Wie sieht es eigentlich mit dem Verleih von Elektro-Tretrollern in Sachen 'Breitennutzung' durch die deutsche Bevölkerung aus? Hipster-Ding für Fun-Fahrten, oder doch der Einstieg zur Verkehrswende? Bayern Innovativ wollte es wissen und hat vor der Zulassung der eScooter einen Feldtest in Bamberg durchgeführt. Das Thema ist bei mir etwas liegen geblieben, weil ich nicht sofort an die Details der Auswertung heran kam. Hier die Infos nachgereicht.
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Vor zwei Monaten hatte der HR1 das Thema eScooter als Morgenthema im Radio-Programm. Meine Frau hatte diese wohl gehört – ich hatte kein Radio laufen. Tenor meiner Frau: eScooter sind eher nicht so der Brüller – die Leute leihen sich die Dinger mal zum Ausprobieren, aber wirklich viel und häufig wird damit nicht gefahren. Auch kaufen wollen die Leute die Elektro-Tretroller nicht – die sind zu teuer. Ich habe leider keine Textstelle finden können, da hat die Redaktion des HR1-Radioprogramms gepatzt. Die Sendung Mexx hat im HR-Fernsehen Anfang September 2019 diesen Beitrag gebracht. Der enthält aber nur einen ziemlich sinnfreien Vergleich 'wie komme ich am billigsten und schnellsten durch Frankfurt'.
Bauchlandung oder das nächste große Ding?
Ob das nicht eine Bauchlandung wird? Ich sehe schlicht keinen Markt für den Verleih von Elektro-Tretrollern, bei dem man langfristig Geld verdienen kann. Zwar malen Venture-Kapital-Geber die Zukunftsaussichten der Branche in den rosigsten Farben. Aber die schnöde Wirklichkeit steht dem entgegen. Im Beitrag München: eScooter-Verleiher Helbiz kommt erwähne ich nebenbei, dass die Verleiher in Wien nicht kostendeckend arbeiten können.
(Symbolfoto eScooter Quelle: VOI)
Ich hatte zudem im Blog-Beitrag eScooter-Sommermärchen: Ist der Hype Ende 2019 vorbei? auf das Umsatz- und Liquiditätsproblem der Branche hingewiesen. Es ist ein riesiger logistischer Aufwand, da die Fahrzeuge in Städten bereitzustellen. Inzwischen sind eScooter und vor allem die Verleiher massiv in der Kritik und werden eher als Problem gesehen. Umweltfreundlich sind die Fahrzeuge auch nicht.
Bayern Innovativ will es wissen
Die Initiative hat, laut eigener Aussage, den ersten eScooter-Feldtest Deutschlands durchgeführt – zumindest lautet so der nachfolgende Tweet.
ERSTER E-SCOOTER-FELDTEST DEUTSCHLANDS
48 % der Befragten können sich vorstellen, #escooter (aus dem Sharing-Betrieb) in Kombination mit dem ÖV als Ersatz zum PKW zu nutzen. Lest hier alle Ergebnisse des Feldtests ➡️ https://t.co/rPLKURFRE9#bayerninnovativ #innovationleben pic.twitter.com/sXN5kPzN8F— Bayern Innovativ (@BayernInnovativ) September 18, 2019
Bei näherer Betrachtung ergibt sich unter dem Strich folgendes. Der Feldtest wurde vor der eScooter-Zulassung in der Stadt Bamberg durchgeführt (das war mir bekannt). Bayern Innovativ hat diesen Feldtest begleitet und einige Leute befragt. Inzwischen liegt mir die Auswertung vor.
Der eScooter Feldtest wurde in Bamberg vom 15.3 bis 26.4.2019 durchgeführt. Ziel war die Prüfung der Eignung der eScooter für die Topografie und Eignung in Bamberg.
- Beteiligt waren 300 Personen (48,2 % Männer, 51,8 % Frauen) die 15 eScooter testen konnten. Das Durchschnittsalter lag bei 43,09 Jahren (Teilnehmer bis 65 Jahre).
- Insgesamt wurden 585,9 km zurückgelegt, die längste Streck betrug 24,1 km, die kürzeste 0,3. Der Mittelwert liegt bei 2,5 km.
- Im Durchschnitt wurden 2,9 Wege mit dem eScooter pro Tester zurückgelegt, wobei die Fahr durchschnittlich 15 Minuten dauerte. Das Groß der Fahrten fand bei schönem Wetter statt (eScooter sind Sonnenscheinfahrzeuge). Auch die Bewertungen als 'angenehm' bei Fahrten bei schönem Wetter bestätigen das Bild. Bei Regen sind eScooter Mist.
- Bezüglich des Nutzungszwecks ließ sich im Feldtest keine Präferenz erkennen. Testfahrten dienten zum Einkaufen, Dienstfahrten, Fahrt zur Arbeit/Ausbildung/Uni oder als Freizeitvergnügen.
- Interessant ist die Frage nach dem substituierten Verkehrsmittel: Auto (29,1%), Rad/Pedelec/Motorrad (42,5%), zu Fuß (23,9%), öffentliche Verkehrsmittel (6,5%), gar nicht (3,7%)
- 86,6 % nutzten die Straße oder Radwege (regelkonform). 13,6% fuhren aber auch schon mal oder ausschließlich auf Gehwegen (was verboten ist).
71,7% der Befragten bewerteten das Fahr- und Nutzungserlebnis insgesamt als angenehm, 26,7% als durchschnittlich und 1,7% als unangenehm. Die Gruppe der unter 25 Jährigen bewertete die Fahrt überwiegend als angenehm (88,9%). 26,7% empfanden eScooter als sehr sicher, 60,0% als ausreichend sicher und 10% fanden eScooter unsicher. 48,3% konnten sich vorstellen, eScooter aus dem Sharing-Betrieb als Autoersatz zu nutzen, 23,3 antworteten mit nein und 28.3% waren unentschlossen. Generell wurden den eScootern Attribute wie hipp, schnell und flexibel als Vorteile zugeordnet. Als Nachteile wurden Fahrkomfort (auf Bambergs Kopfsteinpflaster), die zu geringe Leistung (am Berg) und fehlende Reichweite der Akkuladung genannt. Auch blinken und abbiegen sind auf Grund der fehlenden Blinker ein Manko. Alles in allem nahm der Feldtest in Bamberg das voraus, was sich nach Zulassung der Fahrzeuge in anderen Befragungen an Daten ergab.
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