung eingerichtet und die Beispiele bereitgestellt. Von mir gab es die Order "schau mal, was geht". Als ich eine halbe Stunde später nachsah, saß jemand ziemlich konsterniert am Rechner und meinte "das ist aber schon eine riesige Arbeit, ich glaube, das schaffe ich nicht …".
Als ich grinste, war er etwas konsterniert, aber ich zeigte ihm, dass es im Internet Programme gab, die genau diese Aufgabe übernehmen konnten. Davon hatte er noch nie gehört. Ich ließ ihn dann im Anschluss mit der Bemerkung "probiere es mal damit" alleine – der frisch gebackene Ingenieur sollte zeigen, was er kann. Nach einer halben Stunde kam er in mein Büro und meinte "das klappt".
Im Anschluss habe ich die Beispiele aus den Buchkapiteln hälftig aufgeteilt und ihm die 50 Prozent des Codes zur Bearbeitung überlassen. Den Rest und die Überarbeitung des Manuskripttexts sollte meine Aufgabe sein. Gab dann eine interessante Erfahrung.
Ich brauchte damals mit meinen gut 50 Jahren gut doppelt so lange für die Überarbeitung der Beispiele als mein Sohn. Er war binnen kürzester Zeit zwar fertig. Wenn ich mir die portierten Beispiele und den Code dann ansah, waren leider viele Fehler enthalten, so dass er jedes Mal zwei oder drei Durchläufe zur Nachbearbeitung brauchte.
Am Ende des Tages brauchten wir beide ziemlich die gleiche Zeit zum Umsetzen der Beispiele. Die Jugend hatte zwar einen Schnelligkeitsvorteil. Aber meine Erfahrungen führten dazu, dass die Beispiele im ersten Schuss liefen und fertig waren.
Noch ein nettes Postscript zu diesem Ausflug: Das Buch erschien, hat uns aber nicht reich gemacht. Aber meine Strategie war eine andere: Macht sich ja beruflich nicht schlecht, wenn der Sohn auf zwei Buchtiteln als Co-Autor steht.
Bei einem seiner Vorstellungsgespräche wurde er von der Fachabteilung gefragt, ob er eventuell auch die Programmiersprache Visual C# im Studium gehabt habe. Man wolle demnächst neue Software-Projekte mit dieser Sprache angehen. Als der Sohn so lapidar meinte "Hab gerade mit meinem Vater ein Buch dazu geschrieben", hatte er die Stelle.
So 2008 habe ich noch mit ihm ein weiteres Einsteigerbüchlein zu Visual Basic verfasst, dann aber die Erstellung von solchen Büchern beendet. Für den Sohn war es aber ganz nett, auch Jahre später hin und wieder mal ein paar Euro von Verwertungsgesellschaften für diese Bücher zu bekommen. Und seine Autorenexemplare der drei Titel hat er auch im Bücherschrank stehen.
Heute ist er ein erfahrener Software-Entwickler in diesem Bereich. Und ca. ein Jahrzehnt nach unserem Buchprojekt fragte ich nach, was er im Rückblick von unserem Visual C# Entwicklerhandbuch ändern würde. Und mein Sohn meinte, ich würde heute vielleicht fünf bis sechs Seiten anders schreiben und auf diesen Seiten dann mehr zum Thema xyz einflechten, beim Rest waren wir schon ziemlich gut, das passt. Bei der Antwort war ich ziemlich platt, denn zum Zeitpunkt, als wir den Titel schrieben, hatten wir beide keine Ahnung von dieser Programmiersprache.
Sind schöne Erinnerungen an die Zeit mit den eigenen Kindern, und besondere Erfahrungen, die ich als Vater mit dem Sohn im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang machen durfte.
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