BGH-Urteil kippt Kostenklausel in Riester-Verträgen

ParagraphEs ist ein wegweisendes Urteil, welches die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen die Sparkasse Günzburg-Krumbach erstritten hat. Es geht um die Abschluss- und Vermittlungskosten in Riester-Verträgen der Sparkassen, die laut BGH-Urteil unzulässig sind.


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Persönliche Erinnerung und Rückblick

Ich erinnere mich kurz nach der Jahrtausendwende, als für die sogenannte "Riester-Rente" als Zusatzbaustein zur gesetzlichen Altersvorsorge getrommelt wurde. Denn Änderungen am System der gesetzlichen Rente ließ diese sinken, so dass Senioren im Alter nicht mehr ausreichend versorgt sein würden. Daher wurde die sogenannte Riester-Rente  als Zusatzrente am 1. Januar 2002 eingeführt.

In TV und Radio warben Beiträge und Moderatoren regelrecht dafür, dass die Leute diese private Altersvorsorge abschließen sollten. Ich hatte mir auch ein Riester-Renten-Formular von der Sparkasse besorgt, mir aber das Kleingedruckte durchgelesen. Nach ein wenig rechnen mit Papier und Bleistift kam ich zum Schluss, dass ich so viel sparen könne, wie ich wollte, die horrenden Kosten hätten alles aufgefressen, was ich an staatlichen Prämien bekommen hätte. Zudem muss die Riester-Rente ja bei Auszahlung versteuert werden.

Ich glaubte erst an einen Irrtum meinerseits und saß bereits mit dem unterschriebenen Antrag bei der Sparkassenberaterin. Dort sagte ich: "Bevor Sie den Antrag erhalten, erläutern Sie mir bitte die Kostenstruktur – die kann doch nicht stimmen." Die Beraterin konnte das nicht erläutern und meinte, die Kosten gelten halt. Also habe ich vor den Augen der total überraschten Sparkassenberaterin den Riester-Renten-Antrag zerrissen und gesagt "so etwas unterschreibe ich nicht". Später stellte ich fest, das ich als Freiberufler keine Riester-Rente bekommen konnte, sondern eher Rürup-Rente abschließen musste (habe ich aber aus den gleichen Gründen nicht gemacht).

Und mir ist noch eine zweite Episode im Gedächtnis geblieben. Das ZDF trommelte in der Sendung Wiso regelrecht, doch bitte schön einen Riester-Vertrag abzuschließen. In der Sendung wurde ein Experte vorgestellt, der anschließend im ZDF-Chat Fragen der Zuschauer beantworten sollte. Ich hatte mich mehrfach im Chat eingeklinkt und gefragt, wie "die horrenden Vermittlungs- und Abschlusskosten zu werten seien, niemand könne mit diesen Verträgen etwas gut machen". Ich hatte damals noch die Hoffnung, dass alles ein Irrtum meinerseits sei und der "Experte mir erklären würde, dass ich alles falsch verstanden habe". Aber die Chance bekam ich nicht – es wurden nur "positive Fragen" zugelassen und in der Sendung vorgestellt. Ich selbst flog mindestens drei Mal aus dem ZDF-Chat und meine abgeschickte Frage war nach wenigen Sekunden aus dem Chat gelöscht.

Seit diesen Vorfällen war die "Riester-Rente" für mich der größte legale Bankraub am "kleinen Sparer", den die Politik den Sparkassen, Volks- und Reifeisenbanken und der Versicherungswirtschaft erlaubte. Denn alle mir bekannten Riester-Sparverträge waren mit horrenden Kosten auf Abzocke angelegt. Die Kunden würden am Ende der Laufzeit feststellen, dass sie maximal ihre eigenen Einzahlungen herausbekämen, diese aber noch versteuern müssten. Die Riester-Prämien vom Staat wurden als Kosten von den "Versicherern" kassiert. Aber hey, ich bin ja nur ein einfacher Mensch, nicht in den höheren Sphären der Finanzmathematik studiert – musste mich da extrem anstrengen, um das zu verstehen. Bestimmt habe ich mich die ganzen Jahre geirrt – ich Simpel ….

