85 Millionen Lebensversicherungen wurden in Deutschland abgeschlossen. Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank sorgt dafür, dass Versicherer kaum noch ihrer Garantieverzinsung sicherstellen können. Aber Lasten werden voll auf die Versicherten abgeladen, während die Versicherungsgesellschaften üppig zulangen, so der Vorwurf, der jetzt erhoben wurde. Hier einige Informationen.
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Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte im Dezember 2017 eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um ein paar Informationen über den Sachverhalt zu bekommen. Die Antwort lässt sich hier nachlesen – ist aber hartes Brot.
(Quelle: Pexels CC0 Lizenz)
Der Vorwurf: Kunden werden nicht ausreichend an Gewinnen beteiligt
Gerhard Schick, Finanzexperte der Grünen im Bundestag, hat die Antwort ausgewertet. Gegenüber Spiegel Online wirft er der Versicherungswirtschaft vor, die Kunden nicht ausreichend an Überschüssen zu beteiligen. Tenor: Die Versicherer sorgen mit Tricks dafür, dass zuerst die Mutterkonzerne und Dritte von anfallenden Überschüssen profitieren. Die Besitzer einer Lebensversicherung haben das Nachsehen, gehen sie doch im Hinblick auf die Ausschüttung der Gewinne weitgehend leer aus.
Hintergrund sind sogenannte Gewinnabführungsverträge in der kapitalbildenden Lebensversicherung, die zwischen einer Konzernmutter und ihrer Lebensversicherungs-Tochter geschlossen werden. Die Anzahl solcher Verträge ist seit in Kraft treten des das Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) in 2014 stark angestiegen. Durch die Gewinnabführung bleibt weniger Geld übrig, was an die Kunden abgeführt werden, schreibt der Versicherungsbote hier.
Während 1995 noch 95,7 Prozent der Überschüsse an die Versicherten gingen, ist diese Quote 2016 auf 85,9 Prozent gesunken. Hier muss man aber bedenken, dass die Versicherer seit 2011 die sogenannte Zinszusatzreserve ansparen müssen. Dieser zusätzlichen Kapitalpuffer soll gewährleisten, dass die Versicherer in Zeiten niedriger Zinsen auch langfristig die Garantien aus hochverzinsten Altverträgen bedienen können. Gerhard Schick will eine Gesetzeskorrektur, die diese Praxis zu Lasten der Versicherungskunden untersagt.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt dem entgegen, dass ein großer Teil der abgeführten Gewinne als Eigenkapital zurück in die Lebensversicherern fließe und damit die Risikotragfähigkeit der Unternehmen stärke. "Zwischen 2011 und 2016 haben die Lebensversicherer rund 3,7 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital aufgebaut. Die Kunden profitieren davon unmittelbar – ihre Leistungsansprüche sind in einem unverändert herausfordernden Niedrigzinsumfeld dauerhaft gesichert", so der GDV-Sprecher. Die Argumentation ist ebenfalls im Versicherungsboten nachzulesen. Die Positionen der GDV lassen sich in dieser Kolumne nachlesen. Interessant ist der Leserbrief zu diesem Beitrag im Versicherungsjournal, der auf diverse Schieflagen hinweist.
Lebensversicherung kündigen?
Wer eine kapitalbildende Lebensversicherung besitzt, steht möglicherweise vor der Frage, ob man das Ganze nicht vielleicht kündigen sollte. Hier möchte ich auf diesen Finanztipp-Artikel verweisen, der unabhängige Einschätzungen gibt und Vor- bzw. Nachteile auflistet. Die zwei gravierendsten Punkte:
- Kündigen ist nur selten sinnvoll (z.B. nur dann, wenn der Vertrag gerade erst abgeschlossen wurde und das Geld besser in andere Formen der privaten Altersvorsorge investiert werden kann).
- Finanztipp.de weist darauf hin, dass die klassische Lebensversicherungen oder Rentenpolicen wegen hoher Garantiezinsen oft lukrativ sind.
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Finanztipp.de empfiehlt, diese Policen, falls möglich, zu behalten. Wer in finanzielle Engpässe gerät, kann den Vertrag beitragsfrei stellen lassen oder sogar beleihen. Auch ein Verkauf ist unter Umständen möglich.
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