Bundesverfassungsgericht kippt unbegrenzt lange Erhebung von Erschließungsbeiträgen

ParagraphDas Bundesverfassungsgericht hat am 24. November 2021 ein Urteil zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen von Kommunen bekannt gegeben und der Praxis eine Riegel vorgeschoben, auch nach vielen Jahren diese Beiträge von Grundstückseigentümern nachzufordern. Eine zeitlich unbegrenzte Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach Eintritt der Vorteilslage ist mit dem Grundgesetz unvereinbar, so die Richter.


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Es ist eine unangenehme Überraschung, die manchem Grundstückseigentümer bisher drohte. Plötzlich flattert ein Bescheid über die Erhebung von von Erschließungsbeiträgen ins Haus, obwohl eine Baumaßnahme vor vielen Jahren abgeschlossen wurde. Im konkreten Fall ging es um eine Regelung in Rheinland-Pfalz, die als verfassungswidrig eingestuft wurde.

Der Fall aus Rheinland-Pfalz

Der Kläger, der Eigentümer mehrerer Grundstücke in Rheinland-Pfalz ist, wandte sich gegen die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung einer Straße. In den Jahren 1985/1986 wurde die an die Grundstücke des Klägers angrenzende Straße vierspurig mit einer Länge von knapp 200 Metern gebaut. 1991 zog die Stadt den Kläger zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag heran. Die zunächst vorgesehene vierspurige Fortführung der Straße wurde 1999 endgültig aufgegeben.

Die Straße wurde stattdessen in den Jahren 2003/2004 zweispurig weitergebaut und in ihrer vollen Länge 2007 als Gemeindestraße gewidmet. Die Stadt setzte daraufhin für die hier maßgeblichen Flurstücke Erschließungsbeiträge fest – wir reden hier von 70.000 Euro, die nach 25 Jahren gefordert wurden – wie die Tagesschau hier berichtet. Dabei brachte sie die vom Kläger gezahlten Vorausleistungen in Abzug. Nachdem das Verwaltungsgericht zunächst zwei Bescheide aufhob, setzte die Stadt die beanstandeten Beitragsbescheide 2011 neu fest und erhob für ein einzelnes Flurstück einen Nacherhebungsbeitrag.

Die dagegen gerichtete Klage blieb vor Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht überwiegend erfolglos. Die Beitragspflicht sei erst mit Widmung der Straße im Jahr 2007 entstanden. Die vierjährige Festsetzungsfrist sei somit erst am 31. Dezember 2011 abgelaufen, also nach Erlass der angefochtenen Bescheide. Sie sei auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Mit dem am 24. November 2021 veröffentlichtem Beschluss (siehe Mitteilung) vom 3. November 2021 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz (KAG RP) mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) insoweit unvereinbar ist, als danach Erschließungsbeiträge nach dem Eintritt der Vorteilslage zeitlich unbegrenzt erhoben werden können.

Recht
(Quelle: Pexels Lizenz)

Die Beitragspflichten verjähren in Rheinland-Pfalz zwar vier Jahre nach Entstehung des Abgabeanspruchs. Der Beginn der Festsetzungsfrist knüpft damit allerdings nicht an den Eintritt der Vorteilslage an, weil die Entstehung des Abgabeanspruchs von zusätzlichen Voraussetzungen abhängt. So bedarf es unter anderem einer öffentlichen Widmung der Erschließungsanlage, die erst nach tatsächlicher Fertigstellung der Anlage erfolgen kann. Die tatsächliche Vorteilslage und die Beitragserhebung können somit zeitlich weit auseinanderfallen. Dies verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und ‑vorhersehbarkeit.


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Der Landesgesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Eine zeitliche Frist hat das Bundesverfassungsgericht nicht gesetzt. Spiegel Online schreibt hier, dass andere Bundesländer Fristlängen von 10 bis 20 Jahren festgelegt haben.


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