Klage bis vor den BGH

Bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gibt es nicht nur Finanzexperten, sondern auch Juristen. Nachdem die Verbraucherzentrale, gut 20 Jahre nach dem Start der Riester-Rente immer mehr Beschwerden von Leuten erhielt, denen die Riester-Rente ausgezahlt wurde, hat man sich des Themas angenommen.

Anlass für diese steigende Beschwerdezahl ist unter anderem die Praxis der Sparkassen, für die Auszahlungsphase ein Rentenangebot zu unterbreiten, das  überraschend konkrete in Euro bezifferte "Abschlusskosten" enthielt. Deren Höhe war im ursprünglichen Altersvorsorgevertrag nicht aufgeführt. Außerdem tauchten im Verrentungsangebot, ebenfalls überraschend, in Euro bezifferte "übrige Kosten und Verwaltungskosten" auf. Ist zwar etwas, was von den von mir oben skizzierten Vorbehalten gegenüber Riester abweicht. Aber die Sparkassen erwiesen sich als recht kreativ, was die Kostenseite dieser Verträge ausmachte.


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Auch die Sparkasse Günzburg-Krumbach hatte sich in ihren Sonderbedingungen des Altersvorsorgevertrags "Vorsorge Plus" mittels einer Klausel das Recht vorbehalten, Verbraucher beim Übergang von der Anspar- in die Auszahlungsphase "ggf. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten" zu belasten.

Seit vier Jahren ging die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mit Verbandsklagen gegen eine intransparente Kostenklausel in Riester-Verträgen der Sparkassen vor. Nun gibt es eine höchstrichterliche Entscheidung aus Karlsruhe: Der BGH teilt die Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und stuft die beanstandete Klausel in den Riester-Sparverträgen der Sparkasse Günzburg-Krumbach als rechtswidrig ein (Urteil vom 21.11.2023, Az. XI ZR 290/22).

Recht
(Quelle: Pexels Lizenz)

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist diese Klausel intransparent. "Dank des Urteils des Bundesgerichtshofs können zahlreiche Verbraucherinnen und Verbraucher nun auf höhere Renten hoffen, weil das angesparte Guthaben nicht durch den Abzug unzulässiger Kosten reduziert werden darf" kommentiert Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Verbraucherinnen und Verbraucher wurden bei Vertragsabschluss im Dunkeln darüber gelassen, ob und gegebenenfalls welche Kosten genau auf sie zukommen."

Das Urteil hat Auswirkungen auf alle Sparkassen, die in ihren Vorsorge Plus Altersvorsorgeverträgen eine inhaltsgleiche Klausel verwendet haben. Weitere Informationen zum Hintergrund der Klage finden Sie unter www.vz-bw.de/node/53492.

Was das Urteil bedeutet

Da der BGH die intransparente Klausel als rechtswidrig eingestuft hat, fällt sie ersatzlos weg. Nach Auffassung der Verbraucherzentrale darf weder die Sparkasse noch der von ihr beauftragte Versicherer Abschluss- oder Vermittlungskosten für die Auszahlungsphase in Rechnung stellen. Ob Verbraucher, die entsprechende Kosten bereits gezahlt haben, diese von ihrer Bank zurückfordern können, ist im Einzelfall zu prüfen.

Riester-Rente gescheitert

"Erneut zeigt sich, dass das an eigenen Interessen ausgerichtete Verhalten der Anbieter von Riester-Sparverträgen direkt zu Lasten der Renten der Sparer geht," kritisiert Nauhauser. Diese Erkenntnis hatte ich laut obigem Text aber bereits 2002/2003 gewonnen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg setzt sich daher bereits seit 2011 für ein standardisiertes Basisprodukt in der privaten Altersvorsorge ein, das sich ausschließlich an Verbraucherinteressen ausrichtet.


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